Epilog


An den Säu­len des »Arc de Triom­phe de l’Étoile« in Paris fin­den wir die Namen zwei der berühm­tes­ten fran­zö­si­schen Offi­zie­re der napo­léo­ni­schen Gran­de Armée. Ver­ewigt sind dort Briga­dier Géné­ral Baron Marc-​Jean-​Françoia-​Jérôme Wolf­fe (*1776; †1848) und Géné­ral Hen­ri Rot­tem­bourg (*1769; †1857).

(Vergl. »Eiser­nes Kreuz und David­stern Die Geschich­te jüdi­scher Sol­da­ten in Deut­schen Armeen«, Hg. M. Ber­ger, tra­fo, 2006, S. 236 bis 237)

Arc de Triom­phe de l’Étoile (Quel­le: Wikipedia)

Bei­de Gene­ra­le wur­den in jüdi­schen Fami­li­en gebo­ren und waren somit die am höchs­ten deko­rier­ten jüdi­schen Sol­da­ten Frank­reichs in die­ser Epo­che. Betrach­ten wir nun den Gene­ral Wolff etwas näher. Zwi­schen ihm und unse­rem Carl von Clau­se­witz gibt es eine erstaun­li­che »Ver­bin­dung«.

In der Dop­pel­schlacht von Jena & Auer­stedt 1806 stan­den sich bei­de Offi­zie­re mög­li­cher­wei­se gegen­über. Auf dem Rück­zug über Mag­de­burg folg­te Wolff den Preu­ßen. In der Kam­pa­gne von 1812 – Wolff war schon Bri­ga­de­ge­ne­ral – stan­den sich bei­de Män­ner mög­li­cher­wei­se im September/​Oktober bei Boro­di­no wie­der­um gegen­über. In der Schlacht bei Lützen/​Großgörschen hat­ten bei­de Offi­zie­re 1813 ein »Ren­dez­vous«, eben­so im Jahr 1814 in Bel­gi­en und Frank­reich. Letzt­ma­lig kreuz­ten sich ihre Wege – an ver­schie­de­nen Orten zwar – in den Tagen von Water­loo 1815.

Wolff, gebo­ren in Straß­burg in der Fami­lie des jüdi­schen Geschäfts­man­nes Cerf Beer, kon­ver­tier­te spä­ter zum Chris­ten­tum, wur­de unter Lou­is XVIII zum Baron ernannt.
(Vergl. der hist. Fak­ten, https://aigles-et-lys.fandom.com/fr/wi/Marc_François_Jérôme_Wolff)

Bri­ga­dier Géné­ral Baron Marc-​Jean-​Françoia-​Jérôme Wolf­fe (*1776; †1848)

Wor­in sehen wir nun eine Beson­der­heit die­ser his­to­ri­schen Fak­ten? Kurz­um, es gibt auf deut­schem Boden – mei­nes Wis­sens – kei­nen Ort, der dem Andenken preußisch-​deutscher und jüdi­scher Gene­ra­le gewid­met ist!

Deut­li­cher kön­nen wir wahr­schein­lich die Sym­bo­lik der miss­lun­ge­nen Eman­zi­pa­ti­on der preu­ßi­schen Juden im frü­hen 19. Jhd. all­ge­mein und im preu­ßi­sche Heer nicht zeich­nen. Das ewi­ge »Geran­gel« der Refor­mer mit König und »Hof­par­tei« und der Kern­op­po­si­ti­on des preu­ßi­schen Adels führ­te dazu, dass selbst in größ­ter mili­tä­ri­scher Anspan­nung der Krie­ge von 1813 bis 1815, bis auf weni­ge Aus­nah­men, kei­ne jüdi­schen Sol­da­ten zu Offi­zie­ren, geschwei­ge denn zum Gene­ral avan­cie­ren konnten.

Unmit­tel­bar nach 1815 im Jahr 1817 wur­de die müh­sam eta­blier­te Wehr­pflicht wie­der kas­siert und nur auf »Staats­bür­ger« beschränkt. Die hete­ro­ge­ne Rechts­la­ge in den nach 1815 zu Preu­ßen gelang­ten neu­en Pro­vin­zen ver­kom­pli­zier­te das Gan­ze zusätz­lich. Nahm man in der poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Füh­rungs­ebe­ne des preu­ßi­schen Hee­res den Sol­da­ten als Wehr­pflich­ti­gen noch hin, so lehn­te man den jüdi­schen Vor­ge­setz­ten teil­wei­se strin­gent ab.

