Teil XVI


Vor der Beur­tei­lung die­ser Fra­ge betrach­ten wir noch ein­mal die Rol­le der Juden in Preu­ßen in der Peri­ode der Befrei­ungs­krie­ge, in der sich so etwas wie »Staats­bür­ger­tum« her­aus­ge­bil­det hat­te. Auch der Stand der Juden im Heer nach 1815 in der Nach­kriegs­pe­ri­ode bis zum Tode Clau­se­witz‘ soll gewür­digt werden.

Mög­li­cher­wei­se ist hier der Begriff »natio­na­ler Jude« gerecht­fer­tigt, über den Dr. Anne Pur­schwitz (*1980) schreibt:

»(…) Theo­re­tisch boten Natio­na­lis­mus und die Besin­nung auf ein gemein­sa­mes Vater­land für Juden eine neue Mög­lich­keit der Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Gege­ben­hei­ten des preu­ßi­schen Staa­tes. (…)«
(Vergl. »Jude oder preu­ßi­scher Bür­ger?: Die Eman­zi­pa­ti­ons­de­bat­te im Span­nungs­feld von Regie­rungs­po­li­tik, Reli­gi­on, Bür­ger­lich­keit und Öffent­lich­keit« (1780 bis 1847), Anne Pur­schwitz, Hoch­schul­schrift, S. 184 ff.)

In den vor­an­ge­gan­ge­nen Betrach­tun­gen hat­ten wir dar­ge­stellt, dass – gemes­sen an der Gesamt­be­völ­ke­rungs­zahl Preu­ßens – der Anteil der jüdi­schen Bür­ger, die Kriegs­dienst leis­te­ten, rela­tiv hoch war. In den Kam­pa­gnen 1813/​14/​15 waren 731 Juden, also zwei Pro­zent der rund 30.000 Bür­ger der preu­ßi­schen Min­der­heit, bei der Fah­ne. Davon sol­len 171 Frei­wil­li­ge und 560 Aus­ge­ho­be­ne gewe­sen sein. Beein­dru­ckend auch die rela­tiv hohe Zahl der Beför­de­run­gen und Aus­zeich­nun­gen der jüdi­schen Kriegsteilnehmer.

»(…) 21 wur­den zu Unter­of­fi­zie­ren bzw. Ober­jä­gern und Tam­bour­ma­jo­ren, einer zum Por­te­peefähn­rich, 19 zu Sekon­de­leut­nants und 3 zu Pre­mier­leut­nants beför­dert. Das Eiser­ne Kreuz für Kom­bat­tan­ten erhiel­ten 71, den rus­si­schen St. Georgs-​Orden 4 und das Eiser­ne Kreuz am wei­ßen Band 7 jüdi­sche Kriegsteilnehmer. (…)«
(Vergl. Schoeps, »Das Gewalt­syn­drom: Ver­for­mung und Brü­che im deutsch-​jüdischen Ver­hält­nis«, Argon, S. 26)

Wobei, wie bereits dar­ge­stellt, vali­de Teil­neh­mer­zah­len jüdi­scher Sol­da­ten in den Befrei­ungs­krie­gen aus der unter­schied­li­chen Quel­len­la­ge schwer zu ermit­teln sind. Die wei­te Aner­ken­nung muss damals hoch gewe­sen sein. Schoeps ver­weist hier u. a. auf Treit­sch­ke, der – obwohl kein Freund der Juden – zuge­ben musste:

»(…) Die Söh­ne jener gebil­de­ten Häu­ser, die sich schon ganz als Deut­sche fühl­ten, taten ehren­haft ihre Soldatenpflicht. (…)«
(Vergl. Schoeps »Gewalt­syn­drom«, S. 26)

Über den jüdi­schen Offi­zier Meno Burg, der in die­sem Zusam­men­hang noch ein­mal zu nen­nen wäre, berich­te­ten wir wei­ter oben bereits.

Daher kön­nen wir aus unse­rer Sicht wohl berech­tigt von einem bis dahin nie gese­he­nen »jüdi­schen Patrio­tis­mus« in Preu­ßen sprechen.

Es ist anzu­neh­men, dass auch in der fran­zö­si­schen Armee Juden kämpf­ten. Die Grund­la­ge dafür bot nach der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on 1789/​99 das von Napo­lé­on 1808 erlas­se­ne »Con­sis­toire cen­tral israè­li­te« (Zen­tra­lis­rae­li­ti­sches Kon­sis­to­ri­um). Aus den links­rhei­ni­schen Depar­te­ments unter fran­zö­si­scher Herr­schaft, den drei Han­se­städ­ten – Bre­men, Ham­burg und Lübeck (Bon­ne ville de L´Empire fran­çais) — dem Groß­her­zog­tum Berg, dem Groß­her­zog­tum Frank­furt und vor allem aus dem neu gebil­de­ten König­reich West­pha­len (1807 bis 1813) wur­den jüdi­sche Män­ner zu den Fah­nen geru­fen. Der König von West­pha­len, Jerô­me Bona­par­te (*1784; †1860) regel­te die Gleich­be­rech­ti­gung der Juden in einer Verfassung.
(Vergl. »Reform Reor­ga­ni­sa­ti­on Trans­for­ma­ti­on«, Hg. K.-H. Lutz u. a. — Olden­burg Ver­lag, 2010, S. 491)

