Teil XVIII
Die Bestrebungen der Reformer – zu denen Clausewitz gehörte –, den Preußen eine Verfassung zu geben und die Militärreform voranzutreiben, waren gescheitert. Die Folge dessen waren politische Turbulenzen, die sich weit bis nach dem Ableben Clausewitz’ hinzogen. Historiker bezeichnen diese Erscheinungen als »Restauration« und »Vormärz«.
Hier an dieser Stelle kehren wir noch einmal zu Clausewitz´Schrift »Umtriebe« (1819 bis 1823) zurück. In keiner anderen Arbeit war Clausewitz mit soziologischen Fragen der preußischen Innenpolitik so befasst, wie in dieser.
Neben den Beschreibung der »Extravaganzen« und der Probleme der akademischen Jugend widmete sich Clausewitz in seinen »Umtrieben« auch der Schilderung von Unzufriedenheiten im preußischen Land. Clausewitz hatte Bemühungen nach einer politischen Einheit Deutschlands als illusorisch bezeichnet. Er erwartete nicht, dass sich die breite Volksmasse dafür begeistern ließe.
»(…) Es fehlte zwar in Preußen nicht an Gegenständen der Unzufriedenheit und die einen reelleren Grund hatten als die Umtriebe der Studenten, allein sie hatten teils gar keine, teils eine rückwirkende Beziehungen zu diesen. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz: Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S.184)
Clausewitz bewegte sich in seinen »Umtrieben« folgerichtig im Spannungsfeld der drei großen Grundprobleme seiner Zeit, nach 1815:
1. Dem Gebietszuwachs Preußens durch das Rheinland, Westfalen, der Provinz Sachsen,Schwedisch-Vorpommern und Posen; (siehe Anlage Verwaltungseinrichtungen)
2. Dem Reformstau der alten Gesellschaft;
3. Den Restaurationsbestrebungen der konservativen Hofpartei um König F. W. III.
Sein Augenmerk war dabei besonders auf die Verärgerung des Adels gerichtet, der sich infolge der Staatsreformen um seinen Status gebracht sah. Der Adel – durch Krieg und Krisen gebeutelt – war ein Pfeiler der Restauration.
»(…) Die vielen Anstrengungen der Kriegszeit hatten den Grundbesitzer sehr heruntergebracht; die neuen Einrichtungen der bäuerlichen Verhältnisse machten seine Bewirtschaftung viel kostbarer, und er fühlt sich also in einer sehr gedrängten Lage, woraus ganz natürlich Unzufriedenheit entsprang. Daß diese Unzufriedenheit aber den Plänen der Demagogen nicht zusagte, vielmehr ein Gegengewicht für sie war, ist klar. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz: Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S.184)
Bemerkenswerterweise benutzt Clausewitz hier selber den Begriff »Demagogen« mehrfach. Diese Begrifflichkeit hatte sich nach den «Karlsbader Beschlüssen« (1819) für die Überwachung und Verfolgung »revolutionärer Bürger«, Professoren, Studenten, Universitäten sowie Burschenschaften manifestiert. Hatte sich Clausewitz zu diesem Zeitpunkt mit Ziel, Form und Inhalt der sogenannten »Demagogenverfolgung« identifiziert? Immerhin dürfte es ihm nicht entgangen sein, dass Fichte, v. Stein, sogar v. Hardenberg in Verdacht gerieten, geistig involviert gewesen zu sein. Dass Jahn verhaftet, Arndt und weitere Professoren ihrer Ämter enthoben und Strafprozessen ausgesetzt waren, dürfte dem Direktor der Allgemeinen Kriegsschule (seit 1818) auch nicht entgangen sein.
