Friesen als patriotisch-​wehrhafter Bürgerheld


»Ohne Schwung der bür­ger­li­chen Gesell­schaft über­haupt ent­steht kein hel­den­mä­ßi­ges Nationalheer«

[…] Mit die­sem Fazit been­de­te 1813 ein unbe­kann­ter Autor in den »Deut­schen Blät­tern« sei­ne Wer­bung für den »preu­ßi­schen Heldengeist« […]
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, R. Schil­ling, Schö­ningh 2002, S. 117, Anony­mus, Ueber den preu­ßi­schen Heldengeist .…)

Im Nord­park Mag­de­burgs, einem lan­ge schon auf­ge­las­se­nen städ­ti­schen Fried­hof, steht ein bemer­kens­wer­tes Denk­mal für Graf Laza­re Nico­las Mar­gue­ri­te Car­not (*1753; †1823), der aus der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on her­vor­ge­gan­gen, als repu­bli­ka­ni­scher fran­zö­si­scher Patri­ot, Minis­ter und Gene­ral, Mathe­ma­ti­ker sowie Fes­tungs­bau­er nach dem Sturz Napo­lé­ons nach Mag­de­burg emi­grier­te und hier auch begra­ben wurde.

Graf Laza­re Nico­las Mar­gue­ri­te Car­not (*1753; †1823), Quel­le: Autor

Graf Car­not brach­te die Dekla­ra­ti­on der »Levée en mas­se«  (frz. für »Mas­sen­aus­he­bung«) unter dem Ein­druck schwe­rer Nie­der­la­gen der jun­gen fran­zö­si­schen Armee gegen die Koali­ti­ons­trup­pen in den Wohl­fahrts­aus­schuss Frank­reichs ein, die dann am 23. August 1793 im Natio­nal­kon­vent ver­ab­schie­det wurde.

Danach soll­ten

»[…] von die­sem Moment an und bis alle Fein­de vom Ter­ri­to­ri­um der Fran­zö­si­schen Repu­blik ver­trie­ben sind, alle fran­zö­si­schen Per­so­nen in stän­di­ge Bereit­schaft für den Dienst in der Armee ver­setzt wer­den. Die jun­gen Män­ner wer­den in den Kampf zie­hen, ver­hei­ra­te­te Män­ner wer­den Waf­fen schmie­den und Vor­rä­te trans­por­tie­ren; Frau­en wer­den Zel­te und Klei­dung nähen und in den Hos­pi­tä­lern die­nen; Kin­der wer­den alte Wäsche auf­tren­nen; alte Män­ner wer­den an öffent­li­che Plät­ze ver­bracht, um den Mut der Krie­ger zu erwe­cken und den Hass auf die Köni­ge zu pre­di­gen und ande­rer­seits die Ein­heit der Republik […]«
(Vergl. leg-ego.eu/…/ambrogio-a-caiani-levée-en-masse)

Die Idee, die For­de­rung Car­nots, war sinn­ge­mäß: »Agir tou­jours en mas­se«in Mas­sen han­deln, kei­ne Manö­ver mehr, kei­ne Kriegs­kunst, son­dern Feu­er, Stahl und Vaterlandsliebe«
(Vergl. M. Howard »Krieg in der euro­päi­schen Geschich­te: vom Mit­tel­al­ter bis …«, S. 114)

Clau­se­witz erkann­te unter dem Ein­fluss Scharn­horsts die gewal­ti­ge Kraft einer zu den Waf­fen geru­fe­nen Nati­on und kam fol­ge­rich­tig zu dem Schluss, dass das Ziel aller Refor­men der »sol­dat citoy­en«, der »Bür­ger­sol­dat«, ver­sus der Staats­bür­ger in Uni­form sein müs­se. Für Preu­ßen sah er hier die »Land­wehr und den Land­sturm« als poli­ti­sches und mili­tä­ri­sches Mit­tel einer Volks­be­waff­nung im Inter­es­se der Landesverteidigung.

In der Fol­ge der »Kon­ven­ti­on von Tau­rog­gen« (30. Dezem­ber 1812), an deren Abschluss Clau­se­witz maß­geb­lich betei­ligt war, for­cier­te Gene­ral Yorck (*1759; †1830) auf Ver­an­las­sung Steins nach dem 22. Janu­ar 1813 die Auf­stel­lung einer Ost­preu­ßi­schen Land­wehr. Die von Clau­se­witz, Graf Doh­na und Frei­herr von Dörn­berg aus­ge­ar­bei­te­ten Ent­wür­fe einer »Landsturm- und Land­wehr­ord­nung« wur­den unter dem 5. Febru­ar 1813 im Land­tag in Königs­berg durch Yorck vor­ge­tra­gen und dar­auf fol­gend geneh­migt. In den Tagen nach die­sem denk­wür­di­gen Datum tra­ten rund 13.000 Mann als Reser­ve, 20.000 Mann Land­wehr und 750 Mann zu Pfer­de frei­wil­lig unter Gewehr. Sie bil­de­ten die Reser­ve Yorcks.
(Vergl. Karl Lam­precht »Deut­sche Geschich­te Neu­es­te Zeit« – Zwei­ter Band; Reprint 1907; S. 407)

Nahe­zu zeit­gleich erschien Ernst Moritz Arndts Flug­schrift, »Was bedeu­tet Land­wehr und Land­sturm«, wel­che sich schnell gro­ßer Reso­nanz erfreu­te. Dabei pro­pa­gier­te jener Arndt Zeit sei­nes Lebens ein deut­lich ableh­nen­des Ver­hält­nis zum Juden­tum an sich. In der Flug­schrift jedoch wen­det er sich an »Teut­sche Lands­leu­te!« und ruft:

»[…] Ihr habt das Bei­spiel. Spa­ni­en und Russ­land gin­gen euch im Volks­krie­ge vor­an, sie brauch­ten alle Kräf­te gegen die tücki­schen Fein­de […] Auf denn alle! Auf in Einmütigkeit, […]«
(Quel­le: »Flug­schrif­ten« Reprint aus dem VDN)

Wei­ter vorn ver­wie­sen wir bereits auf nach­fol­gen­den Sachstand:

Der Leh­rer und Freund Clau­se­witzs, Ger­hard David von Scharn­horst (*1755; †1813) for­mu­lier­te in den Schrif­ten »Vor­läu­fi­ger Ent­wurf der Ver­fas­sung der Reser­ve­ar­mee vom August 1807« und »Vor­läu­fi­ger Ent­wurf zur Ver­fas­sung der Pro­vin­zi­al­trup­pen vom 15. März 1808«, jeweils im § 1 der Entwürfe:

»§ 1 Alle Bewoh­ner des Staa­tes sind gebo­re­ne Ver­tei­di­ger desselben.«

Bei­de Ent­wür­fe for­der­ten prak­tisch »die all­ge­mei­ne Wehr­pflicht«, was Gleich­heit aller vor dem Gesetz bedeu­tet hätte.
(Vergl. Scharn­horst, »Aus­ge­wähl­te mili­tä­ri­sche Schrif­ten«, Mili­tär­ver­lag DDR, Uscek/​Gudzent, S. 236 ff. und S. 243 ff.)