Mög­li­cher­wei­se kämpf­ten bei Leip­zig und Water­loo auch Juden gegen Juden. Wir wis­sen es nicht sicher, obgleich es dar­auf Hin­wei­se gibt. Der Mili­tär­his­to­ri­ker Thors­ten Loch stellt in einem Buch­bei­trag einen neu­en Quel­len­fund vor (s. Anla­ge 1):

»(…) den anläss­lich der Hoch­zeit sei­nes Bru­ders ver­fass­ten kur­zen Brief eines jüdi­schen Sol­da­ten aus dem rhei­ni­schen Nie­der­zis­sen, der 1807 in der Napo­leo­ni­schen Armee dien­te. Der Text des Brie­fes ist im Anhang abgedruckt, (…)«
(Vergl. »Jüdi­sche Sol­da­ten – Jüdi­scher Wider­stand in Deutsch­land und Frank­reich«, Hg. Ber­ger, Micha­el, 2011, /www.hsozkult.de/review/id/reb-16556?title=m‑berger-u-a-hrsg-juedische-soldaten)

Water­loo 1815, Preu­ßi­sche Trup­pen, Röch­ling Quel­le: Kunst für alle​.de

Die gesetz­li­chen Grund­la­gen der Teil­nah­me jüdi­scher Män­ner in den Kam­pa­gnen der Befrei­ungs­krie­ge haben wir in unse­rer Betrach­tung frü­her schon hin­rei­chend dar­ge­stellt. Gleich­wohl gab es immer wie­der in der Pra­xis in ein­zel­nen Land­krei­sen Skep­sis an der Recht­mä­ßig­keit, Juden zu den Waf­fen zu rufen. Man war immer wie­der im Zwei­fel, was wohl in der Mei­nung der Bevöl­ke­rung über­wie­gen würde.

Einer­seits die alt­her­ge­brach­te Ableh­nung der Juden, ande­rer­seits die Unzu­frie­den­heit über eine mög­li­che Frei­stel­lung, oft auch das Frei­kau­fen vom Dienst jüdi­scher jun­ger Män­ner. Dar­auf hat­ten wir schon wei­ter vor­ne anhand Scharn­horsts Bestre­bun­gen nach »glei­chen Pflich­ten und glei­chen Rech­te aller Staats­bür­ger« ver­wie­sen. Letzt­end­lich rang man sich doch zu der Mei­nung durch, dass Juden, wenn sie gleich­be­rech­tigt sein sol­len, auch die Pflich­ten der Staats­bür­ger zu tra­gen hät­ten. Die­ser Mei­nungs­streit wur­de – trotz der bekann­ten Res­sen­ti­ments F. W. III. die Juden betref­fend – sehr prag­ma­tisch gelöst.

»(…) Das Militär-​Gouvernement schloss sich die­ser Auf­fas­sung völ­lig an. Ange­sichts des gro­ßen Man­gels an Mann­schaf­ten und der zu befürch­ten­den unan­ge­neh­men psy­cho­lo­gi­schen Rück­wir­kun­gen auf die Bevöl­ke­rung befahl es den Aus­schüs­sen, die Juden ohne Unter­schied zur Land­wehr heranzuziehen. (…)«
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr, Tübin­gen, S. 36)

In der his­to­ri­schen Pra­xis erwies es sich, dass zumin­dest in den preu­ßi­schen Stamm­pro­vin­zen wie Bran­den­burg (Kur­mark), Ber­lin, Ost­preu­ßen, West­preu­ßen und auch Schle­si­en jüdi­sche jun­ge Män­ner zur Land­wehr geru­fen wur­den. Im Ergeb­nis des Feld­zu­ges von 1813 hat­te man erkannt, dass sich vie­le Juden ehren­haft betra­gen hat­ten und somit auch das Recht und die Pflicht haben soll­ten, in der akti­ven Trup­pe zu die­nen. Dazu ver­wie­sen wir bereits frü­her schon auf Sack und L‘Estocq.

»(…) Hier­zu lagen in Ber­lin die Berich­te ein­zel­ner Befehls­ha­ber vor. Sack* und L‘Estocq* spra­chen sich infol­ge­des­sen dafür aus, auch in die­ser Hin­sicht die Juden den ande­ren Staats­bür­gern völ­lig gleichzustellen. (…)«
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr, Tübin­gen, S. 36/​37)

Gene­ral der Kaval­le­rie Anton Wil­helm von L ’Estocq (*1738; †1815) Quel­le Wikipedia

*(L‘Estocq war Mili­tär­gou­ver­neur des 1. Mili­tär­gou­ver­ne­ments zwi­schen Elbe und Oder. Dr. Johann August Sack (*1764; †1831) eben­da Zivil­gou­ver­neur.)