In seiner Schrift »Umtriebe 1818 – 1823« wird Clausewitz dazu sehr deutlich:
»(…) Wir finden also im Jahr 1818 die deutsche akademische Jugend auf – und angeregt zu einer politischen Wiedergeburt. Sie weiß es selbst nicht, was das sein und heißen soll; auch die Professoren, die es ihnen gelehrt haben, wissen es nicht, oder der eine weiß es so, der andere weiß es anders. Aber vor allem ist gelehrt und ausgemacht worden, daß die deutschen Regierungen (unbeschadet der Schlechtigkeit der anderen europäischen) verdorbene Rotten sind, kollektive Bösewichte […] die nur das Üble wollen, das Gute aufhalten, die Zeit nicht verstehen, das Volk nicht lieben […] ein stehender fauler Sumpf, ein Pfuhl des Verderbens ist […] es muß also wieder anders werden in der Welt. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S. 182 bis 183)
Nein, Clausewitz war im Zweifel ob der Rechtmäßigkeit dieser revolutionären Umtriebe, und folglich stand er in Opposition gegen die unter Verdacht stehenden Protagonisten und deren Ideen. Getreu seiner Grundüberzeugung – wir verwiesen bereits darauf – jegliche Geheimbündelei abzulehnen. Er war immer noch der königstreue Soldat.
Im Weiteren stellt Clausewitz die prekäre finanzielle Lage Preußens dar, die sich durch die lange Kriegsperiode ergeben hatte. Diese versuchte der Staat durch Aufhebung von Beamtengehältern und Steuererhöhungen zu regulieren, was wiederum zur Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteile führte.
»(…) So kam es, daß der Staat jetzt jährlich 50 Milionen erhob, da er sonst nur 36 Millionen erhoben hatte. […] Es entstand also auch von dieser Seite ein ungewohnter Druck, der natürlich zu Klagen führte. Aber keinem vernünftigen Menschen konnte es wohl einfallen, von den illusiorischen Plänen der Demagogen in diesem reellen Übel eine Abhilfe zu erwarten. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S. 185)
Von weiterer Bedeutung war für Clausewitz »die Stockung des Handels« als Quelle der damaligen Verdrossenheit, die waren seiner Meinung nach auf die großen »Territorialveränderungen« zurückzuführen.
»(…) Bei großen Territorialveränderungen tritt dergleichen immer ein; […] Dies war bei uns besonders mit den rheinländischen Provinzen der Fall, die ihren Absatz nicht mehr nach Frankreich und den Niederlanden machen konnten und in dem entfernten preußischen Mutterstaate nicht gleich Ersatz fanden. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S. 185)
Auf der anderen Seite hob Clausewitz jedoch auch die erheblichen Probleme des schlesischen Leinwandhandels hervor, der nunmehr 10 Millionen Taler im Jahr verlor. Die schlesischen Produktionsstätten gerieten in Not und Armut, so Clausewitz. Hier ist der Kriegsphilosoph jedoch offensichtlich nicht in der Lage, konkrete Ursachen für diese Erscheinung zu nennen. Vielmehr unterstreicht er einmal mehr seine Auffassung von der Unfähigkeit der deutschen Jugend hier Abhilfe zu schaffen.
Hier hätte Clausewitz bereits auf die beginnende Industrialisierung in Preußen mit möglichen Konsequenzen verweisen müssen. In den zumeist ländlichen traditionell familiär basierenden Produktionsstätten war man zunehmend nicht mehr in der Lage, dem Druck billiger maschinell hergestellter Produkte zu begegnen. Das Resultat war die Verelendung der schlesischen Weber, die letztendlich zu Unruhen, Aufruhr und zum Weberaufstand von 1844 führte. Heinrich Heine als Vertreter der Literaturepoche des Vormärz setzte mit seinem Gedicht »Die schlesischen Weber« diesem Aufstand ein Denkmal. Wir verwiesen bereits auf die 1. Strophe, hier nun die letzte.
»Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!« Heinrich Heine
Erst am 1. November 1822, also zwei Jahre nach der Niederlegung der »Umtriebe«, erfahren wir durch einen Brief Gneisenaus vom Gedankenaustausch mit Clausewitz, ökonomische Probleme betreffend. Jedoch auch bei Gneisenau keine Analyse, wenn er von der Misere des Leinwandhandels schreibt. Seine Sorge gilt dem Adel, wenn er schlussfolgert:
»(…) Der Adel wird zuerst ins Verderben und seine Güter bis zum Unwert herabsinken, nur ein kleiner Teil seiner Mitglieder wird sich im Besitz halten können.(…)«
(Vergl. »Gneisenau« Ein Leben in Briefen, Hg. Dr. Karl Griwank, Koehler & Amelang /Leipzig, 1939, S. 370)
Womöglich war Clausewitz auch Christian Peter Wilhelm Beuth (*1781; †1853) begegnet, der 1818 zum Direktor der Abteilung für Handel und Gewerbe Preußens ernannt wurde. Beuth war immerhin Tischgenosse an der Christlich-deutschen Tischgesellschaft, an der auch Clausewitz saß. Jener Beuth, der 1811 durch judenfeindliche Reden aufgefallen war, engagierte sich vehement für die Industrialisierung Preußens. Bei der Entwicklung des Verkehrswesens setzte er sich für die Einführung der Dampfkraft ein. Bereits 1816 war Folgendes bekannt:
»(…) Die Berlinischen Nachrichten vom Jahre 1816 konnten berichten, daß am Sonnabend, den 21. Juni 1816, in Spandau der Kiel des ersten Dampfbootes gelegt wäre. Einige Dampfschiffe fuhren bereits zwischen Magdeburg und Hamburg; (…)«
(Vergl. Beuth und die Deutsche Dampfschiffahrt , aus »Die Anfänge der Industrie in Deutschland«, R. Krennn, Volk und Wissen Verlag, 1949, S. 42)
Wenn unser Carl mit seiner Frau Marie in seiner Direktorenzeit an der Spree in Berlin spazieren ging, wird er Dampfschiffe gesehen haben. Die Industrialisierung war also dem General nicht verborgen geblieben. Über die Konsequenzen muss er nachgedacht haben.
Obwohl Clausewitz in waffentechnischen Neuerungen die Ursachen für die Ausbildung neuer Formen der Kriegsführung sah, wissen wir, dass Clausewitz in seinem Hauptwerk »Vom Kriege« Fragen der Technik, speziell der Kriegstechnik, kaum Raum eingeräumt hatte.
(Vergl. »Staat und Heer« Ausgewählte historische Studien zum ancien régime, zur Französischen Revolution und zu den Befreiungskriegen, W. Gembruch, Hg. J. Kunisch, Duncker & Humblot ∗ Berlin, 1990, S. 428 bis 429)
Er schrieb:
»(…) die Verhältnisse der materiellen Dinge sind alle sehr einfach (…)«
(Vergl. C.v. Clausewitz, Vom Kriege, Verlag MFNV, Berlin 1957, 3. Buch, 1. Kapitel, S. 156)
Nicht die physischen Mittel, sondern die moralischen Größen waren für Clausewitz entscheidend. Sah er deshalb die sich nahenden verheerenden Konsequenzen für die schlesischen Weber nicht?
»(…) Um diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen, muß man sich vergegenwärtigen, dass Clausewitz wie allgemein seine Zeitgenossen, im technischen Fortschritt […] nicht einen kontinuierlichen, jeweils nur mehr oder weniger akzellerierten, sondern einen durch lange Phasen der Stagnation unterbrochenen, nur stufenweise sich realisierenden Prozeß gesehen hat – eine für die Zeit vor der industriellen Revolution und dem Maschinenzeitalter durchaus begründete Auffassung. (…)«
(Vergl. »Staat und Heer« Ausgewählte historische Studien zum ancien régime, zur Französischen Revolution und zu den Befreiungskriegen, W. Gembruch, Hg. J. Kunisch, Duncker & Humblot ∗ Berlin, 1990, S. 428 bis 429)
Die oben genannten »Stockungen« des Handels führten besonders in den rheinländischen Provinzen zu Unzufriedenheiten, so Clausewitz. Wie in den »Umtrieben« beschrieben, sah Carl jedoch ein gewisses Einfühlungsvermögen der Rheinländer gegenüber den Umtrieben. Was er wohl mehr oder weniger dem Volkscharakter zuschrieb.