Hier tref­fen wir den »Bür­ger­hel­den« Frie­sen wie­der, der sich in schwe­rer Zeit als gebo­re­ner Ver­tei­di­ger sei­nes Vater­lan­des erwies, so wie von Scharn­horst gedacht. In sei­ner Zeit war die Auf­fas­sung gül­tig, dass ein sol­cher Held über eine Rei­he von Fähig­kei­ten, wie Kennt­nis­se in Lite­ra­tur, Spra­chen, Geschich­te, Natur­wis­sen­schaf­ten, Mathe­ma­tik, Hand­werk, Musik und zeich­ne­ri­sche Qua­li­tä­ten haben soll­te. Es galt im Tenor der Auf­klä­rung die Sin­ne zu bilden.
Frie­sen stell­te in die­sem Ver­ständ­nis einen bemer­kens­wer­ten Son­der­fall dar.

[…] Fried­rich Frie­sen hat­te auf Grund der beschränk­ten finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten sei­nes klein­bür­ger­li­chen Eltern­hau­ses nicht Latein und Grie­chisch ler­nen kön­nen, den­noch leg­te sein Bio­graph Har­nisch (1787 — 1864) dar­auf Wert, daß “er doch der gebil­dets­te, damit wir es undeutsch aus­drük­ken, der humans­te Mann, ohne Human­oria getrie­ben zu haben”, gewe­sen sei. […]
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, Deu­tungs­mus­ter heroi­scher Männ­lich­keit in Deutsch­land 1813 – 1945, R. Schil­ling, F. Schö­ningh Mün­chen. S. 61)

Hier in die­sem Zusam­men­hang mit der Tur­ner­be­we­gung, initi­iert durch Jahn und Frie­sen, spielt der Kör­per des Men­schen, respek­ti­ve vor­ran­gig des Man­nes, eine her­aus­ra­gen­de Rol­le. Jahn, Frie­sen, Eise­len und ande­re his­to­ri­sche Per­so­nen, wie Gnei­se­nau, Boy­en und auch Pfuel* betrach­te­ten das als Grund­la­ge für den kämp­fe­ri­schen Charakter.
(*Ernst von Pfuel (*1779; †1866) preu­ßi­scher Gene­ral und Kampf­ge­fähr­te Clausewitz´war Begrün­der des Militärschwimmsports.)

Geist, Kör­per, Stär­ke, Aus­dau­er, Kraft und Wil­len waren die kogni­ti­ven Eigen­schaf­ten, die der Vater­land­ver­tei­di­ger in sich zu ver­ei­nen hat­te. Frie­sen war hier nach Aus­sa­gen sei­ner Zeit­ge­nos­sen ein wah­res Vorbild.

[…] ein Meis­ter des Schwer­tes, auf Hieb und Stoß, kurz, rasch, fest, fein, gewal­tig und nicht zu ermü­den, wenn sei­ne Hand erst das Eisen faß­te; ein küh­ner Schwim­mer, dem kein deut­scher Strom zu breit und zu rei­ßend; ein rei­si­ger Rei­ter in allen Sät­teln gerecht […]
(Vergl. »Fried­rich Frie­sen«, Carl Euler, Ber­lin 1885, S. 2)

Zusam­men mit Kör­ner stell­te Frie­sen das Ide­al­bild des gebil­de­ten Bür­ger­hel­den dar, der sich einem lebens­lan­gen Bil­dungs­pro­zess ver­schrie­ben hat­te. Kör­ner sel­ber hat­te im Gegen­satz zu Frie­sen alle Vor­aus­set­zun­gen für eine aus­ge­zeich­ne­te Bil­dung genos­sen, gege­ben durch sei­nen Vater, Chris­ti­an Gott­fried Kör­ner (*1756; †1831) , der ein enger Freund Schil­lers war. Frie­sen hat­te sich die­sen Sta­tus hart erar­bei­ten müssen.

Die his­to­ri­sche Pra­xis hat­te bewie­sen, dass die­ses Deu­tungs­mus­ter aller­dings nicht nur auf das männ­li­che Geschlecht zutraf.
Eine Defi­ni­ti­on des Begrif­fes »Held« gab Wil­helm Trau­gott Krug (*1770; †1842) in sei­nem »Hand­wör­ter­buch der phi­lo­so­phi­schen Wis­sen­schaf­ten«:

[…] Ein Held ist nicht bloß der tap­fe­re Krie­ger, son­dern der tap­fe­re Mann über­haupt, der mit gro­ßen Hin­der­nis­sen kämpft. […]

Krug war der Mei­nung, dass Tap­fer­keit eine all­ge­mei­ne mensch­li­che Tugend sei, und somit kön­ne es nicht nur Hel­den, son­dern auch Hel­din­nen geben.
(Vergl. W. T. Krug, Held, All­ge­mei­nes Hand­wör­ter­buch der phi­lo­so­phi­schen Wis­sen­schaf­ten .…, Bd. 2, Leip­zig 1827,
S. 339)

Frie­sen sel­ber hielt sich in sei­nem Wir­ken an Fich­tes Gedan­ken, beson­ders hin­sicht­lich der Kräf­ti­gung der deut­schen Jugend, deren Bil­dung und Erzie­hung sowie letzt­end­lich der Natio­nal­erzie­hung des deut­schen Vol­kes. Am Ende sei­ner vier­zehn­ten und letz­ten Rede an die Deut­sche Nati­on ruft Fich­te sei­nen Hörern zu:

[…] Jeder Deut­sche, der noch glaubt, Glied einer Nati­on zu sein, der groß und edel von ihr denkt, auf sie hofft, für sie wagt, dul­det und trägt, soll end­lich her­aus­ge­ris­sen wer­den aus der Unsi­cher­heit sei­nes Glau­bens; er soll klar sehen, ob er recht habe oder nur ein Tor oder Schwär­mer sei, er soll von nun an ent­we­der mit siche­rem und freu­di­gem Bewußt­sein sei­nen Weg fort­set­zen, oder mit rüs­ti­ger Ent­schlos­sen­heit Ver­zicht tun auf ein Vater­land hie­nie­den und sich allein mit dem himm­li­schen trös­ten. […] Es ist aber kein Aus­weg: wenn ihr ver­sinkt, so ver­sinkt die gan­ze Mensch­heit mit, ohne Hoff­nung einer Wiederherstellung. […]
(Vergl. »Reden an die deut­sche Nati­on« — Von Johann Gott­lieb Fich­te, Hg. Dr. M. Kro­nen­berg, Stre­cker und Schrö­der, Stutt­gart 1923, S. 209 und 225 bis 226)