Aller­dings wur­den die Vor­schlä­ge L‘Estocqs und Sacks durch von Har­den­berg zunächst nicht beant­wor­tet und erst 1814 auf den Weg gebracht, um end­lich durch das Wehr­ge­setz vom 3. Sep­tem­ber 1814 wirk­sam zu wer­den. F. W. III. erließ dazu per A.K.O. das  »Gesetz über die Ver­pflich­tung zum Kriegs­diens­te vom 3. Sep­tem­ber 1814«, in dem es hieß:

»(…) Die bis­her, über die Ergän­zung der Armee bestan­de­nen, älte­ren Geset­ze wer­den daher hier­mit auf­ge­ho­ben und dage­gen festgesetzt:

§ 1. Jeder Ein­ge­bor­ne, sobald er das 20. Jahr voll­endet hat, ist zur Vert­hei­di­gung des Vater­lan­des verpflichtet. (…)«
(Vergl. www​.ver​fas​sun​gen​.de/​p​r​e​u​s​s​e​n​/​g​e​s​e​t​z​e​/​k​r​i​e​g​s​d​i​e​n​s​t​p​f​l​i​c​h​t​g​e​s​e​t​z​1​4​.​htm)

Zu die­sem Zeit­punkt betrach­te­te man die Juden Preu­ßens bereits als »Ein­ge­bo­re­ne«. Der dama­li­ge Kriegs­mi­nis­ter von Boy­en arbei­te­te des Gesetz aus und ver­tei­dig­te die­ses zusam­men mit Grol­man und Witz­le­ben gegen Geg­ner des Geset­zes, noch nach­dem der König die­ses schon unter­schrie­ben hatte.
(Vergl. »Vom Ers­ten zum Zwei­ten Deut­schen Reich«, Hg. J. Büh­ler, 1954, de Gry­ter, S. 199)

Mög­li­cher­wei­se war Clau­se­witz über den Gang der Gesetz­ge­bung infor­miert, da sowohl Boy­en als Kampf­ge­fähr­te in Russ­land 1812 als auch Grol­man mit Clau­se­witz bekannt waren. Wenn ja, dann hat­te Clau­se­witz die Idee des Geset­zes, auch den Dienst der Juden betref­fend, sicher­lich rezi­piert. Ein mög­li­cher Gedan­ken­aus­tausch dar­über ist jedoch nicht überliefert.

Dem vom Preu­ßen­kö­nig gewähl­ten Begriff »Ein­ge­bo­re­ne« ging die For­mu­lie­rung »Ein­län­der und preu­ßi­scher Staats­bür­ger« vor­aus. So for­mu­liert im §1 des Dekre­tes »Edikt betref­fend die bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Juden in dem Preu­ßi­schen Staa­te vom 11. März 1812«. Wir ver­wie­sen am Anfang unse­rer Abhand­lung bereits auf die­ses Dekret.

»(…) § 1. Die in unsern Staa­ten jetzt wohn­haften, mit Generals-​Privilegien, Naturalisations-​Patenten, Schutz­brie­fen und Kon­zes­sio­nen ver­se­he­nen Juden und deren Fami­li­en sind für Ein­län­der und Preu­ßi­sche Staats­bür­ger zu achten. (…)«
(Vergl. http://​www​.ver​fas​sun​gen​.de/​p​r​e​u​s​s​e​n​/​g​e​s​e​t​z​e​/​j​u​d​e​n​e​d​i​c​t​1​2​.​htm)

Somit wur­den die Juden Preu­ßens ab 1812 nicht wei­ter als Frem­de gese­hen und unter­schie­den sich fort­an nicht mehr von den übri­gen Untertanen.

»(…) Als Sam­mel­be­griff konn­te daher nur noch von den „jüdi­schen Glau­bens­ge­nos­sen“ die Rede sein, da die­se von nun an für die Gesetz­ge­bung ledig­lich eine der ver­schie­de­nen Reli­gi­ons­grup­pen bildeten. (…)
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr, Tübin­gen, S. 26)

All das ent­wi­ckel­te sich nicht ohne Wider­stand in der dama­li­gen Gesell­schaft. Bereits in der Früh­pha­se der Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gung wand­te sich Carl Wil­helm Fried­rich Grat­ten­au­er (*1773; †1838), ein Jurist und aus­ge­wie­se­ner Juden­feind, mit einer Bitt­schrift an den preu­ßi­schen Groß­kanz­ler Hein­rich Juli­us von Gold­beck (*1733; †1818), um auf Har­den­berg Ein­fluss zu nehmen:

»(…) Ich hal­te die Juden in ihren jet­zi­gen poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen für den Staat höchst gefähr­lich und bin mit Her­der, Fich­te, Goe­the und vie­len ande­ren gro­ßen Phi­li­o­so­phen der Mei­nung, daß sie in ihren itzi­gen Ver­hält­nis­sen sich selbst und allen christ­li­chen Staats­bür­gern eine gleich bedrü­cken­de Last sind. (…)«
(Vergl. »Geschich­te der Juden in Preu­ßen (1750 – 1820)«, A. A. Bruer, Cam­pus Ver­lag 1991, S. 209)

Fich­tes Ansicht über das Juden­tum und des­sen Inter­pre­ta­ti­on sind uns bereits bekannt. Johann Gott­fried Her­der (*1744; †1803),

»(…) defi­nier­te […] die Juden in Euro­pa als frem­des asia­ti­sches Volk. Er hoff­te auf den Tag, an dem sich Euro­pa die Fra­ge nicht mehr stel­len wür­de, ob einer Jude oder Christ ist. (…)«
(Vergl. »Vom Vor­ur­teil bis zur Ver­nich­tung – Der Anti­se­mi­tis­mus 1700 bis 1933«, Jakob Katz, Uni­on Ver­lag 1990)

Grat­ten­au­er inter­pre­tier­te also Fich­te und Her­der als Sup­port für sei­ne viel­fäl­ti­gen juden­feind­li­chen Publi­ka­tio­nen, jedoch bei­de nach unse­rer Sicht in der Aus­le­gung fehl. Goe­the for­mu­lier­te spä­ter um 1821 in »Wil­helm Meis­ters Wanderjahre«: 

»(…) In die­sem Sin­ne, den man viel­leicht pedan­tisch nen­nen mag, aber doch als fol­ge­recht aner­ken­nen muß, dul­den wir kei­ne Juden unter uns; denn wie soll­ten wir ihm den Anteil an höchs­ter Kul­tur ver­gön­nen, deren Ursprung und Her­kom­men er verleugnet? (…)«
(Vergl. »Wil­helm Meis­ters Wan­der­jah­re«, Goe­the, Reclam Jun. Leip­zig, Buch III, Kap. 11, S. 313.)

Die Wei­ma­rer Juden­ord­nung von 1823, die die Ehe zwi­schen Juden und Chris­ten erlaub­te, kom­men­tier­te Goe­the zor­nig als ein skan­da­lö­ses Gesetz:

»(…) Es unter­gra­be alle sitt­li­chen Gefüh­le. […] Das Aus­land müs­se durch­aus an Bestechung glau­ben, um die Adop­ti­on die­ses Geset­zes begreif­lich zu fin­den, wer wis­se, ob nicht der all­mäch­ti­ge Roth­schild dahinterstecke. (…)«
(Vergl. »Goe­the und die Juden«, K. – P. Leh­mann, Brief an Kanz­ler von Mül­ler, 23.9.1823, http://​www​.imdia​log​.org/​b​p​2​0​1​2​/​0​3​/​0​6​.​h​tml)

Wie wird Clau­se­witz Goe­thes Ein­las­sun­gen – die Juden betref­fend – wohl auf­ge­nom­men haben?

»(…) Selbst­ver­ständ­lich ist Goe­thes Bedeu­tung für den geis­ti­gen Haus­halt der ehe­ma­li­gen Sol­da­ten indi­vi­du­ell ver­schie­den, aber die ent­schei­den­de Tat­sa­che ist, daß gera­de die größ­ten Sol­da­ten der Goe­the­schen Welt am nächs­ten ste­hen: Clau­se­witz, von dem gesagt ist, daß er sich ordent­lich zu Goe­the bekehrt habe, (…)« 

Auch Scharn­horst und Gnei­se­nau stan­den dem Dich­ter­fürs­ten nahe.
(Vergl. »Goe­the und die Gene­ra­le«, E. Weni­ger, Insel-​Verlag Leip­zig, S. 211)

Goe­the war Clau­se­witz seit der Bekannt­schaft mit Marie von Brühl, sei­ner spä­te­ren Ehe­frau, kein Unbe­kann­ter mehr.

»(…) Gleich eines der ers­ten Gesprä­che ihrer jun­gen Bekannt­schaft führ­te Marie v. Brühl und Clau­se­witz auf den „Wert­her“. (…)«
(Vergl. »Goe­the und die Gene­ra­le«, E. Weni­ger, Insel-​Verlag Leip­zig, S. 190)

Bei Gnei­se­nau bedank­te sich Clau­se­witz 1809 für die tem­po­rä­re Über­las­sung des »Faust«.
(Vergl. E.Weniger »Goe­the und die Gene­ra­le der Frei­heits­krie­ge«, Geist, Bil­dung, Sol­da­ten­tum (1959), S. 184)

Johann Wolf­gang von Goe­the (* 1749; †1832)

Inwie­weit Clau­se­witz Goe­thes Sicht – die Juden betref­fend – teil­te oder ablehn­te, wis­sen wir nicht. Er hat­te, wie wir wis­sen, sei­ne eige­nen Ansich­ten. Goe­the sel­ber ist aus heu­ti­ger Sicht, sein Ver­hält­nis zum Juden­tum betref­fend, schwer einzuordnen.