»(…) Der jüdi­sche Vor­ge­setz­te war im christ­li­chen Staat nach wie vor uner­wünscht. So äußer­te der Chef des Mili­tär­ka­bi­netts, dass Juden zukünf­tig nur als ein­fa­che Sol­da­ten ein­tre­ten dürf­ten, »auf Beför­de­rung in höhe­re Mili­tär­char­gen aber kei­nen Anspruch machen« könn­ten. Eine Order des Mili­tär­ka­bi­netts aus dem Jahr 1822 unter­sag­te jeg­li­che Beför­de­rung jüdi­scher Soldaten. (…)«
(Vergl. »Reform Reor­ga­ni­sa­ti­on Trans­for­ma­ti­on Zum Wan­del …«, Hg. Lutz, Rink, v. Salisch, Ver­lag Olden­bourg, 2010, hier M. Ber­ger, S. 496)

Eine im Jahr 1827 durch­ge­führ­te »ers­te Juden­zäh­lung« im Heer brach­te eine Unter­re­prä­sen­ta­ti­on der jüdi­schen Sol­da­ten ent­spre­chend mög­li­cher Pro­zent­zah­len zuta­ge. Eine Ver­fü­gung ver­lang­te die Gleich­be­hand­lung jüdi­scher und nicht­jü­di­scher Rekru­ten. In den fol­gen­den Jah­ren bes­ser­te sich die Lage for­mal. Jüdi­sche Sol­da­ten wur­den zu Unter­of­fi­zie­ren beför­dert, und zwei jüdi­schen Frei­wil­li­gen gelang es sogar, »Landwehr-​Offizier« zu werden.
(Vergl. »Juden­tum, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. H. Fischer, J. C. B. Mohr Tübin­gen, 1968, S. 122 – 126, 130 – 133)

Über den Ausnahme-​Offizier Meno Burg berich­te­ten wir aus­führ­lich. Nach 1848 galt die Wehr­pflicht auch in den neu hin­zu­ge­won­ne­nen Pro­vin­zen. Ein­be­ru­fung und Beför­de­rung der jüdi­schen Sol­da­ten nor­ma­li­sier­te sich, und nicht weni­gen gelang es nach ihrer Ent­las­sung, in den unter­ge­ord­ne­ten Staats­dienst zu treten.

»(…) So hat­ten nicht zuletzt die her­vor­ra­gen­den dienst­li­chen Leis­tun­gen den dro­hen­den Aus­gren­zungs­pro­zeß aufgehalten. (…)«
(Vergl. »Reform Reor­ga­ni­sa­ti­on Trans­for­ma­ti­on Zum Wan­del …«, Hg. Lutz, Rink, v. Salisch, Ver­lag Olden­bourg, 2010, hier M. Ber­ger, S. 497)

Im Ver­lau­fe der fol­gen­den Jah­re bis hin zur Reichs­grün­dung 1871 schlepp­ten sich Aner­ken­nung und Ableh­nung von Juden im Heer ohne nen­nens­wer­te Ergeb­nis­se dahin.
Bis hin­ein in den Ers­ten Welt­krieg waren Aner­ken­nung und Ableh­nung der Juden als Sol­da­ten, Unter­of­fi­zie­re und Offi­zie­re tem­po­rär zwi­schen Frie­den und Krieg wech­sel­haft determiniert.

In dem ost­preu­ßi­schen Blatt »Hamag­id« vom 16. Novem­ber 1870 ist zu lesen:

»(…) Wes­halb soll­tet ihr den Krieg über­haupt füh­ren […] Eigent­lich soll­tet ihr von die­sem Krieg ablas­sen, denn wie auch die Geschich­te frü­he­rer Gene­ra­tio­nen gezeigt hat, wird – egal was ihr tut – alles ver­ges­sen sein. (…)«
(Vergl. »Sind wir denn nicht Brü­der?« Deut­sche Juden im natio­na­len Krieg 1870/​71, Hg. G. Krü­ger, Schö­ningh, 2006, S.135)