Der Leser möge sel­ber ent­schei­den, ob Fich­tes Wor­te ange­sichts der Fremd­herr­schaft in Preu­ßen aus der Zeit um 1808 — in Ber­lin stan­den damals fran­zö­si­sche Besat­zungs­trup­pen — für die heu­ti­ge Zeit aktu­ell sein kön­nen? Fich­tes Wor­te aus sei­ner ers­ten Rede, denen Frie­sen folg­te, erschei­nen ange­sichts einer erneu­ten Kriegs­ge­fahr in Euro­pa als sehr aktuell:

[…] als eine Wie­der­auf­nah­me und Fort­set­zung der »Grund­zü­ge des gegen­wär­ti­gen Zeitalters« […]
(Vergl. »Reden an die deut­sche Nati­on« — Von Johann Gott­lieb Fich­te, Hg. Dr. M. Kro­nen­berg, Stre­cker und Schrö­der, Stutt­gart 1923, S. 6)

Wäh­rend der napo­léo­ni­schen Krie­ge, ins­be­son­de­re in Preu­ßen nach 1806 bis 1813 und dar­über hin­aus, zeig­ten sich die poli­ti­schen Ambi­tio­nen die­ser Bewe­gung immer deut­li­cher. Ziel war es, die »Teut­sche Nati­on« und ein ein­heit­li­ches Reich, mög­lichst unter preu­ßi­scher Füh­rung, her­aus­zu­bil­den. Das for­der­te die har­ten Reak­tio­nen der »Karls­ba­der Beschlüs­se« her­aus, die über den gesam­ten Zeit­raum des Vor­märz — von 1815 bis 1848 — wirk­ten, die gegen libe­ra­le und natio­na­lis­ti­sche Bestre­bun­gen gerich­tet waren.

Die »Irr­fahrt« Frie­sens Leich­nams über 29 Jah­re bis zu sei­ner Bestat­tung gehört zu den Resul­ta­ten die­ser Erschei­nun­gen. Alle Träu­me der gebil­de­ten aka­de­mi­schen Jugend nach einer Nati­on mit einer libe­ra­len Ver­fas­sung, für die sie auf den Schlacht­fel­dern von 1813 bis 1815 foch­ten, waren damit pas­sé. So war der Gedan­ke der all­sei­ti­gen und all­ge­mei­nen Men­schen­bil­dung, der sich beson­ders im Fach Tur­nen nach den Ideen Guths-​Muths, Jahns und Frie­sens spie­gel­te, nicht mehr auf­zu­hal­ten. Aber auch hier wirk­te noch lan­ge Zeit der »Metternich-​Geist« nach, der erst im Jahr 1848 über­wun­den war.

Gleich­wohl setz­te hier der Miss­brauch der his­to­ri­schen Per­son Frie­sens durch deut­sche Natio­na­lis­ten im 19. und 20. Jhd. bis hin zum Natio­nal­so­zia­lis­mus von 1933 bis 1945 an. Ursäch­lich hier die Schrif­ten Jahns, »Die deut­sche Turn­kunst« und »Zum Deut­schen Volksh­tum« aus den Jah­ren 1816 und 1808, die sich mit einer völkisch-​politischen Erzie­hung befass­ten. Die­ses Werk Jahns umfass­te des­sen Gedan­ken zur poli­ti­schen Ord­nung, der Erzie­hung von Kin­dern bis hin zum pri­va­ten Leben der deut­schen Bür­ger. Das Her­aus­stel­len ein­zel­ner Text­pas­sa­gen, aus dem Kon­text geris­sen oder unvoll­stän­dig dar­ge­stellt, kann zur Über­be­to­nung der natio­na­lis­tisch anmu­ten­den Ein­las­sun­gen Jahns führen.

Quel­le: Bay­ri­sche Staatsbibliothek

Gleich­wohl erscheint es dem Autor wich­tig, gera­de das zu doku­men­tie­ren, da beson­ders nach­fol­gen­de Text­pas­sa­gen durch den Natio­na­lis­mus, ins­be­son­de­re den Natio­nal­so­zia­lis­mus, ver­frem­det und ver­häng­nis­voll miss­braucht wur­den. »Das deut­sche Volks­tum«, die­ses »hohe Lied von der deut­schen Ein­heit«, das einst Blü­cher (*1742; †1819) das deut­sches­te Wehr­büch­lein nann­te, erlang­te beson­ders nach 1870 wie­der an Bedeu­tung. Jahn betrach­te­te dar­in die Rein­heit (s)eines Vol­kes als »Urheit«:

[…] Ein Urvolk hat sei­nen Ursprung in sich und aus sich, […] Die Urheit ist eine Ahnen­pro­be der Völ­ker und »deutsch« ist »urvolk­lich in höchs­ter Bedeu­tung«, deutsch ist »urtüch­tig, urtu­gend­lich, urmensch­lich«. […] Sie ist ein »hei­li­ges Geheim­nis wie Zeu­gung und Emp­fäng­nis«. Das Gegen­teil der Urvöl­ker sind Mang­völ­ker, sie sind »Huren­kin­der, an denen Gott nicht teil noch Gefal­len hat«. Dar­aus ver­steht sich die Fol­ge­rung von selbst, »daß jeder ech­te Mann sei­nen künf­ti­gen Kin­dern eine Mut­ter aus sei­nem eige­nen Volks­tum zu geben bemüht sein muß. Jede ande­re Ehe ist tie­ri­sche Paa­rung ohne Gattin«. […]
(Vergl. »Fried­rich Lud­wig Jahn als Begrün­der einer völkisch-​politischen Erzie­hung«, HG. Dr. K. M. Bun­gardt, K. Triltsch Ver­lag Würz­buch, S. 29)

Inwie­weit Frie­sen die­sen eth­nisch pro­pa­gier­ten Natio­na­lis­mus Jahns voll­in­halt­lich mit trug, ist schwer nach­zu­wei­sen, da er in die­sen Din­gen als mode­rat und zurück­hal­tend galt. Der von Fried­rich Lud­wig Jahn gepräg­te Begriff »Volks­t­hum«, wel­cher die typi­schen Eigen­hei­ten eines Vol­kes bezeich­nen soll­te, griff schnell um sich.. Das »Volk« wur­de individualisiert.
Bemer­kens­wert hier­bei ist die his­to­ri­sche Tat­sa­che, dass bereits zu Jahns und Frie­sens Zei­ten das Gebiet »Teutsch­land« ein mul­tiet­ni­sches und viel­spra­chi­ges Gebil­de war.