»(…) Im Lau­fe eines lan­gen Lebens, bei ver­schie­de­nen Anläs­sen, in sehr ver­schie­de­nen Situa­tio­nen und Stim­mun­gen hat Goe­the sich so oft in wech­seln­der Gesin­nung und Wer­tung über Juden und Juden­tum geäu­ßert, daß es selbst bei vor­sich­ti­ger Kri­tik der ein­zel­nen Zeug­nis­se metho­disch unzu­läs­sig ist, durch Zusam­men­stel­lung aller die­ser Aus­sprü­che sei­nen Stand­punkt zu kon­stru­ie­ren oder gar ihn auf Grund einer Sta­tis­tik der posi­ti­ven und nega­ti­ven Wer­tun­gen für eine Par­tei in Anspruch zu neh­men. (…)«
(Vergl. »Wie anti­se­mi­tisch war eigent­lich Goe­the«, Robert Schli­cke­witz, www​.haga​lil​.com/​2​0​1​4​/​0​3​/​g​o​e​t​he/)

Wir tref­fen hier auf ein Phä­no­men, das auf eini­ge Geis­tes­grö­ßen, Dich­ter, Wis­sen­schaft­ler, Mili­tärs u. a. Prot­ago­nis­ten des frü­hen 19. Jhd. zutrifft. In die­sem Sin­ne wahr­schein­lich auch auf Clausewitz.

Zurück jedoch zum Begriff »Jüdi­scher Patrio­tis­mus«, um uns danach dem »Jüdi­schen Fah­nen­eid« zu nähern.

Um die Beson­der­hei­ten der Stel­lung jun­ger jüdi­scher Män­ner in die­sem Pro­zess zu ver­ste­hen, muss vor allem die Rol­le der Gemein­de­vor­stän­de und der Rab­bi­ner die­ser Zeit berück­sich­tigt wer­den. Deren Ein­fluss war von his­to­ri­scher Bedeu­tung, nach­dem die Kam­pa­gne 1813 begann.

»(…) Wäh­rend der Befrei­ungs­krie­ge stell­ten sie sich nun mit Got­tes­diens­ten und Pre­dig­ten an die Spit­ze der Bewe­gung, deren Kriegs­be­geis­te­rung und Patrio­tis­mus wei­te Krei­se der preu­ßi­schen Juden erfaßte. (…)«
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr Tübin­gen, S. 38)

Die nun erfol­gen­den Ein­seg­nun­gen jüdi­scher Sol­da­ten – wir berich­te­ten bereits in unse­rer Schil­de­rung über Meno Burg dar­über – waren arran­giert mit dem ent­spre­chen­den Pathos des Zeit­geis­tes. Die Rede war von »Hei­lig­keit des Beru­fes…«, »hei­li­ger Krieg …«, »Dienst fürs Vater­land…«, »Gut und Blut für das Vater­land…«. In einem Flug­blatt, das bereits 1813 in Ber­lin ver­brei­tet wur­de, rief der unbe­kann­te Ver­fas­ser die jun­gen Juden auf,

»(…) den »ehren­vol­len Ruf« des Königs »mit Freu­de« auf­zu­neh­men und dem Vater­land ihre Kräf­te und ihr Leben »zu weihen«. (…)«
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr Tübin­gen, S. 38)

Immer wie­der wur­de auch der Begriff »Vater­land« ver­wen­det. Hier waren die Auf­ru­fe der Juden, den Gedich­ten und Lie­dern Arndts zum Bei­spiel, durch­aus ähn­lich. Noch vor den Befrei­ungs­krie­gen rief Ernst Moritz Arndt:

»Ein­müt­hig­keit der Her­zen sey Eure Kir­che, Haß gegen die Fran­zo­sen eure Reli­gi­on, Frey­heit und Vater­land sey­en die Hei­li­gen, bei wel­chen ihr anbetet.«
(Vergl. Hagen Schul­ze: »Klei­ne deut­sche Geschichte«)

Von beson­de­rer Bedeu­tung war der Kon­sens der jüdi­schen Geist­lich­keit gegen­über der Not­wen­dig­keit, die jüdi­schen Geset­ze, Gebo­te und Ver­bo­te dem Kriegs­dienst anzu­pas­sen. Wei­ter oben berich­te­ten wir über jüdi­sche Geset­ze, Gebo­te und Ver­bo­te. Ein 70-​jähriger Rab­bi beru­hig­te jun­ge jüdi­sche Sol­da­ten bei deren Ein­seg­nung am 11.März 1813 in Bres­lau, indem er sagte:

»(…) Gehet in den Kampf für König und Vater­land! Mit dem Augen­bli­cke, da ihr in den Dienst tre­tet, habt ihr nur an König und Vater­land zu den­ken; eure reli­giö­sen Pflich­ten hören dann auf. Ihr könnt genie­ßen was euch gebo­ten wird; Ihr braucht kein The­phil­lim*** zu legen: wenn ihr könnt, führt sie bei euch, aber ihr braucht sie nicht zu benut­zen; auch braucht ihr nicht mit dem Mun­de zu beten, son­dern den­ket, so oft ihr könnt an Gott; und betet auch das Sch´ma nur im Her­zen: Gott wird euren Dienst fürs Vater­land als Gebet anneh­men, und euch Sieg ver­lei­hen und euch mit Ehre geschmückt zu den Euri­gen zurück führen. (…)«
(Vergl. Umge­stal­tung, Die gegen­wär­tig beab­sich­tig­te – der bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Juden in Preu­ßen. Nach authen­ti­schen Quel­len beleuch­tet, Bres­lau 1842, S. 11)
*** (Tefil­lin sind Gebets­rie­men aus Leder. Männ­li­che Juden wickeln sie sie­ben­mal um den Arm und dann drei­mal um Hand und den Mit­tel­fin­ger. Zu den Tefil­lin gehö­ren auch Gebets­kap­seln, die in der Nähe des Her­zens und auf der Stirn getra­gen wer­den. In den Kap­seln befin­den sich Tex­te aus der Tho­ra.)