»(…) Die Rheinländer der Gegend von Mainz, Koblenz, Trier und Aachen (die von Köln und dem Niederrhein haben einen anderen Charakter) sind ein wenig von der belgischen Art, regsam und unstät. Von lebhaftem Blut, betriebsam, gescheit, nehmen sie sie gern an dem öffentlichen Leben, dünken sich viel und sind selten mit dem bestehenden Zustande der Dinge zufrieden. Das Volk überhaupt und besonders auf dem flachen Lande, hat doch viel Freundlichkeit, in den Städten sind sie etwas hämisch. (…)«
(Vergl. »Carl von Clausewitz Politische Schriften und Briefe«, Hg. Dr. H. Rothfels, Drei Masken Verlag, München 1922, XIV Umtriebe (1819 – 1823), S. 186)
Die Wahrheit war, dass die Rheinländer die Preußen nicht liebten, und Clausewitz konnte nicht eleganter die gegenseitige Abneigung formulieren. Beginnend mit 1823 bis in die Gegenwart wird daher auch das preußische Militär im rheinischen Karneval despektierlich dargestellt.
Gleichwohl spricht Clausewitz jedoch empathisch über die Auswirkungen der Hungersnot der Jahre 1816 bis 1817, die er auf einen »Misswuchs« zurückführte. Dieser Zustand war vornehmlich auf nasskaltes Wetter mit schweren Regen- und Hagelschauern, die zu Überflutungen führten, zurückzuführen. Besonders hart betroffen waren die rheinländischen Provinzen. Hier half der Staat mit 2 Millionen Talern, die aber kaum wirksam eingesetzt wurden. Clausewitz spricht hier von einem »großen Schnitzer« der preußischen Regierung, der kaum das Vertrauen der Rheinländer förderte und die »Umtriebe« weiter stärkte. Preußens Regierung versäumte es, den Lauf der Gelder zu kontrollieren und leistete somit der Korruption Vorschub.
Wie seit jeher in Krisensituationen wuchsen auch in der Hungerperiode 1816 bis 1817 die Verschwörungstheorien hervor, die jüdische Bürger gegenüber der Bevölkerung in Misskredit brachten. Wir sprechen hier über die sogenannten Hepp-Hepp-Unruhen des Jahres 1819 mit gewalttätigen Ausschreitungen gegen Juden in weiten Teilen des Deutschen Bundes. Jüdische Bürger wurden drangsaliert, Synagogen und jüdische Wohnungen angegriffen und teilweise zerstört.
Clausewitz ging in seinen »Umtrieben« darauf nicht genauer ein. Als Soldat hätte ihn das jedoch interessieren müssen, denn die Unruhen wurden teilweise durch Militär befriedet. Allerdings waren die preußischen Provinzen kaum davon betroffen. Hier gingen die Reformen nach 1815 – stockend zwar – auf einigen Gebieten weiter.