Im ange­streb­ten »Deut­schen Reich«, wel­ches sich 1871 ver­wirk­li­chen soll­te, so wie von den Bur­schen­schaf­ten erträumt, wür­den sich Deut­sche, Polen, Litau­er, Kaschub­en, Masu­ren, Sor­ben, Elsäs­ser, Loth­rin­ger, Wal­lo­nen, Dänen, 500.000 bis 600.000 deut­sche Juden und im deut­sche Gebiet leben­de Sin­ti und Roma auf­hal­ten und leben.
(Vergl. zitiert nach Schmalz-​Jacobson & Han­sen, »Zur Migra­ti­ons­ge­schich­te«, 1997, S. 82 ff. bis 143)

Der pathetisch-​agressive Sprach­ge­brauch Jahns, Arndts, Kör­ners und ande­rer Prot­ago­nis­ten in der Zeit der napo­léo­ni­schen Krie­ge gab Vor­la­gen für alle mög­li­chen Natio­na­lis­ten des 19. Jhd. sowie des begin­nen­den 20. Jhd und hat­te sei­nen Höhe­punkt in der Zeit von 1933 bis 1945. So konn­te Goeb­bels in sei­ner Sportpalast-​Rede von 1943, wo er zum »tota­len Krieg« auf­rief, den Frei­heits­hel­den Theo­dor Kör­ner zitieren:

Das Volk steht auf, der Sturm bricht los,
Wer legt noch die Hän­de feig in den Schoß?
Pfui über dich Buben hin­ter dem Ofen,
Unter den Schran­zen und unter den Zofen!
Bist doch ein ehr­los erbärm­li­cher Wicht.
Ein deut­sches Mäd­chen küßt dich nicht
Ein deut­sches Lied erfreut dich nicht
Und deut­scher Wein erquickt dich nicht
Stoßt mit an
Mann für Mann,
Wer den Flam­berg schwin­gen kann

Frie­sen, ein Offi­zier der Lüt­zower Jäger, dien­te den Natio­nal­so­zia­lis­ten als Bür­ger­held, der aus ein­fa­chen bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­sen zum Volks­hel­den emporwuchs.

[…] Frie­sen kam aus dem Vol­ke«. Sein Auf­stieg zum Hel­den, so lau­te­te die Bot­schaft, war kei­ner beson­de­ren Pri­vi­le­gie­rung zu ver­dan­ken, er war von Geburt her einer von vie­len. Wenn Frie­sen ein Held gewor­den war, dann konn­te jeder ein Held werden. […]
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, Deu­tungs­mus­ter heroi­scher Männ­lich­keit in Deutsch­land 1813 – 1945, R. Schil­ling, F. Schö­ningh Mün­chen. S. 346)

Die Natio­nal­so­zia­lis­ten trans­for­mier­ten den heroi­schen Preu­ßi­schen Wahl­spruch »Mit Gott für König und Vater­land« der Lüt­zower Jäger und Land­wehr­män­ner der Jah­re 1813 bis 1815 in »Füh­rer Volk und Vater­land« um und schick­ten ca. 2 Mil­lio­nen deut­scher Sol­da­ten in »Treu und Glaub« in den Tod. Mit­te März 1945 fand noch ein­mal eine maka­bre Hel­den­ver­eh­rung zum Zwe­cke der Mobi­li­sie­rung für den »tota­len Krieg« statt.

Am Grab Kör­ners in Wöb­be­lin – heu­te Land­kreis Ludwigslust-​Parchim in Mecklenburg-​Vorpommern (Deutsch­land) – ver­sam­mel­te man jugend­li­che »Pan­zer­gre­na­die­re«, um sie für den End­kampf zu vereidigen.

[…] Die Schü­ler wur­den zur »Waf­fen­über­ga­be an der Kör­ner­stät­te« zitiert und dort unter dem Gesang von “Kampf­lie­dern” und Fackel­schein für den Volks­sturm vereidigt. […]

Die Zei­tung »Nie­der­deut­scher Beob­ach­ter« – ein Kampf­blatt der NSDAP Meck­len­burg – akkla­mier­te pathe­tisch dazu:

[…] Das Deut­sche Volk ist ein Volk von Hel­den gewor­den … Im Fackel­schein glü­hen die Gesich­ter wie Bron­ze. Es ist, als sei die Ver­gan­gen­heit auf­ge­stan­den, jung und siegesgewiß. […]
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, Deu­tungs­mus­ter heroi­scher Männ­lich­keit in Deutsch­land 1813 – 1945, R. Schil­ling, F. Schö­ningh Mün­chen. S. 369)

Hier spie­gelt sich die Anfäl­lig­keit beson­ders der Jugend gegen­über jah­re­lan­ger Pro­pa­gan­da wider.
Die Bel­li­fi­zie­rung der Jugend im Deut­schen Reich von 1933 bis 1945 und der damit ver­bun­de­ne Hel­den­kult führ­te gera­de­wegs in ein töd­li­ches Verderben.
Beson­ders bemer­kens­wert ist, dass sich zu die­sem Zeit­punkt unweit von Kör­ners Grab, das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Wöb­be­lin als Außen­la­ger des KZ Neu­en­gam­me befand.

In ähn­li­cher Art und Wei­se, aller­dings nicht der­ar­tig dras­tisch, wur­de der eher zufäl­li­ge Tod Frie­sens in den Arden­nen hochstilisiert.

[…] Sei­ne Ver­diens­te sah man in der Erwe­ckung der deut­schen Volks­kraft in Preu­ßen und Deutsch­land. Die dar­aus ver­mit­teln­de Zukunfts­ori­en­tie­rung hieß per­sön­li­cher Ein­satz für den Erhalt und die Stär­kung des deut­schen Natio­nal­staa­tes. In die­sem Zusam­men­hang sah man Frie­sen auch als Sym­bol und Mahn­zei­chen für die Einig­keit der Deutschen. […]
(Vergl. »Tur­nen ist mehr — …, Hg. Krü­ger & Stein, Bd. 1, Hil­des­heim 2014, S. 69)


Nach dem Ende des II. Welt­krie­ges, mit der Zer­schla­gung des Natio­nal­so­zia­lis­mus und der ver­ord­ne­ten »Auf­lö­sung des Staa­tes Preu­ßen«, mit dem Pots­da­mer »Kon­troll­rats­ge­setz Nr. 46« vom 25. Febru­ar 1947 ende­te auch das Deu­tungs­mus­ter von Hel­den und Opfer­tod auf den deut­schen Staats­ge­bie­ten.
Sowohl in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land als auch in der DDR war die seit der Mit­te des 19. Jhd. prak­ti­zier­te Erzie­hung zu Hel­den und deren Hel­den­tod in deut­li­chen Miss­kre­dit gebracht. Allein schon der Begriff »Vater­land« und not­falls die Ver­tei­di­gung des­sen impli­zier­te Kampf, Ster­ben, Töten und damit auch »Tod fürs Vater­land«. Bis in die Gegen­wart hin­ein ist die­ser Dis­kurs in der Öffent­lich­keit mehr als belastet.

