Friedrich Friesen — Ein deutscher Patriot


»Der größ­te Staat sey schwach, der unge­zähl­te Hee­re, Doch kei­ne Patrio­ten hat.«

(Johann Peter Uz [*3. Okto­ber 1720 in Ans­bach; †12. Mai 1796 eben­da] war ein deut­scher Dichter.)

Das Jahr 2024 legt uns zwei Daten nahe, die sich auf das o. g. Zitat gerad­li­nig bezie­hen könn­ten. Ein bedeu­ten­der Mag­de­bur­ger Bür­ger des 19. Jahr­hun­derts, Karl Fried­rich Frie­sen, wur­de am 25. Sep­tem­ber 1784 in Mag­de­burg gebo­ren und blieb als Lieu­ten­ant und vor­ma­li­ger Adju­tant im Lüt­zower Frei­korps am 16. März 1814 bei La Lob­be in Frankreich.

In der nach­fol­gen­den Arbeit wol­len wir uns mit Leben und Wir­ken Frie­sens und des­sen Bedeu­tung für unse­re heu­ti­ge Zeit beschäf­ti­gen. Zu unter­su­chen wäre, ob die­se his­to­ri­sche Gestalt für uns, aber vor allem für die jun­ge deut­sche Gene­ra­ti­on heu­te von Bedeu­tung sein kann.

Karl Fried­rich Frie­sen, der mit Beginn des 19. Jahr­hun­derts zum Kämp­fer avan­cier­te, besitzt Strahl­kraft – mal ver­ges­sen, mal miss­braucht – bis in unse­re Tage.

Fried­rich Lud­wig Jahn (*11. August 1778; †15. Okto­ber 1852) for­mu­lier­te 1817:

»Wie Scharn­horst unter den Alten, so ist Frie­sen unter der Jugend der Grö­ses­te aller Gebliebenen«

Die Zeit heu­te gebie­tet uns, sich mit die­sem Mann zu beschäf­ti­gen, den wir wahr­haft einen Patrio­ten (»… loya­ler und unei­gen­nüt­zi­ger Lieb­ha­ber und Ver­tei­di­ger sei­nes Lan­des und sei­ner Inter­es­sen …«) nen­nen können.

Karl Fried­rich Frie­sen (*25.September 1784; †16.März 1814) Quel­le: mba​selt​.de

War­um soll­ten wir uns heu­te mit dem Begriff Patri­ot an sich und sei­ner Bedeu­tung für den deut­schen Bür­ger auseinandersetzen?

Der gegen­wär­ti­ge deut­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us hat anläss­lich der Bun­des­wehr­ta­gung am 9. Novem­ber 2023 die neu­en Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­schen Richt­li­ni­en vor­ge­stellt. Sie schlie­ßen unmit­tel­bar an die Natio­na­le Sicher­heits­stra­te­gie an und geben die stra­te­gi­schen Prio­ri­tä­ten der inte­grier­ten Ver­tei­di­gungs­po­li­tik vor.

Der Gene­ral­inspek­teur der Bun­des­wehr Breu­er ergänz­te daraufhin:

»Deutsch­land und sei­ne Ver­bün­de­ten müs­sen sich wie­der mit einer mili­tä­ri­schen Bedro­hung durch einen eben­bür­ti­gen Geg­ner aus­ein­an­der­set­zen. Die Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­schen Richt­li­ni­en bil­den das Fun­da­ment für unse­re künf­ti­gen mili­tä­ri­schen Fähig­kei­ten. Sie sind die Leit­plan­ken für unse­re Struk­tu­ren, Füh­rungs­kul­tur, Per­so­nal­ge­win­nung, Aus­rüs­tung und Aus­bil­dung. Auf ihrer Grund­la­ge for­men wir ein neu­es gemein­sa­mes Selbst­ver­ständ­nis von Wehr­haf­tig­keit und Kriegstüchtigkeit.«
(Vergl. bmvg​.de)

Im Dis­put der Poli­ti­ker, der Wis­sen­schaft­ler und der Medi­en spie­len vor­ran­gig drei Schwer­punk­te eine domi­nie­ren­de Rolle:

1. Das not­wen­di­ge Mate­ri­al zur Füh­rung von Kampfhandlungen.
2. Die not­wen­di­ge Aus­bil­dung der Soldaten.
3. Die Rekru­tie­rung von Sol­da­ten, die für einen Krieg unab­kömm­lich sind.