Als sich der erneu­te Ein­satz jüdi­scher Sol­da­ten ab 1914 abzeich­ne­te und Kai­ser Wil­helm II. mit sei­ner »Bal­kon­re­de« vom 1. August 1914 beschwor,

»(…) er ken­ne „kei­ne Par­tei­en und auch kei­ne Kon­fes­sio­nen mehr“, statt­des­sen sei­en „wir […] heu­te alle deut­sche Brü­der und nur noch deut­sche Brüder“. (…)«,

reg­te sich wie­der­um ver­geb­li­che Kri­tik. In der Monats­schrift »Jeschu­run« war 1914 zu lesen:

»(…) Man hört die Mei­nung, daß sich mit die­sem Krieg alles, alles wen­den wird. Wir tei­len sie nicht. […] Die­se Annah­me fin­det ihre Bestä­ti­gung in der Geschich­te. Der Anteil, den die Juden an den Befrei­ungs­krie­gen und dem Krieg 1870/​71 nah­men, hat es nicht ver­mocht, die Vor­ur­tei­le, die man gegen sie heg­te, auf die Dau­er zu unterdrücken. (…)«
(Vergl. Jüdi­sche Sol­da­ten – Jüdi­scher Wider­stand in Deutsch­land und Frank­reich, Hg. Ber­ger, Römer-​Hillebrecht, Schö­ningh, 2012, S. 60)

Das Mei­nungs­bild inner­halb der jüdi­schen Gemein­schaft war damals wider­sprüch­lich und sehr hete­ro­gen. So for­mu­lier­te das Blatt »Im Deut­schen Reich«, eine vom »Cen­tral­ver­ein deut­scher Staats­bür­ger jüdi­schen Glau­bens« her­aus­ge­ge­be­ne Zeit­schrift, Folgendes:

»(…) Möge der Burg­frie­de, der jetzt alle Deut­sche, unge­ach­tet ihres Stan­des und ihrer Reli­gi­on, umschließt, auch die Juden unter sich umschlin­gen, gleich­gül­tig, ob sie libe­ral oder ortho­dox, Cen­tral­ver­ein­ler oder Zio­nis­ten sind. (…)
(Vergl. »Kriegs­be­ginn in Nord­deutsch­land« Zur Her­aus­bil­dung einer »Kriegs­kul­tur« 1914/​15 in trans­na­tio­na­ler Per­spek­ti­ve, Hg. Rau, Reit­mei­er, Schuh­mann, Wall­stein, 2016, S. 137)

Am Ers­ten Welt­krieg waren nach einer Unter­su­chung von Dr. Jakob Segall aus dem Jahr 1921, ver­öf­fent­licht in »Die deut­schen Juden als Sol­da­ten im Krieg 1914 – 1918«, ca. 96.00 bis 100.000 jüdi­sche Kriegs­teil­neh­mer betei­ligt. Das war ein Anteil von ca. 17,30 % der reichs­deut­schen Juden, wenn man eine Vor­kriegs­er­he­bung von 1910 zugrun­de legt. Im Krieg waren 12.000 jüdi­sche Sol­da­ten gefal­len, 35.000 wur­den aus­ge­zeich­net, 23.000 beför­dert, davon ca. 2.000 Offiziere.
(Vergl. »Eiser­nes Kreuz und David­stern Die Geschich­te jüdi­scher Sol­da­ten in Deut­schen Armeen, Hg. M. Ber­ger, tra­fo, 2006, S. 176 bis 181)

Im Gegen­satz zum Deut­schen Reich dien­ten in der österreichisch-​ungarischen Armee 300.000 jüdi­sche Sol­da­ten im 1. Welt­krieg. 30.000 jüdi­sche Män­ner fie­len in den Kämp­fen. Unter den jüdi­schen Sol­da­ten Öster­reichs gab es 25.000 Offi­zie­re. Unter den Gefal­le­nen waren auch 20 Gene­ra­le jüdi­scher Herkunft.
(Vergl. eben­da S. 181)

Wir machen einen Schnitt in das Jahr 1935. Das Wehr­ge­setz wur­de durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten in einer neu­en Fas­sung des § 15 vom 21. Mai 1935 ver­än­dert. Der »§ 15. Ari­sche Abstam­mung« ver­lang­te: (1) Ari­sche Abstam­mung ist eine Vor­aus­set­zung für den akti­ven Wehr­dienst. Dar­in hieß es u. a. wei­ter, dass kein Misch­ling Vor­ge­setz­ter wer­den kann.