Es ist über­lie­fert, dass sich die jüdi­schen Sol­da­ten in den Jah­ren der Befrei­ungs­krie­ge an die Wor­te der Rab­bi­ner hielten.

»(…) Von einer Kol­li­si­on zwi­schen den Not­wen­dig­kei­ten des mili­tä­ri­schen Diens­tes und den jüdi­schen Zere­mo­ni­al­vor­schrif­ten wur­de nichts bekannt. (…)«
(Vergl. »Juden, Staat und Heer in Preu­ßen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert«, Hg. Horst Fischer, 1968 J. C. B. Mohr Tübin­gen, S. 39)

Nach den oben dar­ge­stell­ten Wor­ten des Rab­bi ist anzu­neh­men, dass jüdi­sche Sol­da­ten sich im Feld und auf dem Marsch ohne offe­nes Beden­ken am Abko­chen der Trup­pe betei­lig­ten und die glei­chen Spei­sen wie ihre christ­li­chen Kame­ra­den ein­nah­men. Das stell­te aus unse­rer Sicht ein sehr gro­ßes Zuge­ständ­nis an die über­wie­gend christ­lich gepräg­ten Sol­da­ten dar. Mehr noch,

»(…) sie sind am Sab­bath wie an ande­ren Tagen mar­schiert; sie sind mit ihren christ­li­chen Kame­ra­den in die Kir­che gegan­gen, und haben mit ihnen ver­eint den All­va­ter um Sieg angefleht. (…)«
(Vergl. Die gegen­wär­tig beab­sich­tig­te Umge­stal­tung der bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se der Juden in Preu­ßen. Nach authen­ti­schen Quel­len beleuch­tet, Bres­lau 1842, S. 12)

All das, was in den Jah­ren und Tagen der Befrei­ungs­krie­gen vie­len­orts geschah, war mehr, als Les­sing, Har­den­berg, Dohm und Wil­helm von Hum­boldt oder auch Moses Men­dels­sohn und Getreue von der Idee der Eman­zi­pa­ti­on der preu­ßi­schen Juden in kur­zer Zeit hät­ten erwar­ten kön­nen. Die­se ein­zig­ar­ti­ge Erschei­nung, die nie wie­der in der deut­schen Geschich­te eine der­ar­ti­ge Wie­der­ho­lung fand, stellt einen Glanz­punkt im Ver­hält­nis zwi­schen Bür­gern ver­schie­de­ner Glau­bens­rich­tun­gen deut­scher Lan­den dar. Der »All­va­ter«, zu dem Juden und Chris­ten gemein­sam bete­ten, war durch eine gemein­sa­me Tra­di­ti­ons­li­nie geprägt. Jesus war Jude, und im »Alten Tes­ta­ment« spie­gelt sich die »Hebräi­sche Bibel« wider. Der Glau­be der Chris­ten ist tief ver­wur­zelt im Glau­ben der Juden. Für eine his­to­risch kur­ze Zeit war alles Tren­nen­de schein­bar über­wun­den. Chris­ten und Juden waren und sind Kin­der Abrahams!

Chris­ten und Juden Quel­le: EKiR​.de

Carl von Clau­se­witz erleb­te die Befrei­ungs­krie­ge von 1813 bis 1815 an ver­schie­de­nen Fron­ten, kämpf­te, führ­te und war ein Christ. Letz­te­res belegt das Geburts- und Tauf­re­gis­ter der Stadt Burg. Wie bereits beschrie­ben, las­sen sich aus dem Leben und Werk Clausewitz´Verbindungen zur Reli­gi­on des Chris­ten­tums mit eini­ger Sicher­heit dar­stel­len. Wel­che Rol­le spiel­te der Glau­be für den getauf­ten Offi­zier in den Krie­gen gegen Napo­lé­on und danach im wei­te­ren Leben des Generals?

Aus­zug aus dem Tauf­re­gis­ter der Stadt Burg vom 9. Juli 1780 Quel­le: Olaf Thiel, For­schungs­ge­mein­schaft Clau­se­witz — Burg e.V.

Die uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Quel­len gestat­ten uns, eini­ge vage Ver­mu­tun­gen zur Reli­gio­si­tät Clau­se­witz´ anzu­stel­len. Wei­ter vorn hat­ten wir bereits auf eini­ge Got­tes­be­zü­ge in Leben und Werk ver­wie­sen. Deut­li­cher wird es, wenn wir den gesell­schaft­li­chen Kon­text des Lebens Clau­se­witz´ betrach­ten. Pro­tes­tan­tisch getauft und wohl auch in jun­gen Jah­ren in die­sem Sin­ne erzo­gen, wird der jun­ge Sol­dat Carl bereits in der Armee auf die Wech­sel­wir­kung zwi­schen Reli­gi­on und Sol­da­ten­tum getrof­fen sein. Für den ein­fa­chen Sol­da­ten – der jun­ge Carl war anfangs nicht weit weg von die­sem – war der »Anker« des Glau­bens an Gott wich­tig für sein Seelenheil.