Eine der wich­tigs­ten Fra­gen aller­dings, die Fra­ge der not­wen­di­gen und zu erwar­ten­den Kampf­mo­ral der Trup­pe – in einem zukünf­ti­gen Krieg – wird öffent­lich nicht zur Debat­te gestellt.

Wir ver­mis­sen hier jedoch die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Kampf­mo­ral deut­scher Sol­da­ten, die zu erwar­ten ist und die eine ent­schei­den­de Rol­le in einem mög­li­chen Krieg spie­len wür­de. Denn: »Si vis pacem para bel­lum« »Wenn du [den] Frie­den willst, berei­te [den] Krieg vor.« Daher der vom BMVg in das Gespräch gebrach­te Begriff von der Kriegs­tüch­tig­keit, die in aller­nächs­ter Zukunft zu errei­chen ist.

Die Ereig­nis­se des gegen­wär­ti­gen Ver­tei­di­gungs­krie­ges der Ukrai­ne gegen die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on zei­gen uns ganz deut­lich, dass die drei o. g. Haupt­fra­gen eine gewich­ti­ge Rol­le spie­len. Wir haben zur Kennt­nis zu neh­men, dass in die­sem Krieg vor allem der Ver­lust an Men­schen und Mate­ri­al womög­lich des­sen Aus­gang domi­nie­ren wird.

An die­ser Stel­le kön­nen wir uns Clau­se­witz zuwenden.

Clau­se­witz beschreibt in »Vom Krie­ge« die­ses Phä­no­men folgendermaßen:

»[…] Der Ver­lust an phy­si­schen Streit­kräf­ten ist nicht der ein­zi­ge, den bei­de Tei­le im Ver­lauf des Gefechts erlei­den, son­dern auch die mora­li­schen wer­den erschüt­tert, gebro­chen und gehen zu Grun­de. […] Die mora­li­schen Kräf­te sind es vor­zugs­wei­se, wel­che hier ent­schei­den, und sie waren es allein in allen Fäl­len, wo der Sie­ger eben­so­viel ver­lo­ren hat­te als der Besiegte. […]«
(Quel­le: Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, 4. Buch, Kap. 4, S. 228)

Dabei war bereits in den ers­ten Kriegs­ta­gen die außer­or­dent­lich hohe mora­li­sche Potenz des ukrai­ni­schen Staats­vol­kes und sei­ner Armee zu beobachten.

»[…] Ein Heer, wel­ches in dem zer­stö­rends­ten Feu­er sei­ne gewohn­ten Ord­nun­gen behält, wel­ches nie­mals von einer ein­ge­bil­de­ten Furcht geschreckt wird und der gegrün­de­ten den Raum Fuß für Fuß strei­tig macht, stolz im Gefühl sei­ner Sie­ge, auch mit­ten im Ver­der­ben der Nie­der­la­ge die Kraft zum Gehor­sam nicht ver­liert, nicht die Ach­tung und das Zutrau­en zu sei­nen Füh­rern, des­sen kör­per­li­che Kräf­te in der Übung von Ent­beh­rung und Anstren­gung gestärkt sind wie die Mus­keln eines Ath­le­ten, wel­ches die­se Anstren­gun­gen ansieht als ein Mit­tel zum Sie­ge, nicht als einen Fluch, der auf sei­nen Fah­nen ruht, und wel­ches an alle die­se Pflich­ten und Tugen­den durch den kur­zen Kate­chis­mus einer ein­zi­gen Vor­stel­lung erin­nert wird, näm­lich die Ehre sei­ner Waf­fen, – ein sol­ches Heer ist vom krie­ge­ri­schen Geis­te durchdrungen. […]« 
(Quel­le: Carl von Clau­se­witz, »Vom Krie­ge«, Ver­lag MfNV Bln., 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 170)

Die Fra­ge, die wir uns stel­len müs­sen, ist fol­gen­de: Wer­den deut­sche Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten in ihrer Gesamt­heit das not­wen­di­ge Durch­hal­te­ver­mö­gen auch bei lang anhal­ten­den Gefech­ten mit hohen sani­tä­ren und leta­len Ver­lus­ten leis­ten können?