»(…) Der Aus­schluss jüdi­scher Sol­da­ten aus der Armee, die Aus­deh­nung der Ras­sen­ge­set­ze auf die Soldaten[…]ging ein­her mit der fort­schrei­ten­den Aus­gren­zung, dann Ent­rech­tung, schließ­lich Ver­trei­bung und Ermor­dung der deut­schen Juden durch die Hand der Deutschen. (…)«
(Vergl. eben­da S. 219)

Es ist nach­ge­wie­sen, dass vie­le ehe­ma­li­ge ver­dienst­vol­le jüdi­sche Sol­da­ten mit ihren Fami­li­en in die Ver­nich­tungs­la­ger depor­tiert wurden.

»(…) Von den 238.000 Juden, die 1939 noch im Reichs­ge­biet leb­ten und von denen sich 218.000 zum jüdi­schen Glau­ben bekann­ten, ver­lo­ren mehr als 160.000 ihr Leben als Opfer der Ver­fol­gung unter der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewaltherrschaft. (…)«
(Vergl eben­da S. 223)

»Stol­per­stei­ne« für das Geden­ken der Opfer (Quel­le: Min­de­ner Tageblatt)

Zurück zu Carl von Clau­se­witz und sei­ner Zeit.

In unse­rem Streif­zug durch die Geschich­te der Eman­zi­pa­ti­on der Juden im preu­ßi­schen Heer haben wir gese­hen, dass die Offi­zie­re, denen wir begeg­ne­ten, ein sehr ambi­va­len­tes Ver­hält­nis zu den Juden hat­ten. Dabei müs­sen wir jedoch unter­schei­den, um wel­che Per­so­nen es geht. Neben der Figur des »von der Mar­witz«, dem Pro­to­typ des adli­gen preu­ßi­schen Offi­ziers, der nach­ge­wie­se­ner­ma­ßen gegen jeg­li­che Refor­men in Preu­ßen und damit ganz sicher nicht ein Freund der Juden war, sehen wir die Prot­ago­nis­ten der Mili­tär­re­for­men in Preu­ßen der Jah­re nach 1806.

Da war der Reichs­frei­herr von Schröt­ter, der den Ent­wurf »Über die bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Juden in Preu­ßen« (1808) the­ma­ti­sier­te und die Vor­la­ge für den Begriff Eman­zi­pa­ti­on (sie­he Schmed­ding) über­haupt lieferte.

Der »Vater« der Mili­tär­re­form, G. D. von Scharn­horst, der wohl prag­ma­tischs­te Ver­tre­ter im Krei­se der Refor­mer, war mit Gut­ach­ten und Denk­schrif­ten dies­be­züg­lich inten­siv am Fort­schrei­ten der Din­ge betei­ligt. Aller­dings suchen wir bei Scharn­horst ver­geb­lich nach einem kon­kre­ten Bei­trag, die Eman­zi­pa­ti­on betreffend.

Abge­se­hen von sei­ner mehr als berech­tig­ten Kri­tik am Los­kauf vom Mili­tär­dienst, wo er den Begriff »Wuche­rer« ver­mut­lich als Para­phra­se benutz­te, gab es kei­ne wei­te­ren signi­fi­kan­ten Ein­las­sun­gen Scha­r­horsts, das The­ma »Jude« betref­fend. Für ihn waren die (auch jüdi­schen) Bür­ger und deren finan­zi­el­le Mög­lich­kei­ten für den Befrei­ungs­kampf von vor­ran­gi­ger Bedeu­tung. Es ging vor allem um die Zukunft Preu­ßens, nicht um klein­mü­ti­ge pri­va­te Interessen.

Das Sym­bol »sol­dat citoy­en«, des »Bür­ger­sol­da­ten«, gebo­ren in der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, war für wei­te Krei­se des kon­ser­va­ti­ven Offi­ziers­korps vom »Typ Mar­witz« immer wie­der Anlass für Kri­tik und Gegen­wehr. Obwohl die meis­ten die­ser Prot­ago­nis­ten auf Grund ihrer siche­ren finan­zi­el­len Lage weder vor dem Bür­ger noch vor dem jüdi­schen Geschäfts­mann Angst haben muss­ten. Ihnen ging es um die Stan­des­po­si­ti­on um die sie bang­ten. Daher war man auch nach 1815 sehr schnell dabei, den Bür­ger – erst recht den jüdi­schen – als Vor­ge­setz­ten im Heer wie­der zu entfernen.

