Teil 2
Der Begriff »Operation« oder »Operationsplan« taucht im Schrifttum Clausewitz´ bereits im Jahre 1804 in seiner Schrift »Strategie«2 auf. Sehr früh erkennt Clausewitz die bedeutende Rolle eines »Operationsplanes« und damit operativen Handelns. Unter 11. Operationsplan, Punkt 3., führt Clausewitz dort aus, indem er sich mit Phulls Gedanken zur Operationsplanung auseinander setzte:
»Ich kann nur die Operation für wahrhaftig genialisch erkennen, die nach dem Herzen der feindlichen Monarchie gerichtet ist, anstatt also an den Grenzen zu nagen, muss man da, wo diese glücklich geöffnet sind, so weit als möglich vordringen und deswegen alle Kräfte dahin fortwährend konzentrieren.«2
Wir erkennen hier im Denken Clausewitz´das Bindeglied in der Kriegskunst zwischen Strategie und Taktik. Später wird er in seinem Werk »Vom Kriege« im 5. Buch, 15. Kapitel »Operationsbasis« Begriffe wie »Operationsbasis«, »Operationswinkel« benennen, um im darauf folgenden Kapitel Verbindungslinien zu thematisieren. Wie Jomini erkannte auch Clausewitz die Bedeutung der operativen Ebene.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich diese Theorie weiter. Noch vor dem 1. Weltkrieg wurde an der russischen Generalstabsakademie Begriff und Inhalt »Operative Kunst« gelehrt. Inwieweit Moltke oder später Schlieffen diese Theorie voranbrachten, ist quellenmäßig nicht hinreichend belegt.
Nicht von ungefähr erfahren wir also daher in der Gegenwart vom russischen Politikwissenschaftler I. N. Panarin, verbreitet in öffentlichen russischen Medien:
»Гибридная война – совокупность методов военно-сило-вого, политико-дипломатического, финансово-экономи-ческого, информационно-психологического и инфор-мационно-технического давления, а также технологий цветных революций, терроризма и экстремизма, мероприятий спецслужб, формирований сил специаль-ного назначения, сил специальных операций и структур публичной дипломатии, осуществляемых по единому плану органами управления государства, военно-поли-тического блока или ТНК.«3
In freier Übersetzung des Autors bedeutet das etwa: »Der hybride Krieg stellt die Gesamtheit aller Methoden der militärischen, politisch-diplomatischen, finanzökonomischen, informativ-psychologischen und informativ-technischen Druckausübung dar. Sowie die Anwendung der Technologien der sgg. „farbigen Revolutionen“, des Terrorismus und Extremismus, Maßnahmen der Geheimdienste, der Formationen von Spezialkräften und der diplomatischen Strukturen, die alle nach einem einheitlichen Plan der Regierung, der politischen und militärischen Führung sowie des militärisch-industriellen Komplexes handeln.«
Wir sehen hier die offensive praktische und öffentliche Auseinandersetzung der Russen mit der Thematik, währenddessen in Europa, speziell Deutschland, der öffentliche Diskurs dazu fehlt. Das Phänomen »hybrider Krieg« wird eher auf hohem akademischen Niveau in »abgeschlossenen Räumen« traktiert.
Gleichwohl erkennen wir mögliche Ziele, also Strategie und operativ-taktische Umsetzung dieser Art der Kriegsführung. Diese besteht darin, das Staatswesen des Gegners teilweise oder vollkommen zu destabilisieren, seine Innen- und Außenpolitik zu verändern, ein Regime Change herbeizuführen, um somit auf Politik und Wirtschaft erheblichen Einfluss zu nehmen.
Um nun den General Clausewitz wieder zu Worte kommen zu lassen ist es interessant, den Begriff »Kriegstheater«* zu betrachten. Während Clausewitz vornehmlich darunter einen Raum mit verschieden Faktoren wie Raum, Zeit, Wetter, Landschaftsstruktur, Bebauung, Bevölkerung u. a. verstand:
»Das Land mit seiner Oberfläche und Bevölkerung macht nämlich, außerdem dass es der Quell aller eigentlichen Streitkräfte ist, auch noch für sich einen integrierten Teil der im Kriege wirksamen Größen aus, und zwar nur mit dem Teil, der zum Kriegstheater gehört oder einen merklichen Einfluss darauf hat.«4,
verändert sich auch der uns bis dahin gewohnte Begriff »Kriegstheater«. Mit der bewussten Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden wird gegenwärtig durch planmäßige Desinformation der Bevölkerung das eigentliche »Kriegs-Theater« in das Bewusstsein der Menschen verlagert.
In einem »hybriden Krieg« erfolgt das Niederringen des Gegner nicht mehr nur durch das Gefecht oder eine Schlacht, wie Clausewitz das beschrieb:
»Das Gefecht ist die einzige Wirksamkeit im Kriege; im Gefecht ist die Vernichtung der uns gegenüberstehenden Streitkraft das mittel zum Zweck. … Sonach ist also die Vernichtung der feindlichen Streitkraft die Grundlage aller kriegerischen Handlungen . …«5
sondern vorrangig durch eine schwierig wahrnehmbare »kognitive Vernichtung«*.
Wir haben 2014 bei der völkerrechtswidrigen Annektion der Krim durch Russland erlebt, wie durch Täuschung der Wahrnehmung, durch plötzliches Auftauchen sog. bewaffneter »grüner Männchen«, die entgegen der Genfer Konvention nicht als gekennzeichnete Kombattanten handelten, staatliche Einrichtungen paralysiert wurden. Wahrnehmungen konnten so verfälscht und logisches Denken verhindert werden. Die dadurch hervorgerufenen Stresssituationen führten zur faktischen Demoralisierung und Desorganisation der ukrainischen Streitkräfte, der Polizei und der Regierung auf der Halbinsel.
Somit waren alle Voraussetzungen vorhanden, politische Tatsachen zu schaffen und durch ein »Referendum unter Waffen« eine gesetzlose, völkerrechtswidrige Sezession zu vollziehen. Auf diese brillant geführte militärische und politische Operation kommen wir noch einmal zurück.
2»Clausewitz Strategie«, hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, E. Kessel
3»Hybrider Krieg« gegen Russland (1816 – 2016), I. N. Panarin
4Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, S. 23
5ebenda S. 48