Über Geist und Moral von Staat und Volk – unter die­sen mög­li­cher­wei­se ein­tre­ten­den Erschei­nun­gen – spre­chen gegen­wär­tig Poli­ti­ker, Wis­sen­schaft­ler und Medi­en nicht in aller Offenheit!

Das neh­men wir zum Anlass, uns mit Karl Fried­rich Frie­sen, dem deut­schen Patrio­ten, der am Anfang des 19. Jahr­hun­derts gelebt, gelehrt, gekämpft hat und für ein frei­es Deutsch­land gefal­len ist, aus­führ­lich zu beschäftigen.

Friesen-​Biographie

Der Schrift­tums­nach­weis zu die­ser Fra­ge erscheint uns heu­te als sehr umfang­reich. Die wohl aus­sa­ge­kräf­tigs­te Bio­gra­phie stellt der Lebens­be­richt Frie­sens, die der Mag­de­bur­ger Staats­ar­chiv­rat Dr. Erwin Rund­na­gel (*1905 Posen; †1938 Mag­de­burg) im Novem­ber 1935 veröffentlichte.

Rund­na­gel bedankt sich im Vor­wort sei­nes Buches »Fried­rich Frie­sen – Ein poli­ti­sches Lebens­bild« beim dama­li­gen Ober­bür­ger­meis­ter Mag­de­burgs, Dr. jur. Fritz August Wil­helm Mark­mann (*23.09.1899 Per­le­berg; 13.03.1949 Ebstorf/​Uelzen) für des­sen tat­kräf­ti­ge Unter­stüt­zung. Hier kann eine mög­li­che Nähe Rund­na­gels zum Natio­nal­so­zia­lis­mus nahe- gelegt wer­den, da Mark­mann seit 1931 Mit­glied der NSDAP war.

Mark­mann folg­te auf Ernst Reu­ter (*29. Juli 1889; 29. Sep­tem­ber 1953). Der Sozi­al­de­mo­krat Ernst Reu­ter war seit 1931 Ober­bür­ger­meis­ter von Mag­de­burg und seit 1932 Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ter. 1933 wur­de er aus sei­nen Ämtern ent­las­sen und bis Herbst 1934 zwei­mal in das KZ Lich­ten­burg ein­ge­wie­sen. Obwohl man Rund­na­gels Schrift eine gewis­se zeit­ge­mä­ße Über­zeich­nung Frie­sens unter­stel­len kann, feh­len jedoch national-​sozialistische Ideo­lo­gie und Pro­pa­gan­da. Wir erlau­ben uns daher, im Wei­te­ren eng an Rund­na­gels Werk ange­lehnt zu dokumentieren.

Frü­he Jahre

Fried­rich Frie­sen wur­de als unehe­li­ches Kind sei­ner aus Ber­lin stam­men­den Mut­ter Marie Lui­se Lan­ge – nach­ma­li­ge Gra­me­ke(*1747; 1813) in Mag­de­burg gebo­ren. Johann Fried­rich Frie­sen (*1739; 1793) hei­ra­te­te Lui­se Lan­ge in zwei­ter Ehe am 21. Sep­tem­ber 1788 und nahm deren Sohn per matri­mo­ni­um sub­se­quens an Kin­des statt an.

Der Stief­va­ter Frie­sens war ein gedien­ter Feld­we­bel, der um 1771 in den Dienst der Mag­de­bur­ger Zoll­ver­wal­tung trat und dort als »Esti­ma­teur« bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung sein Geld ver­dien­te. Auf Fried­richs Erzie­hung hat­te er wohl wenig Ein­fluss, da er früh ver­starb. Es war Lui­se, die Mut­ter, die den Sohn bis 1813 lie­be­voll betreu­te. Frie­sen »[…] ver­dank­te der wacke­ren Mut­ter unend­lich viel […]«, wie er mehr­fach betonte.
(Vergl. »Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild«, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Olden­bourg, S. 9)