In der DDR ent­wi­ckel­te sich nach 1952 mit der spä­te­ren Bil­dung der NVA ein vor­sich­ti­ger Rück­griff auf die »Bes­ten Tra­di­tio­nen der deut­schen Mili­tär­ge­schich­te« aus der Zeit der Befrei­ungs­krie­ge von 1813 bis 1815. Namen wie Kör­ner, Scharn­horst, Gnei­se­nau, Schill und Lüt­zow wur­den aus der Ver­sen­kung her­vor­ge­ho­ben. Der Name Frie­sen spiel­te im Mili­tär der DDR kei­ne her­aus­ra­gen­de Rol­le. Es wur­den jedoch Sta­di­en und Schwimm­hal­len nach ihm benannt.

Als Autor gestat­te ich mir, in die­sem Zusam­men­hang aus eige­nem Erle­ben zu berich­ten. Mein Vater, dama­li­ger Offi­zier der Grenz­trup­pen der DDR, nahm mich als etwa zehn-​jährigen Kna­ben mit zu einer Ehrung Kör­ners bei Rose­now. An den Ort, wo Kör­ner töd­lich ver­wun­det wor­den war. Die fei­er­li­che Ehrung Kör­ners durch das Mili­tär an dem dor­ti­gen Obe­lis­ken beein­druck­te mich damals sehr und präg­te mein gan­zes spä­te­res Leben.

In der NVA wur­den in den 80-​er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts die Namen Schill, Lüt­zow, Gnei­se­nau und Clau­se­witz an Trup­pen­tei­le und Ver­bän­de der NVA ver­lie­hen. Scharn­horst und Blü­cher wur­de die Ehre zuteil, Ordens­stif­ter für die NVA zu wer­den. Für die NVA, in der der Autor — 20 Jah­re — dien­te, galt das Wort Fried­rich Engels (*28.1820; † 1895):

[…] die ruhm­rei­che Zeit, wo die deut­sche Nati­on seit Jahr­hun­der­ten wie­der zum ers­ten Male sich erhob und aus­wär­ti­ger Unter­drü­ckung mit ihrer gan­zen Kraft und Grö­ße sich gegenüberstellte.[…]…als sou­ve­rä­nes Volk auf­tra­ten, das war der höchs­te Gewinn jener Jahre, […]
(Marx/​Engels, Gesamt­aus­ga­be, I.Abt., Bd. 2, S.98)

Scharn­horstor­den NVA Quel­le: Wikipedia

In der Bun­des­re­pu­blik tat man sich hin­ge­gen schwer mit der Fin­dung akzep­tier­ter Tra­di­ti­ons­na­men im öffent­li­chen Leben.
Kaser­nen wur­den benannt und spä­ter im Ver­lau­fe der Zeit unter öffent­li­chem Druck umge­wid­met. Nach dem Ende des Ost-​West-​Konfliktes mit 1990, rück­te der kämp­fen­de deut­sche Sol­dat wie­der in das Bewusst­sein des »Vater­lan­des«.

[…] Leut­nant David Ferk hat­te am 13. Juni 1999 in Priz­ren als ers­ter deut­scher Sol­dat nach 1945 in einem Gefecht den Befehl gege­ben, das Feu­er auf einen Men­schen zu eröff­nen. Zwei Ser­ben star­ben im Kugel­ha­gel. Für die bei­spiel­haf­te Erfül­lung der Sol­da­ten­pflicht wur­de Ferk … das »Ehren­kreuz in Gold«, die höchs­te Aus­zeich­nung der Bun­des­wehr, verliehen. […]
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, Deu­tungs­mus­ter heroi­scher Männ­lich­keit in Deutsch­land 1813 – 1945, R. Schil­ling, F. Schö­ningh Mün­chen. S. 394)

Seit dem Jahr 1992 sind 37 Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­ge bei Aus­lands­ein­sät­zen in Gefech­ten oder bei Anschlä­gen getö­tet wor­den. (Stand: Juli 2022).
(Quel­le: www​.bun​des​wehr​.de/​d​e​/​u​e​b​e​r​-​d​i​e​-​b​u​n​d​e​s​w​e​h​r​/​g​e​d​e​n​k​e​n​-​t​o​t​e​-​b​u​n​d​e​s​w​e​h​r​/​t​o​d​e​s​f​a​e​l​l​e​-​b​u​n​d​e​s​w​ehr)

Trau­er­ze­re­mo­nie — Quel­le: www​.bun​des​wehr​.de/​d​e​/​u​e​b​e​r​-​d​i​e​-​b​u​n​d​e​s​w​e​h​r​/​g​e​d​e​n​k​e​n​-​t​o​t​e​-​b​u​n​d​e​s​w​e​h​r​/​t​o​d​e​s​f​a​e​l​l​e​-​b​u​n​d​e​s​w​ehr

Rezep­ti­on, Ehrung und Geden­ken ist teil­wei­se der Bun­des­wehr sel­ber über­las­sen. Die Öffent­lich­keit ist mit weni­gen Aus­nah­men hin­ge­gen wei­test­ge­hendst aus­ge­klam­mert, und das kann nur schwer befriedigen.

[…] Seit dem 1. Okto­ber 2020 heißt eine unschein­ba­re Wie­se im Bie­le­fel­der Stadt­teil Brack­we­de nun doch Martin-​Augustyniak-​Platz. In Stadt­al­len­dorf wur­de eine Stra­ße nach Haupt­mann Mar­kus Matthes benannt, der 2011 in Afgha­ni­stan durch eine Spreng­fal­le ums Leben kam. Zwei Kaser­nen tra­gen die Namen von Bundeswehr-​Gefallenen: die Major-​Radloff-​Kaserne in Wei­den in der Ober­pfalz und die Hauptfeldwebel-​Lagenstein-​Kaserne in Han­no­ver. In August­dorf wur­de ein Lehr­saal­ge­bäu­de nach Ale­xej Kobe­lew benannt. Sie alle lie­ßen ihr Leben in Afghanistan. […]
(Vergl. www​.reser​vis​ten​ver​band​.de/​m​a​g​a​z​i​n​-​l​o​y​a​l​/​v​e​r​s​t​e​c​k​t​e​s​-​g​e​d​e​n​k​en/)

Die gesell­schaft­li­che Epo­che des »Kal­ten Krie­ges« (1945 bis 1991), in der sich die macht­po­li­ti­schen und öko­no­mi­schen Riva­li­tä­ten der USA und der UdSSR mit ihren geschaf­fe­nen Mili­tär­blö­cken gegen­über­stan­den neig­te sich 1991 dem Ende zu. In einer ver­häng­nis­vol­len Fehl­ein­schät­zung beschloss der Deut­sche Bun­des­tag dar­auf­hin rund 55 Jah­re nach ihrer Ein­füh­rung, am Don­ners­tag, dem 24. März 2011, die All­ge­mei­ne Wehr­pflicht zum 1. Juli des Jah­res auszusetzen.

