Fazit


Clau­se­witz war also in der Lage, zu sei­ner Zeit Grund­la­gen für eine »Militär-​Psychologie« nach heu­ti­gem Ver­ständ­nis zu for­mu­lie­ren. Das Ver­dienst des Mili­tär­phi­lo­so­phen besteht zwei­fel­los dar­in, dass sei­ne Gedan­ken und Begrif­fe – Geni­us der mili­tä­ri­schen Füh­rer, Moral, Mut, Tugend und Geist der Trup­pen – heu­te einen bedeu­ten­den his­to­ri­schen Platz in der Wis­sen­schaft einnehmen.

Clau­se­witz wur­de Sol­dat, als der Mensch ledig­lich stump­fe Mas­se für die mili­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen war. Es bedurf­te der per­sön­li­chen Erfah­run­gen der preu­ßi­schen Nie­der­la­ge von 1806, der Rezep­ti­on von Ursa­chen und Wir­kun­gen der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, der Mili­tär­re­for­men an der Sei­te Scharn­horsts, sei­ner Erfah­run­gen in der rus­si­schen Armee 1812 sowie der Kam­pa­gnen von 1813 bis 1815, um let­zend­lich zu einer wesent­li­chen Erkennt­nis zu gelangen.

»(…) Wol­len wir den Geg­ner nie­der­wer­fen, so müs­sen wir unse­re Anstren­gun­gen nach sei­ner Wider­stands­kraft abmes­sen; die­se drückt sich durch ein Pro­dukt aus, des­sen Fak­to­ren sich nicht tren­nen las­sen, nämlich:
die Grö­ße der vor­han­de­nen Mit­tel und die Stär­ke der Wil­lens­kraft. [Her­vor­he­bung durch Autor] (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 1. Buch, Kap. 1, S. 20)

Dem­nach, so Clau­se­witz, kön­nen sich die Mit­tel durch Zah­len dar­stel­len las­sen, die Wil­lens­kraft jedoch ledig­lich »nach der Stär­ke der Moti­ve« (Vergl. eben­da). Im moder­nen Mili­tär­we­sen spie­geln sich die­se Wor­te in einer umfas­sen­den Lage­be­ur­tei­lung wider, in der das for­ma­le Kräf­te­ver­hält­nis in Gegen­über­stel­lung der Mit­tel – mit so genann­ten Ein­satz­ko­ef­fi­zi­en­ten – der eige­nen und der geg­ne­ri­schen Kräf­ten zu einer mög­li­chen Hand­lungs­va­ri­an­te (Angriff oder Ver­tei­di­gung) füh­ren kann. Aus­schlag­ge­bend für einen Ent­schluss am Ende war und ist der mora­li­sche Zustand der Trup­pen. Wil­lens­kraft und Moti­va­ti­on in sei­ner Wir­kungs­wei­se stellt Clau­se­witz wie folgt dar:

»(…) Gesetzt, wir bekä­men auf die­se Wei­se eine erträg­li­che Wahr­schein­lich­keit für die Wider­stands­kraft des Geg­ners, so kön­nen wir danach unse­re Anstren­gun­gen abmes­sen […] Aber das­sel­be tut der Gegner; (…)«
(Vergl. Eben­da S. 20 bis 21)

In der Clausewitz´schen Sicht über die »Äuße­re Anwen­dung der Gewalt nach Ziel und Mit­tel« ist die Gegen­über­stel­lung der »Wider­stands­kräf­te« die drit­te Wech­sel­wir­kung in die­sem Zusam­men­hang, die zu beach­ten war. Wei­ter vor­ne wur­den bereits die dazu gehö­ren­den krie­ge­ri­sche Tugen­den der kämp­fen­den Trup­pen von Clau­se­witz als »mora­li­sche Potenz« definiert.
*(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 171)

Hier noch ein­mal Clau­se­witz zur Rol­le mora­li­scher Größen:

»(…) Noch ein­mal müs­sen wir auf die­sen Gegen­stand zurück­kom­men, den wir im drit­ten Kapi­tel des zwei­ten Buches berührt haben, weil die mora­li­schen Grö­ßen zu den wich­tigs­ten Gegen­stän­den des Krie­ges gehö­ren. Es sind die Geis­ter, wel­che das gan­ze Ele­ment des Krie­ges durch­drin­gen, und die sich an den Wil­len, der die gan­ze Mas­se der Kräf­te in Bewe­gung setzt und lei­tet, frü­her und mit stär­ke­rer Affi­ni­tät anschlie­ßen, gleich­sam mit ihm in eins zusam­men­rin­nen, weil er selbst eine mora­li­sche Grö­ße ist. Lei­der suchen sie sich aller Bücher­weis­heit zu ent­zie­hen, weil sie sich weder in Zah­len noch in Klas­sen brin­gen las­sen und gese­hen oder emp­fun­den sein wollen. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 3. Buch, Kap. 3, S. 165)

Die hier dar­ge­stell­ten Sicht­wei­sen Clau­se­witz´ spie­geln eine Rei­he von Teil­dis­zi­pli­nen der Psy­cho­lo­gie wider, die auch im heu­ti­gen Mili­tär­we­sen in der Aus­bil­dung der Sol­da­ten wir­ken. Die ange­führ­ten Bei­spie­le soll­ten die Viel­fäl­tig­keit mög­li­cher his­to­ri­scher Bei­spie­le andeu­ten, die zur Ver­ständ­lich­keit der Wir­kungs­wei­se der von Clau­se­witz for­mu­lier­ten »mora­li­schen Potenz« die­nen können.

Anla­ge:
»Zusam­men­hang zwi­schen krie­ge­ri­scher Tugend und Volksgeist«
(Vergl. »Clausewitz-​Kolloquium – Theo­rie des Krie­ges als Sozi­al­wis­sen­schaft«, Hg. G. Vom­win­ckel, Dun­cker & Hum­blot, S. 135