Die ers­ten Jah­re sei­nes Lebens ver­leb­te Frie­sen in den engen Stra­ßen der Fes­tung Mag­de­burg, in der dama­li­gen Alt­stadt, mit ihrem impo­san­ten Dom. Die Mag­de­bur­ger Kin­der, dar­un­ter unser Frie­sen, lit­ten unter der Enge der Festung,

»[…] denn das Feld lag zu weit hin­ter den vie­len Schan­zen und Fes­tungs­wäl­len der Stadt, für das Büb­chen ein unbe­kann­tes Land […]«,

wie Johan­nes Hein­rich Dani­el Zschok­ke (*1771; 1848), ein Mag­de­bur­ger Dich­ter, die Bege­ben­hei­ten schil­der­te. Dafür aber wuss­ten sich die Kna­ben durch wil­de Spie­le schad­los zu hal­ten, wobei ihnen das mili­tä­ri­sche Trei­ben in ihrer Umge­bung als Vor­bild dien­te. Damals leb­ten neben 34.451 Zivi­lis­ten noch rund 6.782 (1798) Mili­tärs in der Fes­te Mag­de­burg.
(Vergl. »Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild«, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Olden­bourg, S. 10. Zu Zah­len­an­ga­ben Johann Chris­ti­an Fried­rich Berg­hau­er »1800«, S. 222 bis 223)

Frie­sen trug von den dama­li­gen »Stras­sen­kämp­fen« ein blei­ben­des Andenken davon. Eine Stirn­wun­de am Schä­del über dem rech­ten Auge half spä­ter, sei­ne Lei­che durch August v. Viet­ting­hoff (*1783; †1847), einen Freund Frie­sens, zu iden­ti­fi­zie­ren. Doch dar­über wird noch zu berich­ten sein. Der jun­ge Frie­sen unter­nahm Wan­de­run­gen, konn­te schwim­men und Schlitt­schuh laufen.

Es ist nicht über­lie­fert, wel­che Schu­le Frie­sen in Mag­de­burg besuch­te. Da Frie­sen weder Latein noch Grie­chisch ver­stand, ist nahe­lie­gend, dass er wahr­schein­lich die Alt­städ­ter Bür­ger­schu­le zu Mag­de­burg besuch­te. Dort wur­den ihm vor­züg­li­che Kennt­nis­se in der Mathe­ma­tik, den Natur­wis­sen­schaf­ten, in der Völker- und Län­der­kun­de sowie in der »Kriegs­wis­sen­schaft« ver­mit­telt. Auch die fran­zö­si­sche Spra­che war Frie­sen nicht unbe­kannt. Sei­ne deut­sche Aus­drucks­wei­se war ein­fach. »[…] das durch sei­ne Ein­fach­heit, durch Anmut und Schön­heit, Rich­tig­keit und Tie­fe des Gedan­kens jeden einnahm. […]«
(Vergl. Zitat nach C. H. Har­nisch (*1787; 1864), in Fried­rich Frie­sen, Dr. Carl Euler, Bln. 1885, K. Schmidt, S. 6)

Offen­sicht­lich hat­te es Frie­sen dem Pfar­rer und Kon­sis­to­ri­al­rat G. Samu­el Albert Mel­lin (*1755; 1825), der ihn kon­fir­mier­te, zu ver­dan­ken, dass er phi­lo­so­phisch den­ken lern­te. Mel­lin war ein dama­li­ger Ken­ner der Schrif­ten Kants. Mög­li­cher­wei­se führ­te die­ser Ein­fluss den jun­gen Frie­sen spä­ter in Ber­lin in Fich­tes Nähe.

Mel­lin, der auch als Gene­ral­bau­di­rek­tor an der Wie­der­her­stel­lung des Doms zu Mag­de­burg arbei­te­te, führ­te Frie­sen auch zum Bau­fach hin. Spä­ter wird er an der Bau­aka­de­mie in Ber­lin studieren.
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, R. Schil­ling, Schö­ningh 2002, S. 37)

Bei Rund­na­gel lesen wir über den jun­gen Friesen:

»[…] Schon äußer­lich über­rag­te er an Grö­ße sei­ne Alters­ge­nos­sen. Auch geis­tig über­traf er sie durch sei­ne Ver­stands­ga­ben; […] So hat­ten die Kame­ra­den Ach­tung, […] inner­lich blieb er ein­sam; einen wirk­li­chen Freund fand er, der Früh­ge­reif­te, unter ihnen nicht. […]«
(Vergl. Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Olden­bourg, S. 12)

Viel mehr wis­sen wir über den jun­gen Frie­sen nicht. Erst um 1807, als Hel­fer Hum­boldts, taucht er wie­der deut­lich in den Anna­len für unse­re Geschich­te auf.

Frie­sens Zeit in Berlin

Im Jahr 1800 ver­ließ Frie­sen mit sei­ner Mut­ter – von Hau­se aus eine Ber­li­ne­rin – Mag­de­burg und über­sie­del­te nach Ber­lin. Dort begann er ein Stu­di­um an der neu­en Ber­li­ner Bau­aka­de­mie und wur­de 1802 als Bau­con­duc­teur exami­niert, was einem nie­de­ren Bau­be­am­ten gleich­kam. Das klei­ne, vom Vater hin­ter­las­se Ver­mö­gen gestat­te­te ihm, sein Stu­di­en fort­zu­set­zen. (Betreffs Jah­res­zah­len, z. B. 1802: In der Lite­ra­tur tref­fen wir auf unter­schied­li­che Angaben)

»[…] Er gehör­te jedoch zu jenen Stu­die­ren­den, die Schil­ler den Brot­stu­den­ten gegen- über­stellt als die phi­lo­so­phi­schen Köp­fe, deren Ziel nicht ein enges Fach­wis­sen und bal­di­ge Ver­dienst­mög­lich­keit, son­dern eine all­um­fas­sen­de Bil­dung ist. […]«
(Vergl. Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Olden­bourg, S. 22)

So hör­te Frie­sen Vor­le­sun­gen in Geo­gra­phie, Archi­tek­tur, Mathe­ma­tik und Tech­nik an der Ber­li­ner Aka­de­mie und lern­te vie­le Geis­tes­grö­ßen Ber­lins ken­nen. Her­aus­ra­gend dabei Johann Gott­lieb Fich­te (*1762; †1814). Mit Johann August Zeu­ne (*1778; †1853) – dem Geo­gra­phen und Sprach­for­scher – war der jun­ge Stu­dio­sus eng befreundet.

Alex­an­der von Hum­boldt (*1769; †1859) nahm Frie­sen von 1806 bis 1808 zu sich und beauf­trag­te ihn, Plä­ne und Pro­fi­le für den »Mexi­ka­ni­schen Atlas« zu zeich­nen und ließ ihn teil­ha­ben an sei­nen phy­si­ka­li­schen Beob­ach­tun­gen. Außer­dem wur­de er zur Begut­ach­tung von Kunst­wer­ken herangezogen.
(Vergl. »Tur­nen ist mehr — …, Hg. Krü­ger & Stein, Bd. 1, Hil­des­heim 2014, S. 49)

In Ber­lin inter­es­sier­te sich Frie­sen, wohl unter dem Ein­fluss Hum­boldts, für die Leh­re des Schwei­zer Päd­ago­gen Johann Hein­rich Pes­ta­loz­zi (*1746; 1827). Fich­te, Hum­boldt und Pes­ta­loz­zi waren auch die Män­ner, die mit ihrem Wir­ken den jun­gen Frie­sen zur Päd­ago­gik hin führ­te. Ab 1808 tref­fen wir ihn als Leh­rer für natur­wis­sen­schaft­li­che Fächer und Tur­nen an der Plamann´schen Anstalt. (Die Pla­mann­sche Erzie­hungs­an­stalt war ein Kna­ben­in­ter­nat in Ber­lin. Die Anstalt des Päd­ago­gen Johann Ernst Pla­mann, die 1805 gegrün­det wur­de, war geprägt von den Grund­sät­zen Johann Hein­rich Pes­ta­loz­zis, ver­bun­den mit eif­ri­ger Pfle­ge des Tur­nens und kör­per­li­cher Abhärtung.)

Hier konn­te Frie­sen vor allem sei­nen Nei­gun­gen zur kör­per­li­chen Betä­ti­gung nach­ge­hen sowie Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten bei dem ihm anver­trau­ten Kna­ben ent­wi­ckeln. Auch Johann Chris­toph Fried­rich Guts­Muths´ (*1759; †1839) Erkennt­nis­se über eine Wech­sel­be­zie­hung von Kör­per und Geist inspi­rie­ren den jun­gen Leh­rer in sei­ner Tätig­keit. Die­se Inten­tio­nen spie­geln sich in Frie­sens Wir­ken in den Jah­ren von 1808 bis zu sei­nem frü­hen Tod deut­lich wider.

In sei­nem Unter­richt wid­me­te er sich »[…] Ver­su­chen zur Erwei­te­rung des Gym­nas­tik­un­ter­richts. Als aus­dau­ern­der Schwim­mer, gewand­ter Fech­ter und Rei­ter war er wie kaum ein ande­rer geeig­net, der kör­per­li­chen Erzie­hung einen mili­tä­ri­schen Cha­rak­ter zu geben. […]«
(Vergl. »Geschich­te der Kör­per­kul­tur in Deutsch­land 1789 — 1917«, Sport­ver­lag Ber­lin, 1965, S. 60)

Unter Mit­wir­kung patrio­tisch gesinn­ter Män­ner erfolg­te 1808 die Grün­dung der Fech­ter­ge­sell­schaft der Märkisch-​Berlinischen »Kam­mer« des Tugend­bun­des (Gesell­schaft zur Uebung öffent­li­cher Tugen­den), einer Geheim­ge­sell­schaft mit natio­na­lis­ti­scher Aus­rich­tung und damit einer ver­gleich­ba­ren Aus­rich­tung wie die spä­te­re Tur­ner­be­we­gung. Prä­gen­de Kraft in der Gesell­schaft war der Mag­de­bur­ger Fried­rich Frie­sen als Leh­rer an der Plamann’schen Anstalt. Er war mit dem Ber­li­ner Ernst Wil­helm Bern­hard Eise­len (*1792; †1846) maß­geb­lich für die Kon­so­li­die­rung der ver­schie­de­nen Fecht­sti­le zu einer Sys­te­ma­tik (Schu­le) verantwortlich.
(Vergl. http://www.fechtsaal.de/media/blogs/de//1818EiselenHiebfechtenv1_0.pdf)

Nach der kata­stro­pha­len Nie­der­la­ge Preu­ßens 1806 gegen Napo­lé­on ent­stan­den im Zuge der preu­ßi­schen Refor­men ver­schie­de­ne Ver­ei­ne, wie der o. g. Tugend­bund, die sich in wel­cher Form auch immer poli­tisch betä­tig­ten. Pro­mi­nen­te Ver­tre­ter waren dar­in die Majo­re von Boy­en und Grolman.

Der Bund, gegrün­det 1808 in Königs­berg, wur­de anfangs durch Kabinetts-​Bescheid F. W. III. vom 30. Juni 1808 sank­tio­niert. Spä­ter dann unter dem Druck Napo­lé­ons am 31. Dezem­ber 1809 auf­ge­löst. Unter den fünf Wir­kungs­be­rei­chen des Bun­des fin­den wir u. a. die Fächer »Erzie­hung« und »Volks­bil­dung«. Hier fan­den Frie­sen und Genos­sen die Bestä­ti­gung für ihre Bestre­bun­gen, die männ­li­che Jugend phy­sisch, aber auch geis­tig und vor allem patrio­tisch zu bil­den und zu erziehen.

In die­ser Zeit lern­te Frie­sen Fried­rich Lud­wig Jahn (*1778; †1852) ken­nen. Zwi­schen bei­den Män­nern ent­wi­ckel­te sich eine Freund­schaft, in der Jahn von der Zusam­men­ar­beit mit Frie­sen pro­fi­tie­ren konn­te. Sei­ner Arbeit ist es vor­nehm­lich zu ver­dan­ken, dass sich 1810 das Turn­we­sen ent­wi­ckeln konn­te. »[…] Gemein­sam mit Jahn ent­wi­ckel­te er die ver­schie­de­nen Turn­übun­gen, die spä­ter in Jahns »Deut­sche Turn­kunst« dar­ge­stellt wurden. […]«
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, R. Schil­ling, Schö­ningh 2002, S. 37)

His­to­ri­ker sind sich einig, dass es vor allem den kom­mu­ni­ka­ti­ven Fähig­kei­ten Frie­sens zu ver­dan­ken war, dass das gemein­sa­me Wir­ken mit Jahn in die­sen Jah­ren erfolg­reich war. »[…] Sein ver­bind­li­ches und elo­quen­tes Auf­tre­ten nebst sei­nen intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten sicher­te ihm die Sym­pa­thie sei­ner Gesprächspartner. […]«
(Vergl. »Kriegs­hel­den«, R. Schil­ling, Schö­ningh 2002, S. 37)

Mit die­sen Vor­zü­gen konn­te er Jahns impul­si­ves, zuwei­len rohes, jäh­zor­ni­ges und oft lei­den­schaft­li­ches Auf­tre­ten glät­ten. Von exzel­len­ter Bedeu­tung war eine durch die bei­den Män­ner ver­fass­te Denk­schrift »Ord­nung und Ein­rich­tung der deut­schen Bur­schen­schaf­ten«, die kon­zep­tio­nel­le und ideo­lo­gi­sche Grund­la­ge für die sich zwi­schen 1814 und 1819 ent­wi­ckeln­de »Deut­sche Bur­schen­schaft«.
(Vergl. Peter Brandt, Habi­li­ta­ti­ons­schrift der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Ber­lin 1988: Stu­den­ti­sche Lebens­form und Natio­na­lis­mus, S. 204 ff.)

Mili­tär und Tod

Es brauch­te erst die Nie­der­la­ge Napo­leóns in Russ­land, die »Kon­ven­ti­on von Tau­rog­gen«, den Gene­ral Yorck und Clau­se­witz bis zum Auf­ruf »An mein Volk« vom 17. März 1813, um Preu­ßens Staats­bür­ger zu den Waf­fen zu rufen.

Auf­ruf F. W. III. »An mein Volk«, den 17. März 1813

Frie­sen und Jahn folg­ten und initi­ier­ten als­dann die Bil­dung einer preu­ßi­schen Frei­schar, die nach Gesprä­chen mit dem preu­ßi­schen Staats­se­kre­tär Carl August von Har­den­berg (*1750; †1822) vom König von Preu­ßen unter dem Namen König­lich Preu­ßi­sches Frei­korps als regu­lä­re Trup­pe des preu­ßi­schen Hee­res auf­ge­stellt wur­de. Grund­la­ge für die Auf­stel­lung die­ses und wei­te­rer Frei­korps war die Aller­höchs­te Kabi­nett Order (AKO) vom 3. Febru­ar 1813 über die Auf­stel­lung frei­wil­li­ger Jägerdetachements.

Lud­wig Adolf Wil­helm Frei­herr von Lüt­zow (*1782; †1834) über­nahm die Bil­dung und Füh­rung der Trup­pe und war dann auch der Namens­ge­ber der »Lüt­zower Jäger«. Frie­sen und Jahn betei­lig­ten sich an der Auf­stel­lung in Bres­lau. Am 19. Febru­ar tra­ten bei­de der »Schwar­zen Schar« bei. Die­ser Umstand wur­de auch u. a. durch August Graf Neid­hardt von Gnei­se­nau (*1760; 1831) beach­tet und in einem Brief an den Kam­mer­ge­richts­rat Eichorn vom 19. März 1813 sehr empa­thisch gewürdigt.

»[…] Mein treu­er Freund! Es ist eine gro­ße her­zer­he­ben­de Zeit. Ich habe Eckardt, Jahn, Frie­sen, Jahn­ke usw. in ihrer Mili­tär­klei­dung gese­hen! Es wird mir schwer, mich der Trä­nen zu ent­hal­ten, wenn ich all die­sen Edel­mut, die­sen hohen deut­schen Sinn gewahr werde. […]«
(Vergl. Gnei­se­nau — Ein Leben in Brie­fen, Hg. Dr. Karl Grie­wank, Köh­ler & Ame­lang /​Leipzig, S. 214)

Ein­seg­nung der Frei­wil­li­gen — Quel­le: Wikipedia

Frie­sen dien­te als Kaval­le­rist in den Kam­pa­gnen des Befrei­ungs­krie­ges, avan­cier­te zum Lieu­ten­ant. Nach­dem der Dich­ter Karl Theo­dor Kör­ner (*1791; 1813) wäh­rend eines Über­falls auf eine fran­zö­si­sche Nach­schub­ein­heit in der Nähe von Wöb­be­lin am Mor­gen des 27.08.1813 töd­lich getrof­fen wur­de, nahm Frie­sen des­sen Platz als Lüt­zows Adju­tant ein. (Trotz zahl­rei­cher Augen­zeu­gen ist bis zum heu­ti­gen Tag nicht alles über Kör­ners Tod bekannt.)

Spä­ter dann wird Frie­sen den im Ver­lau­fe des Befrei­ungs­krie­ges fort­schrei­ten­den Bedeu­tungs­ver­lust und den Ver­lust der Selbst­stän­dig­keit der Frei­schar in einer Denk­schrift – im Sep­tem­ber 1813 – publi­zie­ren. Näm­lich die »Ursa­chen des seit län­ge­rer Zeit so häu­fig gewor­de­nen Zurück­tre­tens vom Lüt­zow­schen Freikorps«.

Unter dem 19. Janu­ar 1814 wur­de das Frei­korps schritt­wei­se auf­ge­löst und die Ein­hei­ten der Artil­le­rie, Kaval­le­rie und Infan­te­rie preu­ßi­schen Lini­en­trup­pen zuge­teilt. Frie­sen blieb unter Waf­fen. Die ver­bün­de­ten Trup­pen ope­rier­ten im Jahr 1814 gegen Napo­lé­on bereits in Frankreich.

Bei Gefechts­hand­lun­gen in der Nähe von Reims wur­de Frie­sen von sei­ner Trup­pe getrennt und im Kampf gegen fran­zö­si­sche Natio­nal­gar­dis­ten am 15. März 1814 im Wald von Huil­leux beim Dorf La Lob­be in den Arden­nen getö­tet. Der enge Freund Frie­sens, August von Vie­ting­hoff, fand als preu­ßi­scher Besat­zungs­of­fi­zier in Frank­reich des­sen Grab­stät­te und über­führ­te sei­ne Gebei­ne über vie­le jah­re­lang dau­ern­de Sta­tio­nen hin­weg in die Heimat.

Die Beer­di­gung von Karl Fried­rich Frie­sen fand auf dem Inva­li­den­fried­hof in Ber­lin dann am 15. März 1843 statt.

[…] Frie­sens Gebei­ne wur­den aus Vie­ting­s­hoffs Woh­nung nach dem Inva­li­den­haus über­führt und in einem offe­nen Sarg dort auf­ge­bahrt, wo ihnen auch der Kriegs­mi­nis­ter Boy­en die letz­te Ehre erwies. […]
(Vergl. Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Olden­bourg, S. 22)

Grab­kreuz Karl Fried­rich Frie­sen Quel­le: Th. Zitelmann


Auf dem Kreuz ist zu lesen:

Fried­rich Friesen,
Lieu­ten­ant und Adju­tant im ehem. Lüt­zow­schen Freikorps,
geb. d. 25. Sep. 1784 in Mag­de­burg, geblie­ben d. 16. März 1814,
bei La Lob­be in Frankreich
***
Die Ueber­res­te des­sel­ben wur­den auf sei­nen frü­he­ren Wunsch aus Frank­reich hier­her­ge­führt und am
15. März 1843 hier bestattet

Anla­ge: Stamm­baum Friesen

(Vergl. Fried­rich Frie­sen — Ein poli­ti­sches Lebens­bild, E. Rund­na­gel, Mün­chen & Ber­lin 1936, Ver­lag R. Oldenbourg,
S. 172)

Ein Kommentar

  • Matthias Köcher

    Eine star­ke Per­sön­lich­keit, der viel zu früh gefal­len im Befrei­ungs­krie­ge gegen Napo­le­on sein Leben gab.
    In die­sem Jahr vor 240 Jah­ren in Mag­de­burg geboren .

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