Heu­te scheint es so, als ob Regie­run­gen und demo­kra­ti­sche Par­tei­en von die­sem Zeit­punkt an die Zukunft des Lan­des und der Men­schen aus den Augen ver­lo­ren haben, weil sie der irri­gen Mei­nung waren, nur noch von Freun­den umge­ben zu sein. Die Aus­set­zung der Wehr­pflicht war Teil einer ange­streb­ten Streit­kräf­te­re­form, mit der die Bun­des­wehr von rund 255.000 Sol­da­ten auf bis zu 185.000 ver­klei­nert wer­den sollte.

Mit dem Kon­flikt um die Ukrai­ne, begin­nend mit der Krim-​Krise 2014/​15 und nun­mehr der rus­si­schen Inva­si­on im Febru­ar 2022, ver­än­der­te sich die poli­ti­sche Welt­la­ge signi­fi­kant. Die alte Regel »si vis pacem, para bel­lum« von Mar­cus Tul­li­us Cice­ro (*106 v. Chr.; †43 v. Chr.), d.h. frei über­setzt »Wenn du Frie­den willst, rüs­te zum Krieg«, wur­de spä­tes­tens am 24. Febru­ar 2022 dras­tisch wie­der ins poli­ti­sche Bewusst­sein gerückt.

In den Mor­gen­stun­den des 24. Febru­ar des Jah­res 2022 über­schrei­ten – auf Ukas des Prä­si­den­ten der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on – rus­si­sche Streit­kräf­te von Nor­den, Osten und Süden die Staats­gren­ze der sou­ve­rä­nen Ukrai­ne. Ohne Kriegs­er­klä­rung, als »spe­zi­el­le mili­tä­ri­sche Ope­ra­ti­on« dekla­riert, beginnt Russ­land einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg gegen den Staat und das Volk der Ukraine.

Bereits in den ers­ten Stun­den die­ses Krie­ges wird deut­lich, dass die­ser Waf­fen­gang, anders als 2014 bei der Krim­ope­ra­ti­on (1 Toter), erheb­li­che Ver­lus­te auf bei­den Sei­ten haben wird. So wuch­sen im Don­bass die Todes­op­fer bis ins Jahr 2019 auf ins­ge­samt 12.477 an. Im Jahr 2022 zu Beginn der Kampf­hand­lun­gen waren es schon rund 14.000. Nach Erfah­run­gen der Kriegs­ge­schich­te wer­den die Ver­lust­zif­fern in der Regel mit 1:3 – also drei Ver­wun­de­te auf einen Toten – bemes­sen. Mög­li­cher­wei­se waren im dar­ge­stell­ten Zeit­raum bereits rund 35.000 Men­schen der Regi­on ver­wun­det, ver­letzt oder in einer ande­ren Wei­se in Mit­lei­den­schaft gezo­gen wor­den. Zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt sind womög­lich auf bei­den Sei­ten hun­dert­tau­sen­de Men­schen getö­tet wor­den. Der noch 2014 erschei­nen­de »hybri­de Krieg« ver­wan­del­te sich mit 2022 zu einem wahr­haf­ti­gen Krieg.

Dazu Carl von Clausewitz:

[…] Ist nun das Ziel des krie­ge­ri­schen Aktes ein Äqui­va­lent für den poli­ti­schen Zweck, so wird er im all­ge­mei­nen mit die­sem her­un­ter­ge­hen, und zwar um so mehr, je mehr die­ser Zweck vor­herrscht; und so erklärt es sich, wie ohne inne­ren Wider­spruch es Krie­ge mit allen Gra­den von Wich­tig­keit und Ener­gie geben kann, vom Ver­nich­tungs­krie­ge hin­ab bis zur blo­ßen bewaff­ne­ten Beobachtung. […]«
(Quel­le: Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, 1. Buch, Kap. 1, S. 26)

Die Clau­se­witz­sche Sicht der Din­ge erle­ben wir jedoch gegen­wär­tig in der rezi­pro­ken Vari­an­te der Ereig­nis­se. War die »Erobe­rung« der Krim durch das Her­bei­füh­ren eines gewoll­ten Cha­os eine Art der »bewaff­ne­ten Beob­ach­tung«, so führ­te die gewalt­sa­me Sezes­si­on des Don­bass (2014) und dann der 24. Febru­ar 2022 zum gegen­wär­ti­gen Ver­nich­tungs­krieg hin.

Der Bun­des­kanz­ler der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wird am 27. Febru­ar 2022, drei Tage nach Kriegs­be­ginn im Deut­schen Bun­des­tag formulieren:

[…] Wir erle­ben eine Zei­ten­wen­de. Und das bedeu­tet: Die Welt danach ist nicht mehr die­sel­be wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Fra­ge, ob Macht das Recht bre­chen darf, ob wir es Putin gestat­ten, die Uhren zurück­zu­dre­hen in die Zeit der Groß­mäch­te des 19. Jahr­hun­derts, oder ob wir die Kraft auf­brin­gen, Kriegs­trei­bern wie Putin Gren­zen zu set­zen. Das setzt eige­ne Stär­ke voraus. […]
(Quel­le: www​.bun​des​re​gie​rung​.de)

Bereits ein Jahr nach Kriegs­be­ginn in der Ukrai­ne ist klar gewor­den, dass die Aus­set­zung der Wehr­pflicht ein ver­häng­nis­vol­ler Feh­ler war.

[…] Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us (SPD) hat die Aus­set­zung der Wehr­pflicht im Jahr 2011 als einen Feh­ler bezeich­net. „Die Aus­set­zung der Wehr­pflicht war ein Feh­ler“, sag­te er dem „Han­dels­blatt“. Sie sei aber nicht von heu­te auf mor­gen rück­gän­gig zu machen. Die Bun­des­wehr habe dafür bei­spiels­wei­se nicht aus­rei­chend Kaser­nen oder Aus­bil­dungs­per­so­nal. […]

Die Bun­des­wehr muss kriegs­tüch­tig wer­den, ist die fol­ge­rich­ti­ge Schluß­fol­ge­rung, die nun­mehr pro­pa­giert wird. Viel­leicht wäre der Begriff wehr­haft bes­ser gewesen!?
Dazu gehört auch die Her­aus­bil­dung der nöti­gen kör­per­li­chen und men­ta­len Robust­heit der Sol­da­ten aller Kate­go­rien, die in den letz­ten 20 Jah­ren ver­lo­ren ging. Frie­sen wäre hier als Hin­weis und Gedan­ken­stüt­ze zu nennen.