Die all­ge­gen­wär­ti­ge Gefahr um Leib und Leben bewirk­te im Krie­ge auch die kaum zu ver­drän­gen­de Todes­furcht, mit der ein Sol­dat damals leben und kämp­fen muss­te. Das Gebet vor, wäh­rend und nach der Schlacht war fes­ter Bestand­teil des Han­delns der Sol­da­ten. Der Feld­pre­di­ger und der Kate­chis­mus waren stän­di­ge Beglei­ter der Sol­da­ten. Dar­an hat­te auch die Abnei­gung Fried­rich des Gro­ßen der Reli­gi­on gegen­über nichts ändern können.
(Vergl. Fried­rich der Gro­ße, »Denk­wür­dig­kei­ten zur Geschich­te des Hau­ses Bran­den­burg, Aber­glau­ben und Religion«)

Immer­hin kämpf­te unser jun­ge Gefreiten-​Corporal in der Nach­fol­ge­ar­mee des gro­ßen Königs. Damals dien­te der Glau­be des Sol­da­ten als Halt, um im Kampf die Todes­furcht zu über­win­den. So wird auch Clau­se­witz Luthers »Ein fes­te Burg ist unser Gott« gekannt und mit sei­nen Kame­ra­den gesun­gen haben. Womög­lich erklang am 6. Mai 1893 nach der Erstür­mung von Mainz auch der »Cho­ral von Leu­then«»Nun dan­ket alle Gott«, in den unser Carl mit ein­ge­stimmt haben könnte.

Nun dan­ket alle Gott, Text und Melo­die in Johann Crü­gers Pra­xis pieta­tis meli­ca 1653

Der Sol­dat Clau­se­witz wird mit Über­gang zum 19. Jhd. in sei­ner Ent­wick­lung zum Offi­zier und Gene­ral immer wie­der auf die Rele­vanz von Kir­che und Glau­ben gesto­ßen sein. Der Pro­zess der Säku­la­ri­sie­rung und Auf­klä­rung, der sich vor­nehm­lich in der Bil­dungs­schicht ent­wi­ckel­te, erschloss sich ihm mit fort­schrei­ten­der per­sön­li­chen Bil­dung. Über Clau­se­witz´ Bil­dungs­weg berich­te­ten wir bereits. Gül­tig war wohl für die­se Zeit, was Tho­mas Nip­per­dey (*1927; †1992) wie folgt formulierte:

»(…) Das deut­sche 19. Jahr­hun­dert ist noch immer ein christ­lich, ein kirch­lich gepräg­tes Zeit­al­ter. Reli­gi­on und Kir­che sind eine das Dasein, das Bewußt­sein und Ver­hal­ten des Men­schen bestim­men­de Selbst­ver­ständ­lich­keit und Macht, sie blei­ben auch für Staat, Gesell­schaft und Kul­tur von ent­schei­den­der Bedeutung. (…)«
(Vergl. »Deut­sche Geschich­te 1800 bis 1866 Bür­ger­welt und star­ker Staat«, Ver­lag Beck Mün­chen, 1991, Hg. T. Nip­per­dey, S. 403)

Clau­se­witz schrieb sei­ner Marie aus fran­zö­si­scher Gefan­gen­schaft am 28. Janu­ar 1807, das Desas­ter von 1806 erinnernd:

»(…) Ich sehe hier vie­le von den Gefan­ge­nen, die in der Schlacht sich in der Divi­si­on unse­res teu­ren bra­ven Schmet­tau befan­den; es war die Spit­ze der Armee, auf wel­che das Unglück sich zuerst hin­wälz­te; ich höre die Mär­sche bla­sen, womit sie in lan­gen Lini­en anrück­ten – Gott, ich kann nicht beschrei­ben, wel­che Emp­fin­dun­gen mir das gibt! (…)«
(Vergl. »Karl und Marie von Clau­se­witz – Ein Lebens­bild …«, Hg. K. Lin­ne­bach, 1916, Ver­lag M. Warneck, S. 84)

Die gan­ze Tra­gik des Unter­gangs der Armee Preu­ßens bei Jena und Auer­stedt 1806 schil­dernd und dabei Gott stoß­ge­bet­ar­tig anzu­ru­fen, weist auf den in Clau­se­witz ruhen­den Bezug zur Reli­gi­on hin. Das drückt Carl in einem Brief vom 5. Okto­ber 1807 an Marie außer­or­dent­lich deut­lich aus:

»(…) Die Reli­gi­on soll unse­ren Blick nicht von die­ser Welt abzie­hen; sie ist eine himm­li­sche Macht, die in den Bund tritt mit dem Edlen die­ses Lebens, und mich hat noch nie ein reli­giö­ses Gefühl durch­drun­gen und gestärkt, ohne mich zu einer guten Tat anzu­feu­ern, zu einer gro­ßen mir den Wunsch, ja selbst die Hoff­nung zu geben. Hier­auf grün­de ich mei­ne Recht­fer­ti­gung, wenn ich mei­nen Blick von der Erde, von der Pro­fan­ge­schich­te nicht abwen­den kann und mit den Gefüh­len mei­nes Her­zens den Resul­ta­ten mei­nes schwa­chen Geis­tes huldige. (…)«
(Vergl. »Karl und Marie von Clau­se­witz – Ein Lebens­bild …«, Hg. K. Lin­ne­bach, 1916, Ver­lag M. Warneck, S. 142)

Aus all die­sen frü­hen Brie­fen an sei­ne Braut Marie, geschrie­ben unter der Last der unglück­li­chen Gefan­gen­schaft unter den Fran­zo­sen, spricht Hoff­nung und Mut, aber auch Zuver­sicht, so geschrie­ben am 30. August 1806.

»(…) doch glau­ben Sie nicht, daß ich mut­los ver­zwei­fel. Gott wird mich vor die­sem Zustan­de bewah­ren, solan­ge ein Fun­ken Lebens­glut in mir ist; (…)«
(Vergl. »Karl und Marie von Clau­se­witz – Ein Lebens­bild …«, Hg. K. Lin­ne­bach, 1916, Ver­lag M. Warneck, S. 53)

Selbst in die­sen schwe­ren Jah­ren waren für Clau­se­witz Vater­land und Natio­na­leh­re immer mit sei­nem Leben, sei­ner Iden­ti­tät und sei­nem Den­kens ver­bun­den. Wir lesen in einem Brief an Marie vom 3. Okto­ber 1807:

»(…) Doch es scheint klein­lich, sein eige­nes Schick­sal zu nen­nen, was doch das Schick­sal aller Vater­lands­ge­nos­sen ist. Frei­lich haben ihren Blick nicht alle so starr dar­auf hin­ge­wen­det als ich, nicht alle sind so unfä­hig, ihn davon abzu­wen­den und noch etwas zu sein unab­hän­gig von Vater­land und Natio­na­leh­re. Alles, was ich bin oder sein könn­te, ver­dan­ke ich die­sen bei­den Erden­göt­tern, und ohne sie wird nichts als eine kern- und saft­lo­se Hül­le von mir übrigbleiben (…)«
(Vergl. »Karl und Marie von Clau­se­witz – Ein Lebens­bild …«, Hg. K. Lin­ne­bach, 1916, Ver­lag M. Warneck, S. 139)

Die­ser Sol­dat, der in der Lage war, so ein­fühl­sam sei­ne Idea­le und Emp­fin­dun­gen zu schil­dern und mit sei­ner gedank­li­chen Arbeit über den Krieg an sich ver­bin­den konn­te, (Vergl. »Clau­se­witz und der Staat«, Hg. Peter Paret, Dümm­ler, 1993, S. 127) muss in der Lage gewe­sen sein, die reli­giö­se Pro­ble­ma­tik der Eman­zi­pa­ti­on der Juden in Preu­ßen zu erken­nen. War­um wir aber dar­über kei­ner­lei Reak­tio­nen von Clau­se­witz in den Quel­len fin­den, wird wohl ein Rät­sel der Geschich­te bleiben.

Mög­li­cher­wei­se kämpf­te der oben erwähn­te Moritz Itzig mit Clau­se­witz auf dem glei­chen Feld am 2. Mai 1813 bei Groß­gör­schen. Der Tag, an dem Preu­ßen in des­sen Fol­ge den guten Scharn­horst und den jüdi­schen Sol­da­ten Itzig ver­lor. Am Abend die­ser denk­wür­di­gen Schlacht besuch­te der König F. W. der III. den rus­si­schen Zaren Alex­an­der den I. im Lager der rus­si­schen Trup­pen. Dort wur­de der Preu­ßen­kö­nig Zeu­ge des im rus­si­schen Heer übli­chen Zap­fen­streichs und hör­te einen alten kirchlich-​feierlichen Cho­ral. Beein­druckt davon ord­ne­te F. W. an, in der preu­ßi­schen Armee eben­so einen Zap­fen­streich mit Gebet ein­zu­füh­ren. Das Gebet »Ich bete an die Macht der Lie­be« ist bis heu­te Bestand­teil des mili­tä­ri­schen Zap­fen­strei­ches der deut­schen Bundeswehr.

»Ich bete an die Macht der Liebe,
die sich in Jesus offenbart;
ich geb mich hin dem frei­en Triebe,
wodurch ich Wurm gelie­bet ward;
ich will, anstatt an mich zu denken,
ins Meer der Lie­be mich versenken.«

(Text: Ger­hard Ters­tee­gen (1757, Str. 3: 1751) Melo­die: Dimi­t­ri Bortnjan­sky (1822) Satz: Ger­hard Schnitter.)

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Fort­set­zung Teil XVII