Kei­ner der wich­tigs­ten Offi­zie­re der Zeit vor und nach 1813 bis in den »Vor­märz« hin­ein hat­te wirk­lich inten­si­ven per­sön­li­chen Kon­takt zu Juden, wenn man von ver­ein­zel­ten »Assi­mi­lier­ten« ein­mal absah. Uns bekann­te For­mu­lie­run­gen von Boy­en und Clau­se­witz zum Bei­spiel, die »die Juden« the­ma­ti­sier­ten, resul­tie­ren aus per­sön­li­chen sub­jek­ti­ven Beob­ach­tun­gen. Die­se teil­wei­se bedenk­li­chen Äuße­run­gen soll­ten wir in den zeit­li­chen Kon­text ein­ord­nen. Es fällt hier schwer, sie als juden­feind­lich zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Von der eigent­li­chen »Juden­feind­schaft« über den »Früh­an­ti­se­mi­tis­mus« zum »moder­nen Anti­se­mi­tis­mus« mit all sei­nen schreck­li­chen Erschei­nungs­for­men und dem Höhe­punkt der »Shoa« ist jedoch eine kla­re Ent­wick­lungs­li­nie zu erkennen.

Fazit:

Unser Carl von Clau­se­witz war wie die meis­ten sei­ner Kol­le­gen in der Zeit der Arbeit der Mili­tär­re­form­kom­mis­si­on und auch spä­ter nicht frei von xeno­pho­ben Gedan­ken­gän­gen, die jedoch im zeit­li­chen Kon­text gese­hen wer­den müs­sen. Ein »Juden­feind« oder ein frü­her Anti­se­mit war unser Carl ganz bestimmt nicht!

Wäh­rend der Arbeit an die­ser Abhand­lung wur­de fol­gen­de Fra­ge durch einen Kol­le­gen gestellt:

»Was hät­te wohl Clau­se­witz zu den Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten gesagt?«

Eine Fra­ge, auf die wir mög­li­cher­wei­se mit Ver­weis auf das christ­lich gepräg­te, sol­da­ti­sche Selbst­ver­ständ­nis Clau­se­witz´ eine Ant­wort suchen und fin­den können.

Clau­se­witz hat­te sich bereits 1815 in einem Brief an sei­ne Frau Marie ganz klar gegen uneh­ren­haf­te Hand­lun­gen gegen­über dem Geg­ner aus­ge­spro­chen. Wir ver­wie­sen dar­auf im Zusam­men­hang mit der Cau­sa der »Brü­cke von Jena«. Der Gedan­ke war, dass Carl womög­lich den Brief des Pau­lus an die Römer, Kapi­tel 12 Ver­se 14, 17 – 19, kannte:

»(…) Röm 17. – Ver­gel­tet nie­man­dem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegen­über jeder­man. Und  Röm 19 – Rächt euch nicht selbst. (…)«
(Vergl. Das Neue Tes­ta­ment, Bibel­aus­ga­be Mar­tin Luther 1912)

Und auch Paulus´Worte – über die Juden – an die Römer, Kapi­tel 11, Vers 28 könn­te unse­rem Carl bekannt gewe­sen sein:

»(…) Nach dem Evan­ge­li­um sind sie zwar Fein­de um euret­wil­len; aber nach der Wahl sind sie Gelieb­te um der Väter willen. (…)«
(Vergl. Das Neue Tes­ta­ment, Bibel­aus­ga­be Mar­tin Luther 1912)

Wir mei­nen, nach allem, was wir über Clau­se­witz wis­sen, ver­stand er unter dem »Geg­ner« an sich auch immer den Men­schen, somit auch sicher­lich den jüdischen.

»(…) Ist der Krieg ein Akt der Gewalt, so gehört er not­wen­dig auch dem Gemüt an. […] Fin­den wir also, daß gebil­de­te Völ­ker den Gefan­ge­nen nicht den Tod geben, Stadt und Land nicht zer­stö­ren, so ist es, weil sich die Intel­li­genz in ihre Kriegs­füh­rung mehr mischt und ihnen wirk­sa­me­re Mit­tel zur Anwen­dung der Gewalt gelehrt hat als die­se rohen Äuße­run­gen des Instinkts. (…)«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, MfNV, 1957, Buch 1, Kap. 1, S. 19)

Nach­weis­lich spiel­te Clau­se­witz als Mili­tär­theo­re­ti­ker in den Plä­nen des NS-​Regimes kei­ne Rol­le. Gleich­wohl wur­de der Name »Clau­se­witz« in min­des­tens vier Fäl­len miss­braucht. So wur­de die 45. Pan­zer­di­vi­si­on »Clau­se­witz« 1945 in den End­kampf um Ber­lin ein­ge­setzt und der Name auch als Code­wort für eine Stu­fe der Ver­tei­di­gung Ber­lins verwendet.
(Vergl. wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​F​a​l​l​_​C​l​a​u​s​e​w​itz)

In der »Clau­se­witz­stra­ße« in Bres­lau exis­tier­te bis zum Früh­jahr 1945 ein »Gefan­ge­nen­la­ger«. Fälsch­li­cher­wei­se wur­de und wird die­ses Lager als »Arbeits- und Aus­län­der­la­ger Clau­se­witz« bezeich­net.
(Vergl. https://​erin​ne​rungs​or​te​.org/​c​a​t​e​g​o​r​y​_​t​y​p​e​/​e​h​e​m​a​l​i​g​e​-​l​a​g​er/)

1942 wur­de der Begriff »Ope­ra­ti­on Clau­se­witz« für die Her­an­füh­rung der Hee­res­grup­pe A mit einem über­ra­schen­den Schwenk in Rich­tung Sta­lin­grad ver­wen­det. Damals wur­de durch Hit­lers Wei­sung Clau­se­witz´ Theo­rie von der Ver­nich­tung der geg­ne­ri­schen Haupt­kräf­te als Haupt­ziel des Krie­ges – sehr zur Ver­blüf­fung des dama­li­gen sowje­ti­schen Ober­kom­man­dos – kon­ter­ka­riert und mit den bekann­ten Fol­gen vom Fuß auf den Kopf gestellt.
(Vergl. Das Geheim­nis Sta­lin­grad Hin­ter­grün­de einer Ent­schei­dungs­schlacht, Hg. W. Kerr, Econ, 1977, S. 85 bis 86)

Dazu von uns ein letz­tes Wort: »Clau­se­witz se retour­nerait dans la tombe«

Und zum Schluss, ja, auch die Preu­ßen hat­ten ein Tri­um­ph­tor. Das »Bran­den­bur­ger Tor«, ein früh­klas­si­zis­ti­sches Bau­werk von 1793, gestal­tet durch Lang­hans und Scha­dow. Bau­herr damals Fried­rich Wil­helm II.

Zu den son­der­ba­ren Wegen der preu­ßi­schen Geschich­te gehört, dass zwar kein jüdi­scher Gene­ral wie in Paris am »Arc de Triom­phe de l’Étoile« ver­ewigt wur­de, son­dern ein jüdi­scher Fuhr­un­ter­neh­mer mit Namen Simon Krem­ser (*1775; †1851). Ein Jude, der in den Krie­gen gegen Napo­lé­on mit dem höchs­ten preu­ßi­schen Orden, dem »Pour le Méri­te« und dem »Eiser­nen Kreuz« durch König Fried­rich Wil­helm III. für Ver­diens­te für Volk und Vater­land aus­ge­zeich­net wurde.

Krem­ser dien­te unter Blü­cher in der Schle­si­schen Armee als »preu­ßi­scher Kriegs­co­mis­sa­ri­us« und war für die Kriegs­kas­se ver­ant­wort­lich. Als Blü­cher 1814 in Paris ein­mar­schier­te, fand Krem­ser die gestoh­le­ne und noch ver­pack­te Qua­dri­ga des Bran­den­bur­ger Tores, die Napo­lé­on 1806 requi­riert und nach Paris gebracht hat­te. Krem­ser soll die Rück­füh­rung, die in die Ber­li­ner Geschich­te als »Retour­kut­sche« ein­ging, gelei­tet haben. Dafür bil­lig­te ihm der König auch das Mono­pol des Ber­li­ner Fuhr­ver­kehrs zu.
(Vergl. »Eiser­nes Kreuz und David­stern Die Geschich­te jüdi­scher Sol­da­ten in Deut­schen Armeen, Hg. M. Ber­ger, tra­fo, 2006, S. 38 bis 39)

Am einem Sonn­tag 1814 zog der aus Paris zurück­ge­kehr­te Fried­rich Wil­helm III. an der Spit­ze sei­ner in den vor­aus­ge­gan­ge­nen Befrei­ungs­krie­gen sieg­rei­chen Trup­pen durch das Bran­den­bur­ger Tor in sei­ne Haupt­stadt ein, ein Ereig­nis, an das der Name »Pari­ser Platz« für das »Quar­ré« bis heu­te erin­nert. Die Wagen­len­ke­rin als Sie­ges­göt­tin, mit Schin­kels »Eiser­nem Kreuz« im Stab, weit­hin sichtbar.
(Vergl. die​-aus​waer​ti​ge​-pres​se​.de/​2​0​1​4​/​0​9​/​d​a​s​-​b​r​a​n​d​e​n​b​u​r​g​e​r​-​t​o​r​-​e​r​s​t​m​a​l​s​-​m​i​t​-​d​e​m​-​e​i​s​e​r​n​e​n​-​k​r​e​uz/)

Mög­li­cher­wei­se waren auch jüdi­sche Män­ner der »Kur­mär­ki­schen Land­wehr« dabei, für die sich schon am 1. April 1813 der Staats­rat L‘Estocq bei der kur­mär­ki­schen Regie­rung ver­wen­de­te. Wir berich­te­ten darüber.
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr, Tübin­gen, S. 33 bis 34)

Das Kreuz, wel­ches auch Clau­se­witz an sei­ner Brust trug.

Dass Juden und Carl von Clau­se­witz heu­te zu uns gehö­ren, zeigt sehr deut­lich unser Bild vom »Bran­den­bur­ger Tor« in unse­ren Tagen. Hier wur­de aus gege­be­nem fei­er­li­chem Anlass, dem »Lich­ter­fest« der Juden, das Tor mit der Cha­nuk­ka im Vor­feld dekoriert.

Das »Eiser­ne Kreuz« im Stab der Sie­ges­göt­tin, des­sen abge­wan­del­te Sym­bo­lik für die »Deut­sche Bun­des­wehr« kenn­zeich­nend ist, gilt auch für heu­ti­ge deut­sche jüdi­sche Sol­da­ten. Unse­re jüdi­schen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr sind heu­te im »Bund jüdi­scher Sol­da­ten« organisiert.
(Vergl. Jüdi­sche Sol­da­ten – Jüdi­scher Wider­stand in Deutsch­land und Frank­reich, Hg. Ber­ger, Römer-​Hillebrecht, Schö­ningh, 2012, S. 448 ff.)

Sie erfül­len mit ihren Kame­ra­den ande­rer Glau­bens­rich­tun­gen den Ver­fas­sungs­auf­trag, und sie wer­den wie­der durch Mili­tär­rab­bi­ner seel­sor­ge­risch betreut, wie zuletzt bis 1918.
(Vergl. zen​tral​rat​der​ju​den​.de/​d​e​r​-​z​e​n​t​r​a​l​r​a​t​/​i​n​s​t​i​t​u​t​i​o​n​e​n​/​m​i​l​i​t​a​e​r​r​a​b​b​i​n​at/)

»Der Frie­de ist das Wahr­zei­chen der Ewig­keit und eben­so die Losung des mensch­li­chen Lebens in sei­nem indi­vi­du­el­len Ver­hal­ten, wie in der Ewig­keit sei­nes geschicht­li­chen Beru­fes. In die­ser geschicht­li­chen Ewig­keit voll­führt sich die Frie­dens­mis­si­on der mes­sia­ni­schen Menschheit.«
(Her­man Cohen (*1842; †1918) , ein jüdisch-​deutscher Phi­lo­soph, Kan­ti­sche Ver­nunft und jüdi­sches Selbst­be­wusst­sein, Jüdi­sche Selbst­wahr­neh­mung, Horch, Nie­mey­er, 1997, S. 223)

Cha­nuk­ka am Bran­den­bur­ger Tor (Quel­le: Zen­tral­rat der Juden)