[…]Im Kal­ten Krieg gal­ten Mär­sche unter 20 Kilo­me­ter als »Spa­zier­gang«. Heute 
nennt der Wehr­be­auf­trag­te der Bun­des­wehr in sei­nem Jah­res­be­richt 2020 einen Ein­ge­wöh­nungs­marsch von 2,5 Kilo­me­tern bei 28 Grad Son­nen­wär­me ernst­haft eine Tor­tur und einen Fall »über­zo­ge­ner Härte«.[…]
Vergl. »Deut­sche Krie­ger« Sön­ke Neit­zel, Pro­py­lä­en 2020, S. 597 bis 598

In die­sem Zusam­men­hang ist es lehr­reich, sich immer wie­der mit Clau­se­witz zu beschäf­ti­gen. Wir wie­der­ho­len uns hier an die­ser Stel­le, wie bereits wei­ter vor­ne zitiert:

[…] Der Ver­lust an phy­si­schen Streit­kräf­ten ist nicht der ein­zi­ge, den bei­de Tei­le im Ver­lauf des Gefechts erlei­den, son­dern auch die mora­li­schen wer­den erschüt­tert, gebro­chen und gehen zu Grun­de […] Die mora­li­schen Kräf­te sind es vor­zugs­wei­se, wel­che hier ent­schei­den, und sie waren es allein in allen Fäl­len, wo der Sie­ger eben­so­viel ver­lo­ren hat­te als der Besiegte. […]«
(Quel­le: Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, 4. Buch, Kap. 4, S. 228)

Wir müs­sen hier den zwangs­läu­fi­gen Abnut­zungs­pro­zess der phy­si­schen Kräf­te, der mora­li­schen Stand­haf­tig­keit sowie mög­li­cher­wei­se der öko­no­mi­schen Kräf­te erkennen.
Dar­über hin­aus eine wei­te­re fun­da­men­ta­le Clausewitz´sche Erkennt­nis, die wir wie­der­holt zu berück­sich­ti­gen haben:

[…] Ein Heer, wel­ches in dem zer­stö­rends­ten Feu­er sei­ne gewohn­ten Ord­nun­gen behält, wel­ches nie­mals von einer ein­ge­bil­de­ten Furcht geschreckt wird und der gegrün­de­ten den Raum Fuß für Fuß strei­tig macht, stolz im Gefühl sei­ner Sie­ge, auch mit­ten im Ver­der­ben der Nie­der­la­ge die Kraft zum Gehor­sam nicht ver­liert, nicht die Ach­tung und das Zutrau­en zu sei­nen Füh­rern, des­sen kör­per­li­che Kräf­te in der Übung von Ent­beh­rung und Anstren­gung gestärkt sind wie die Mus­keln eines Ath­le­ten, wel­ches die­se Anstren­gun­gen ansieht als ein Mit­tel zum Sie­ge, nicht als einen Fluch, der auf sei­nen Fah­nen ruht, und wel­ches an alle die­se Pflich­ten und Tugen­den durch den kur­zen Kate­chis­mus einer ein­zi­gen Vor­stel­lung erin­nert wird, näm­lich die Ehre sei­ner Waf­fen, – ein sol­ches Heer ist vom krie­ge­ri­schen Geis­te durchdrungen. […] 
(Quel­le: Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 170)

Zurück zur Gegenwart.

[…] Das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um unter­sucht der­zeit, ob es wei­ter­hin bei der geplan­ten Ver­stär­kung auf 203.000 Dienst­pos­ten für Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten (ein­schließ­lich Reser­vis­ten­stel­len) blei­ben soll. Aller­dings hat die Trup­pe der­zeit um die 184.000 akti­ve Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten und ver­zeich­net kei­nen wirk­li­chen Zuwachs. […]
(Vergl. augen​ge​ra​de​aus​.net/​2​0​2​2​/​0​7​/​b​u​n​d​e​s​w​e​h​r​-​p​e​r​s​o​n​a​l​p​l​a​n​ung)

Inwie­weit die­se Zah­len gegen­wär­tig noch aktu­ell sind, soll hier an die­ser Stel­le ver­nach­läs­sigt wer­den. Ent­schei­dend neben der not­wen­di­gen robus­ten mate­ri­el­len Aus­rüs­tung ist vor allem der zukünf­tig zur Ver­fü­gung ste­hen­de Bestand an Reser­vis­ten der Bundeswehr.

Dem gegen­wär­ti­gen Bestand der rus­si­schen Armee des Jah­res 2023 mit rund 1.190.000 akti­ven Sol­da­ten, sowie über rund 1.500.000 Reser­vis­ten ste­hen in der Bun­des­wehr, ohne Betei­li­gung der Ver­bün­de­ten, geplan­te 203.000 Mann ein­schließ­lich Reser­vis­ten gegen­über. Im Jahr 2023 umfass­ten die Streit­kräf­te der NATO ins­ge­samt, nach vor­läu­fi­gen Anga­ben, eine Trup­pen­stär­ke von ins­ge­samt rund 3,37 Mil­lio­nen Sol­da­ten und Sol­da­tin­nen. Die meis­ten Streit­kräf­te stell­ten im Jahr 2023 die USA mit rund 1,35 Mil­lio­nen Per­so­nen. Aller­dings ist die rea­le Gesamt­stär­ke der NATO-​Truppen ohne US-​Beteiligung auf dem euro­päi­schen Kriegs­thea­ter gerin­ger als die der gegen­wär­ti­gen rus­si­schen Stärke.
(Vergl. e.statista.com/statistik/daten/studie/36914/umfrage/streitkraefte-der-nato/)

Ange­sichts der revo­lu­tio­nä­ren ver­än­der­ten Kriegs­füh­rung durch moderns­te Waf­fen­sys­te­me, wie Droh­nen und Anwen­dung von KI, ist in einer zukünf­ti­gen bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit erheb­li­chen sani­tä­ren und leta­len Ver­lus­ten zu rech­nen. Die­se müss­ten im Krieg stän­dig aus­ge­gli­chen werden.

Die Inten­ti­on der gegen­wär­ti­gen Poli­tik, Per­so­nal­stär­ke über »Job­ver­mitt­lun­gen« zu regeln, betrach­ten wir hier als untaug­li­ches Instru­ment. Die Beru­fung des Sol­da­ten als »Job« ver­ste­hen zu wol­len ist – so denkt der Autor – eine kata­stro­pha­le Fehleinschätzung.