Jakob Katz (*1904; †1998) bemerkte zu den Hepp-Hepp-Krawallen:
»(…) Der Grund für die antijüdischen Unruhen war seit langem von der antijüdischen Propaganda bereitet worden, die eine Entscheidung gegen das jüdische Bürgerrecht erreichen wollte. Die Krawalle geschahen an Orten, wo diese Fragen noch offen waren, in Würzburg, Hamburg und Frankfurt. Sie gingen von Kreisen aus, die sich durch den Eintritt von Juden in ihren Beruf geschädigt sahen, d. h. von Kaufleuten, […] Der gewalttätige Angriff auf Juden lag in der Luft. Und doch hatte die politische Führung ihre Augen davor verschlossen, bis es tatsächlich zu Unruhen kam. (…)«
(Vergl. »Vom Vorurteil bis zur Vernichtung – Der Antisemitismus 1700 – 1933«, Hg. Jakob Katz, Union Verlag, 1980, S. 105)
Carl von Clausewitz wird folgendes Zitat zugeschrieben:
»Die Zeit ist Euer, was sie sein wird, wird sie durch Euch sein«
(Vergl. »Carl von Clausewitz, Politik und Krieg: eine ideengeschichtliche Studie«, Hg. H. Rothfels, Dümmler, Repr. 1920, S. 211)
Dieser Maxime folgte offensichtlich der General und Philosoph in dem Lebenszeitraum von 1815 bis 1830. Eine Zeit, die zwar für das Land Preußen nach außen hin eine relative Ruhe bedeutete, nach innen hin jedoch – wie weiter oben mit den Turbulenzen geschildert – äußerst schwierig war.
Wir suchen hier in dieser Zeit nach Bezügen des Generals zu unserem Thema, die uns der geniale Clausewitz jedoch kaum liefern kann. Weil er resignierend bis ins Jahr 1830 hinein mit seinem statischen beruflichen Fortkommen und seiner Wissenschaft »Vom Kriege« beschäftigt war. Hier war natürlicherweise die Problematik der Emanzipation der Juden in Preußen nicht das dringlichste Thema im Wirken Clausewitz´. Mehr noch, eine mögliche Intervention seinerseits in dieser Frage hätte in jedem Falle die »Hofpartei« auf den Plan gerufen und womöglich für erneute Beanstandungen des Königs gesorgt. Wenn sich Clausewitz denn dazu hätte äußern wollen.
Markante Stationen seines Lebens nach 1815 bis 1830 wollen wir hier noch einmal zusammenfassend benennen:
- Chef des Generalstabes in Koblenz am Niederrhein 3. Oktober 1815;
- Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin ab 9. Mai 1818;
- die kurzzeitige Berufung zum Kommandanten von Aachen 1818;
- Beförderung zum Generalmajor am 19. September 1818;
- die Ablehnung seines Wunsches, preußischer Gesandter in London zu werden 1819;
- Berufung in den Generalstab 6. Mai 1821;
- die Auszeichnung mit dem Dienstkreuz 30. Juni 1825;
- Bestätigung seines Adelstitels 30. Januar 1827.
(Vergl. Priesdorff, Bd. 5, S. 66, u.a.)
Dann endlich, 1830, nach 15 Jahren trockenem administrativem Dienst, wieder ein Kommando in der Truppe. In Breslau übernahm Clausewitz die 2. Artillerieinspektion (ab 19.8.1830). Am 06.03.1831 wurde Clausewitz zum Chef des Generalstabes der anlässlich der polnischen Unruhen gebildeten preußischen Observationsarmee unter Gneisenau in Posen ernannt.
(Vergl. Carl von Clausewitz Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte seines Werkes bis 1918, Hg. U. Marwedel, H. Boldt Verlag, 1978, S. 45 bis 61)
Über die Hoffnungen und Enttäuschungen, die Clausewitz in dieser Zeit erlebte, ist in der Literatur ausführlichst berichtet worden. Gleichwohl wollen wir uns jedoch einer Angelegenheit noch einmal widmen. Nachdem Gneisenaus Bemühungen bei Hardenberg gescheitert waren, Clausewitz für den »Staatsrath« zu empfehlen, eröffnete sich mit dem Direktorat der Kriegsschule eine neue Perspektive. Die Worte Gneisenaus waren 1817 hoffnungsvoll.
»(…) Ihre Anwesenheit in Berlin könnte in so manchem anderen Betracht viel Gutes stiften, da durch Ihre klare Ansicht der Dinge und ihre scharfe Dialektik so manche Hauptgrundsätze unseres Kriegsgebäudes wieder in Erinnerung gebracht und siegreich verfochten werden würden. (…)«
(Vergl. Brief Gneisenaus an Clausewitz vom 29.9.1817, in Pertz/Delbrück, Gneisenau, Bd. 5, S. 243)
Jedoch folgte hier sehr schnell die Enttäuschung aller Hoffnungen Clausewitz‘, »Geist und Tat« entsprechend einer Beteuerung des Kriegsministers einsetzen zu können. Desillusionierend waren für Clausewitz die Ablehnung oder halbherzige Berücksichtigungen von Denkschriften (in 1819), die sich mit Verbesserungen der Lehrgegenstände und der Qualität des Lehrpersonals beschäftigten. Denen stimmte der Kriegsminister v. Boyen wohl noch zu konnte diese jedoch nicht mehr realisieren helfen, da er selbst im Herbst 1819 aus dem Kriegsministerium ausschied. Sehr zu seinem Verdruss blieb Clausewitz:
»(…) der bessere Portier an einer Anstalt, deren geistiger Führer er sein müßte. Ein heimlicher Feldherr.(…)«
(Vergl. R. Baumgardt, »Das Fundament. Schöpferische Menschen des XIX. Jahrhunderts«, Schneekluth in Darmstadt 1941, S. 36)
Wir lesen bei Marwedel sogar den Begriff »kaltgestellt«
(Vergl. Carl von Clausewitz Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte seines Werkes bis 1918, Hg. U. Marwedel, H. Boldt Verlag, 1978, S. 210)
Wir wissen, dass ihm dieses Stellung im höchsten Grade zuwider war, wie sein Adjutant Steinemann hinterließ.
(Vergl. Carl von Clausewitz Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte seines Werkes bis 1918, Hg. U. Marwedel, H. Boldt Verlag, 1978, S. 50)
Besonders zermürbend muss für den glühenden Patrioten gewesen sein, sich nicht der Lehre widmen zu dürfen. Die Unterrichtung der Söhne F. W. III., unter denen der spätere »Sieger von Sedan« war, konnten kein Ersatz für den Denker und Soldaten Clausewitz mit seinen Ambitionen sein. Dieser [Clausewitz] meinte, den Prinzen gelangweilt zu haben, da dieser [Kronprinz Wilhelm] kaum Interesse zeigte.
(Vergl. Carl von Clausewitz Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte seines Werkes bis 1918, Hg. U. Marwedel, H. Boldt Verlag, 1978, S. 54)
»(…) Der beste Theoretiker der preußischen Armee, der am meisten historische Kopf, der genaueste Kenner aller militärischen Ereignisse aus der Vergangenheit wie aus der Gegenwart wird mit Rechnungslisten und Inventarprotokollen beschäftigt. (…)«
(Vergl. R. Baumgardt, »Das Fundament. Schöpferische Menschen des XIX. Jahrhunderts«, Schneekluth in Darmstadt 1941, S. 44)
So blieb Carl über lange Jahre neben dem reinen administrativen Dienst wohl nur noch der Rückzug in seine militärwissenschaftliche Arbeit. Wir wissen, die Berliner Zeit war dennoch die fruchtbarste Schaffensperiode im Leben Clausewitz‘. Sein Hauptwerk »Vom Kriege« konnte Gestalt annehmen.
Mit Blick in diese für Clausewitz »trostlosen Zeit« – in dienstlicher Hinsicht – können wir jedoch noch einmal an die Gesamtthematik anschließen. Wahrscheinlich 1819 verfasste Clausewitz den Aufsatz: »Unsere Kriegsverfassung«. Rund eine Dekade später erscheint Clausewitz´Schrift »Über die politischen Vortheile und Nachtheile der preußischen Landwehr«. Er wirft hier wichtige innenpolitische Probleme Preußens nach 1815 noch einmal auf, die natürlich auch die jüdische Bevölkerung tangiert haben dürften. Aus den Texten erkennen wir eine geradlinige und konsequente Haltung für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht (seit 1814) der Landwehr und des Landsturmes.
Wir können vielleicht davon ausgehen, dass Clausewitz bei der Forderung nach Beibehaltung der Wehrpflicht in Preußen die jüdischen Bürger auf Grund der erlebten Kriegserfahrung nicht ausschließen wollte. Obgleich die Problematik der Bewaffnung und Vereidigung jüdischer Soldaten – wie weiter oben geschildert – auch ihm bekannt gewesen sein müsste, wenn er schreibt:
»(…) Die Landwehreinrichtung, indem sie eine bedeutende Masse des Volkes, nämlich etwa einen Drittel aller waffenfähigen Männer, in regelmäßige Regimenter zusammenstellt, ihnen Offiziere aus ihrer Mitte gibt und die Waffen in offenen Zeughäusern unter ihnen niederlegt, gibt offenbar dem Volke die Waffen in die Hände. (…)«
(Vergl. K. Schwartz, »Leben des Generals Carl von Clausewitz und der Frau Marie von Clausewitz, geb. Gräfin von Brühl«, Bd. 2, Berlin 1878, S. 288 bis 293)
Sehr deutlich rechnet Clausewitz die möglichen personellen und materiellen Vorteile der Landwehr vor:
»(…) Die Bewaffnung des Volkes, d. h. die Landwehreinrichtung, gibt einen Widerstand nach außen, der durch kein stehendes Heer erreicht werden kann. (…)«
(Vergl. ebenda)
Mit dem folgenden schlagenden Argument entwaffnet Clausewitz all diejenigen – allen voran seinen König – die gegen die Landwehr polemisierten. Hier manifestierte er die strategische Bedeutung der Landwehr für Preußen.
»(…) Die Landwehr vermehrt die Gefahr einer Revolution; die Entwaffnung der Landwehr vermehrt die Gefahr einer Invasion. (…)«
(Vergl. ebenda)
Vorangegangen waren Ereignisse in diesem Zusammenhang – wir verwiesen darauf – in dessen Ergebnis Kriegsminister v. Boyen und Chef des Stabes v. Grolman unter Protest zurücktraten.
»(…) Tatsächlich forderte der König Friedrich Wilhelm III. im Dezember 1819 eine Reorganisierung der Landwehr, die Auflösung von vierunddreißig Bataillonen und in Friedenszeiten die Eingliederung von sechzehn Brigaden als Liniendivisionen in das stehende Heer. Die Entscheidung des Königs kennzeichnete den Sieg der Reaktionäre über die Reformer, die von ersteren als Revolutionäre behandelt wurden. (…)«
(Vergl. »Clausewitz Den Krieg denken«, Hg. Raymond Aron, Propyläen, S. 68)
Seinen Aufsatz über die Vor- und Nachteile der preußischen Landwehr schließt er mit einer harten Kritik an diejenigen ab, die sich gegen die Reformen wendeten.
»(…) So mögen denn die Männer von 1806, welche das Heil in den verfallenen Formen jener Zeit suchen, all die Fragen, welche wir hier getan haben, ihrem Gewissen redlich vorlegen und dann die ungeheure Verantwortlichkeit fühlen, daß sie mit frevelhaftem Leichtsinne die vielleicht nur in Tändeleien geübte Hand an die Zertrümmerung eines Gebäudes legen, auf dem unser großartiges Schicksal durch die Jahre 1813, [18]14 und [18]15, wie eine Siegesgöttin auf ihrem Streitwagen, geruht hat. (…)«
(Vergl. K. Schwartz, »Leben des Generals Carl von Clausewitz und der Frau Marie von Clausewitz, geb. Gräfin von Brühl«, Bd. 2, Berlin 1878, S. 288 bis 293)
Inwieweit nun Clausewitz das Misstrauen und den Zweifel an der moralischen Zuverlässigkeit jüdischer Landwehrmänner durch einige staatstragende damalige Protagonisten, die sich in der Präambel zum Eid der jüdischen Soldaten widerspiegeln, prinzipiell teilte, werden wir wohl nie erfahren.