Hier kön­nen wir zum eigent­li­chen The­ma unse­rer Betrach­tung zurück­keh­ren und uns noch ein­mal auf Scharn­horst berufen:

[…] Die Trup­pe soll­te gefechts­nah aus­ge­bil­det und die Offi­zie­re an neue Anfor­de­run­gen mit höhe­rer Ver­ant­wor­tung gewöhnt wer­den. […]
(Vergl. »Scharn­horst Aus­ge­wähl­te mili­tä­ri­sche Schrif­ten«, Hg. Usc­zek und Gud­zent, MV, 1986, S. 280 bis 299)

Dazu gehört vor allem die Her­aus­bil­dung sol­da­ti­scher Tugen­den, die sich schwer­lich als »Job« ver­mit­teln las­sen, wie sich heu­ti­ge deut­sche Poli­ti­ker das Mili­tär­we­sen vor­stel­len. Mili­tä­ri­sche Tugen­den, die Moral der Kämp­fer, gepaart mit Enthu­si­as­mus der Trup­pe vom Heer­füh­rer bis in das letz­te Glied der Linie und die Aus­bil­dung waren — so Clau­se­witz — Grund­la­gen des Sie­ges im Gefecht und in der Schlacht. Streng wies er jedoch dar­auf hin, dass auch im Kampf Regeln und Geset­ze gal­ten und zu berück­sich­ti­gen waren.

[…] Grund­sät­ze, Regeln, Vor­schrif­ten und Metho­den aber sind für die Theo­rie der Kriegs­füh­rung unent­behr­li­che Begrif­fe, inso­weit sie zu posi­ti­ven Leh­ren führt, weil in die­sen die Wahr­heit nur in sol­chen Kris­tal­li­sa­ti­ons­for­men anschie­ßen kann. […]«
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 2. Buch, Kap. 4, S. 120)

Neben den »tech­ni­schen« Vor­aus­set­zun­gen sieht Clau­se­witz noch einen wei­te­ren wich­ti­gen Kom­plex von Wir­kungs­fak­to­ren im Krieg.

Das sind Tap­fer­keit, Gewandt­heit, Abhär­tung, Enthu­si­as­mus, Kühn­heit, Beharr­lich­keit, Über­ra­schung sowie List. Die­se all­ge­mein­gül­ti­gen Fak­to­ren, wel­che die mora­li­sche Potenz der gesam­ten Trup­pe deter­mi­nie­ren, glie­dert Clau­se­witz jedoch wei­ter auf. Als »unver­kenn­ba­re Wahl­ver­wandt­schaf­ten« cha­rak­te­ri­siert er das Zusam­men­wir­ken von Regeln, Gehor­sam und Ord­nung, gepaart mit dem Talent des Feld­her­ren und dem Volks­geist des Hee­res unter ver­schie­de­nen Bedin­gun­gen der jewei­li­gen Kriegstheater.
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag des MfNV, Ber­lin 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 169 bis 172)

Sol­dat sein ist in ers­ter Linie Beru­fung. Die­se Beru­fung ver­langt nach Vor­bil­dern und Tra­di­tio­nen. Die Pro­ble­me der Suche nach sol­da­ti­schen Tra­di­tio­nen für die Bun­des­wehr stellt eine mehr oder weni­ger gewollt schwie­ri­ge Fra­ge ange­sichts der ver­gan­ge­nen deut­schen Mili­tär­ge­schich­te dar. Die­se Fra­ge hier zu erör­tern, ist nicht das Ziel die­ser Arbeit.

Gleich­wohl stellt sich die Fra­ge nach dem Fin­den von Vor­bil­dern als sehr schwie­rig dar, ange­sichts schuld­haf­ter Ver­stri­ckung deut­scher Sol­da­ten in uneh­ren­haf­te Hand­lun­gen ins­be­son­de­re wäh­rend des 2. Welt­krie­ges. Noch immer sind jedoch drei Tra­di­ti­ons­li­ni­en gültig:

- Die preu­ßi­sche Hee­res­re­form der Jah­re 1807 bis 1814.
- Der mili­tä­ri­sche Wider­stand gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus und gegen das NS-Regime.
- Die eige­ne Geschich­te der Bun­des­wehr seit ihrem Grün­dungs­jahr 1955 sowie ihre heu­ti­ge gesell­schaft­li­che Verankerung.

Das Wis­sen über die­se Zeit­ab­läu­fe und deren wich­tigs­te Prot­ago­nis­ten, die wir als Patrio­ten bezeich­nen kön­nen, muss in der Gesell­schaft und damit natür­lich in der Bun­des­wehr nach­hal­tig ver­mit­telt werden.

Karl Fried­rich Frie­sen gehört neben Theo­dor Kör­ner, Scharn­horst, Eleo­no­re Pro­chas­ka und vie­len ande­ren, zu Per­so­nen mit unbe­ding­ter Vorbildwirkung.
Der Ruf der Fall­schirm­jä­ger »Treue um Treue« wur­de 2014 in der Bun­des­wehr ver­bo­ten. Zu sehr wür­de die zivi­le Öffent­lich­keit den Aus­druck mit den Wehr­machts­fall­schirm­jä­gern in Ver­bin­dung brin­gen, so die Argu­men­ta­ti­on, obwohl die­ser Spruch schon aus der Zeit der Befrei­ungs­kämp­fe gegen Napo­le­on stammt.
(Vergl. reser​vis​ten​ver​band​.de)

Ange­sichts der hier voll­zo­ge­nen Dar­stel­lung des freund­schaft­li­chen Ver­hält­nis­ses zwi­schen Frie­sen und sei­nem Freund von Vie­ting­hoff über den Tod hin­aus scheint es nicht schwie­rig, Vor­bil­der unter den Hel­den ver­gan­ge­ner Zei­ten zu finden.

Es muss in der Bun­des­wehr omni­prä­sent »Esprit de Corps« gelebt wer­den, um für künf­ti­ge Zei­ten gewapp­net zu sein. Dazu braucht es Bil­dung und Erzie­hung in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft und ziel­ge­rich­te­te Aus­bil­dung in der Armee. Scharn­horsts Wor­te, dass jeder Bür­ger der gebo­re­ne Ver­tei­di­ger des­sel­ben sei, muss für jeden Bür­ger des Lan­des gel­ten, unab­hän­gig sei­ner Her­kunft und Religion.

Der Wahl­spruch muss lauten:
»Wir gehen zusam­men raus, wir kom­men zusam­men wie­der rein!«
Vie­ting­hoff, der Freund und Kame­rad Frie­sens leb­te es vor!

»Treue um Treue«

facebook.com/german.troops.supporters/photos/während-des-karfreitagsgefechts

Ein Kommentar

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert