Friedrich Friesen — Ein deutscher Patriot
»Der größte Staat sey schwach, der ungezählte Heere, Doch keine Patrioten hat.«
(Johann Peter Uz [*3. Oktober 1720 in Ansbach; †12. Mai 1796 ebenda] war ein deutscher Dichter.)
Das Jahr 2024 legt uns zwei Daten nahe, die sich auf das o. g. Zitat geradlinig beziehen könnten. Ein bedeutender Magdeburger Bürger des 19. Jahrhunderts, Karl Friedrich Friesen, wurde am 25. September 1784 in Magdeburg geboren und blieb als Lieutenant und vormaliger Adjutant im Lützower Freikorps am 16. März 1814 bei La Lobbe in Frankreich.
In der nachfolgenden Arbeit wollen wir uns mit Leben und Wirken Friesens und dessen Bedeutung für unsere heutige Zeit beschäftigen. Zu untersuchen wäre, ob diese historische Gestalt für uns, aber vor allem für die junge deutsche Generation heute von Bedeutung sein kann.
Karl Friedrich Friesen, der mit Beginn des 19. Jahrhunderts zum Kämpfer avancierte, besitzt Strahlkraft – mal vergessen, mal missbraucht – bis in unsere Tage.
Friedrich Ludwig Jahn (*11. August 1778; †15. Oktober 1852) formulierte 1817:
»Wie Scharnhorst unter den Alten, so ist Friesen unter der Jugend der Gröseste aller Gebliebenen«
Die Zeit heute gebietet uns, sich mit diesem Mann zu beschäftigen, den wir wahrhaft einen Patrioten (»… loyaler und uneigennütziger Liebhaber und Verteidiger seines Landes und seiner Interessen …«) nennen können.
Warum sollten wir uns heute mit dem Begriff Patriot an sich und seiner Bedeutung für den deutschen Bürger auseinandersetzen?
Der gegenwärtige deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat anlässlich der Bundeswehrtagung am 9. November 2023 die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien vorgestellt. Sie schließen unmittelbar an die Nationale Sicherheitsstrategie an und geben die strategischen Prioritäten der integrierten Verteidigungspolitik vor.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr Breuer ergänzte daraufhin:
»Deutschland und seine Verbündeten müssen sich wieder mit einer militärischen Bedrohung durch einen ebenbürtigen Gegner auseinandersetzen. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien bilden das Fundament für unsere künftigen militärischen Fähigkeiten. Sie sind die Leitplanken für unsere Strukturen, Führungskultur, Personalgewinnung, Ausrüstung und Ausbildung. Auf ihrer Grundlage formen wir ein neues gemeinsames Selbstverständnis von Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit.«
(Vergl. bmvg.de)
Im Disput der Politiker, der Wissenschaftler und der Medien spielen vorrangig drei Schwerpunkte eine dominierende Rolle:
1. Das notwendige Material zur Führung von Kampfhandlungen.
2. Die notwendige Ausbildung der Soldaten.
3. Die Rekrutierung von Soldaten, die für einen Krieg unabkömmlich sind.
Eine der wichtigsten Fragen allerdings, die Frage der notwendigen und zu erwartenden Kampfmoral der Truppe – in einem zukünftigen Krieg – wird öffentlich nicht zur Debatte gestellt.
Wir vermissen hier jedoch die Auseinandersetzung mit der Kampfmoral deutscher Soldaten, die zu erwarten ist und die eine entscheidende Rolle in einem möglichen Krieg spielen würde. Denn: »Si vis pacem para bellum« »Wenn du [den] Frieden willst, bereite [den] Krieg vor.« Daher der vom BMVg in das Gespräch gebrachte Begriff von der Kriegstüchtigkeit, die in allernächster Zukunft zu erreichen ist.
Die Ereignisse des gegenwärtigen Verteidigungskrieges der Ukraine gegen die Russische Föderation zeigen uns ganz deutlich, dass die drei o. g. Hauptfragen eine gewichtige Rolle spielen. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass in diesem Krieg vor allem der Verlust an Menschen und Material womöglich dessen Ausgang dominieren wird.
An dieser Stelle können wir uns Clausewitz zuwenden.
Clausewitz beschreibt in »Vom Kriege« dieses Phänomen folgendermaßen:
»[…] Der Verlust an physischen Streitkräften ist nicht der einzige, den beide Teile im Verlauf des Gefechts erleiden, sondern auch die moralischen werden erschüttert, gebrochen und gehen zu Grunde. […] Die moralischen Kräfte sind es vorzugsweise, welche hier entscheiden, und sie waren es allein in allen Fällen, wo der Sieger ebensoviel verloren hatte als der Besiegte. […]«
(Quelle: Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, 4. Buch, Kap. 4, S. 228)
Dabei war bereits in den ersten Kriegstagen die außerordentlich hohe moralische Potenz des ukrainischen Staatsvolkes und seiner Armee zu beobachten.
»[…] Ein Heer, welches in dem zerstörendsten Feuer seine gewohnten Ordnungen behält, welches niemals von einer eingebildeten Furcht geschreckt wird und der gegründeten den Raum Fuß für Fuß streitig macht, stolz im Gefühl seiner Siege, auch mitten im Verderben der Niederlage die Kraft zum Gehorsam nicht verliert, nicht die Achtung und das Zutrauen zu seinen Führern, dessen körperliche Kräfte in der Übung von Entbehrung und Anstrengung gestärkt sind wie die Muskeln eines Athleten, welches diese Anstrengungen ansieht als ein Mittel zum Siege, nicht als einen Fluch, der auf seinen Fahnen ruht, und welches an alle diese Pflichten und Tugenden durch den kurzen Katechismus einer einzigen Vorstellung erinnert wird, nämlich die Ehre seiner Waffen, – ein solches Heer ist vom kriegerischen Geiste durchdrungen. […]«
(Quelle: Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 170)
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist folgende: Werden deutsche Soldatinnen und Soldaten in ihrer Gesamtheit das notwendige Durchhaltevermögen auch bei lang anhaltenden Gefechten mit hohen sanitären und letalen Verlusten leisten können?
Über Geist und Moral von Staat und Volk – unter diesen möglicherweise eintretenden Erscheinungen – sprechen gegenwärtig Politiker, Wissenschaftler und Medien nicht in aller Offenheit!
Das nehmen wir zum Anlass, uns mit Karl Friedrich Friesen, dem deutschen Patrioten, der am Anfang des 19. Jahrhunderts gelebt, gelehrt, gekämpft hat und für ein freies Deutschland gefallen ist, ausführlich zu beschäftigen.
Friesen-Biographie
Der Schrifttumsnachweis zu dieser Frage erscheint uns heute als sehr umfangreich. Die wohl aussagekräftigste Biographie stellt der Lebensbericht Friesens, die der Magdeburger Staatsarchivrat Dr. Erwin Rundnagel (*1905 Posen; †1938 Magdeburg) im November 1935 veröffentlichte.
Rundnagel bedankt sich im Vorwort seines Buches »Friedrich Friesen – Ein politisches Lebensbild« beim damaligen Oberbürgermeister Magdeburgs, Dr. jur. Fritz August Wilhelm Markmann (*23.09.1899 Perleberg; †13.03.1949 Ebstorf/Uelzen) für dessen tatkräftige Unterstützung. Hier kann eine mögliche Nähe Rundnagels zum Nationalsozialismus nahe- gelegt werden, da Markmann seit 1931 Mitglied der NSDAP war.
Markmann folgte auf Ernst Reuter (*29. Juli 1889; †29. September 1953). Der Sozialdemokrat Ernst Reuter war seit 1931 Oberbürgermeister von Magdeburg und seit 1932 Reichstagsabgeordneter. 1933 wurde er aus seinen Ämtern entlassen und bis Herbst 1934 zweimal in das KZ Lichtenburg eingewiesen. Obwohl man Rundnagels Schrift eine gewisse zeitgemäße Überzeichnung Friesens unterstellen kann, fehlen jedoch national-sozialistische Ideologie und Propaganda. Wir erlauben uns daher, im Weiteren eng an Rundnagels Werk angelehnt zu dokumentieren.
Frühe Jahre
Friedrich Friesen wurde als uneheliches Kind seiner aus Berlin stammenden Mutter Marie Luise Lange – nachmalige Grameke – (*1747; †1813) in Magdeburg geboren. Johann Friedrich Friesen (*1739; †1793) heiratete Luise Lange in zweiter Ehe am 21. September 1788 und nahm deren Sohn per matrimonium subsequens an Kindes statt an.
Der Stiefvater Friesens war ein gedienter Feldwebel, der um 1771 in den Dienst der Magdeburger Zollverwaltung trat und dort als »Estimateur« bis zu seiner Pensionierung sein Geld verdiente. Auf Friedrichs Erziehung hatte er wohl wenig Einfluss, da er früh verstarb. Es war Luise, die Mutter, die den Sohn bis 1813 liebevoll betreute. Friesen »[…] verdankte der wackeren Mutter unendlich viel […]«, wie er mehrfach betonte.
(Vergl. »Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild«, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg, S. 9)
Die ersten Jahre seines Lebens verlebte Friesen in den engen Straßen der Festung Magdeburg, in der damaligen Altstadt, mit ihrem imposanten Dom. Die Magdeburger Kinder, darunter unser Friesen, litten unter der Enge der Festung,
»[…] denn das Feld lag zu weit hinter den vielen Schanzen und Festungswällen der Stadt, für das Bübchen ein unbekanntes Land […]«,
wie Johannes Heinrich Daniel Zschokke (*1771; †1848), ein Magdeburger Dichter, die Begebenheiten schilderte. Dafür aber wussten sich die Knaben durch wilde Spiele schadlos zu halten, wobei ihnen das militärische Treiben in ihrer Umgebung als Vorbild diente. Damals lebten neben 34.451 Zivilisten noch rund 6.782 (1798) Militärs in der Feste Magdeburg.
(Vergl. »Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild«, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg, S. 10. Zu Zahlenangaben Johann Christian Friedrich Berghauer »1800«, S. 222 bis 223)
Friesen trug von den damaligen »Strassenkämpfen« ein bleibendes Andenken davon. Eine Stirnwunde am Schädel über dem rechten Auge half später, seine Leiche durch August v. Viettinghoff (*1783; †1847), einen Freund Friesens, zu identifizieren. Doch darüber wird noch zu berichten sein. Der junge Friesen unternahm Wanderungen, konnte schwimmen und Schlittschuh laufen.
Es ist nicht überliefert, welche Schule Friesen in Magdeburg besuchte. Da Friesen weder Latein noch Griechisch verstand, ist naheliegend, dass er wahrscheinlich die Altstädter Bürgerschule zu Magdeburg besuchte. Dort wurden ihm vorzügliche Kenntnisse in der Mathematik, den Naturwissenschaften, in der Völker- und Länderkunde sowie in der »Kriegswissenschaft« vermittelt. Auch die französische Sprache war Friesen nicht unbekannt. Seine deutsche Ausdrucksweise war einfach. »[…] das durch seine Einfachheit, durch Anmut und Schönheit, Richtigkeit und Tiefe des Gedankens jeden einnahm. […]«
(Vergl. Zitat nach C. H. Harnisch (*1787; †1864), in Friedrich Friesen, Dr. Carl Euler, Bln. 1885, K. Schmidt, S. 6)
Offensichtlich hatte es Friesen dem Pfarrer und Konsistorialrat G. Samuel Albert Mellin (*1755; †1825), der ihn konfirmierte, zu verdanken, dass er philosophisch denken lernte. Mellin war ein damaliger Kenner der Schriften Kants. Möglicherweise führte dieser Einfluss den jungen Friesen später in Berlin in Fichtes Nähe.
Mellin, der auch als Generalbaudirektor an der Wiederherstellung des Doms zu Magdeburg arbeitete, führte Friesen auch zum Baufach hin. Später wird er an der Bauakademie in Berlin studieren.
(Vergl. »Kriegshelden«, R. Schilling, Schöningh 2002, S. 37)
Bei Rundnagel lesen wir über den jungen Friesen:
»[…] Schon äußerlich überragte er an Größe seine Altersgenossen. Auch geistig übertraf er sie durch seine Verstandsgaben; […] So hatten die Kameraden Achtung, […] innerlich blieb er einsam; einen wirklichen Freund fand er, der Frühgereifte, unter ihnen nicht. […]«
(Vergl. Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg, S. 12)
Viel mehr wissen wir über den jungen Friesen nicht. Erst um 1807, als Helfer Humboldts, taucht er wieder deutlich in den Annalen für unsere Geschichte auf.
Friesens Zeit in Berlin
Im Jahr 1800 verließ Friesen mit seiner Mutter – von Hause aus eine Berlinerin – Magdeburg und übersiedelte nach Berlin. Dort begann er ein Studium an der neuen Berliner Bauakademie und wurde 1802 als Bauconducteur examiniert, was einem niederen Baubeamten gleichkam. Das kleine, vom Vater hinterlasse Vermögen gestattete ihm, sein Studien fortzusetzen. (Betreffs Jahreszahlen, z. B. 1802: In der Literatur treffen wir auf unterschiedliche Angaben)
»[…] Er gehörte jedoch zu jenen Studierenden, die Schiller den Brotstudenten gegen- überstellt als die philosophischen Köpfe, deren Ziel nicht ein enges Fachwissen und baldige Verdienstmöglichkeit, sondern eine allumfassende Bildung ist. […]«
(Vergl. Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg, S. 22)
So hörte Friesen Vorlesungen in Geographie, Architektur, Mathematik und Technik an der Berliner Akademie und lernte viele Geistesgrößen Berlins kennen. Herausragend dabei Johann Gottlieb Fichte (*1762; †1814). Mit Johann August Zeune (*1778; †1853) – dem Geographen und Sprachforscher – war der junge Studiosus eng befreundet.
Alexander von Humboldt (*1769; †1859) nahm Friesen von 1806 bis 1808 zu sich und beauftragte ihn, Pläne und Profile für den »Mexikanischen Atlas« zu zeichnen und ließ ihn teilhaben an seinen physikalischen Beobachtungen. Außerdem wurde er zur Begutachtung von Kunstwerken herangezogen.
(Vergl. »Turnen ist mehr — …, Hg. Krüger & Stein, Bd. 1, Hildesheim 2014, S. 49)
In Berlin interessierte sich Friesen, wohl unter dem Einfluss Humboldts, für die Lehre des Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (*1746; †1827). Fichte, Humboldt und Pestalozzi waren auch die Männer, die mit ihrem Wirken den jungen Friesen zur Pädagogik hin führte. Ab 1808 treffen wir ihn als Lehrer für naturwissenschaftliche Fächer und Turnen an der Plamann´schen Anstalt. (Die Plamannsche Erziehungsanstalt war ein Knabeninternat in Berlin. Die Anstalt des Pädagogen Johann Ernst Plamann, die 1805 gegründet wurde, war geprägt von den Grundsätzen Johann Heinrich Pestalozzis, verbunden mit eifriger Pflege des Turnens und körperlicher Abhärtung.)
Hier konnte Friesen vor allem seinen Neigungen zur körperlichen Betätigung nachgehen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten bei dem ihm anvertrauten Knaben entwickeln. Auch Johann Christoph Friedrich GutsMuths´ (*1759; †1839) Erkenntnisse über eine Wechselbeziehung von Körper und Geist inspirieren den jungen Lehrer in seiner Tätigkeit. Diese Intentionen spiegeln sich in Friesens Wirken in den Jahren von 1808 bis zu seinem frühen Tod deutlich wider.
In seinem Unterricht widmete er sich »[…] Versuchen zur Erweiterung des Gymnastikunterrichts. Als ausdauernder Schwimmer, gewandter Fechter und Reiter war er wie kaum ein anderer geeignet, der körperlichen Erziehung einen militärischen Charakter zu geben. […]«
(Vergl. »Geschichte der Körperkultur in Deutschland 1789 — 1917«, Sportverlag Berlin, 1965, S. 60)
Unter Mitwirkung patriotisch gesinnter Männer erfolgte 1808 die Gründung der Fechtergesellschaft der Märkisch-Berlinischen »Kammer« des Tugendbundes (Gesellschaft zur Uebung öffentlicher Tugenden), einer Geheimgesellschaft mit nationalistischer Ausrichtung und damit einer vergleichbaren Ausrichtung wie die spätere Turnerbewegung. Prägende Kraft in der Gesellschaft war der Magdeburger Friedrich Friesen als Lehrer an der Plamann’schen Anstalt. Er war mit dem Berliner Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen (*1792; †1846) maßgeblich für die Konsolidierung der verschiedenen Fechtstile zu einer Systematik (Schule) verantwortlich.
(Vergl. http://www.fechtsaal.de/media/blogs/de//1818EiselenHiebfechtenv1_0.pdf)
Nach der katastrophalen Niederlage Preußens 1806 gegen Napoléon entstanden im Zuge der preußischen Reformen verschiedene Vereine, wie der o. g. Tugendbund, die sich in welcher Form auch immer politisch betätigten. Prominente Vertreter waren darin die Majore von Boyen und Grolman.
Der Bund, gegründet 1808 in Königsberg, wurde anfangs durch Kabinetts-Bescheid F. W. III. vom 30. Juni 1808 sanktioniert. Später dann unter dem Druck Napoléons am 31. Dezember 1809 aufgelöst. Unter den fünf Wirkungsbereichen des Bundes finden wir u. a. die Fächer »Erziehung« und »Volksbildung«. Hier fanden Friesen und Genossen die Bestätigung für ihre Bestrebungen, die männliche Jugend physisch, aber auch geistig und vor allem patriotisch zu bilden und zu erziehen.
In dieser Zeit lernte Friesen Friedrich Ludwig Jahn (*1778; †1852) kennen. Zwischen beiden Männern entwickelte sich eine Freundschaft, in der Jahn von der Zusammenarbeit mit Friesen profitieren konnte. Seiner Arbeit ist es vornehmlich zu verdanken, dass sich 1810 das Turnwesen entwickeln konnte. »[…] Gemeinsam mit Jahn entwickelte er die verschiedenen Turnübungen, die später in Jahns »Deutsche Turnkunst« dargestellt wurden. […]«
(Vergl. »Kriegshelden«, R. Schilling, Schöningh 2002, S. 37)
Historiker sind sich einig, dass es vor allem den kommunikativen Fähigkeiten Friesens zu verdanken war, dass das gemeinsame Wirken mit Jahn in diesen Jahren erfolgreich war. »[…] Sein verbindliches und eloquentes Auftreten nebst seinen intellektuellen Fähigkeiten sicherte ihm die Sympathie seiner Gesprächspartner. […]«
(Vergl. »Kriegshelden«, R. Schilling, Schöningh 2002, S. 37)
Mit diesen Vorzügen konnte er Jahns impulsives, zuweilen rohes, jähzorniges und oft leidenschaftliches Auftreten glätten. Von exzellenter Bedeutung war eine durch die beiden Männer verfasste Denkschrift »Ordnung und Einrichtung der deutschen Burschenschaften«, die konzeptionelle und ideologische Grundlage für die sich zwischen 1814 und 1819 entwickelnde »Deutsche Burschenschaft«.
(Vergl. Peter Brandt, Habilitationsschrift der Technischen Universität Berlin 1988: Studentische Lebensform und Nationalismus, S. 204 ff.)
Militär und Tod
Es brauchte erst die Niederlage Napoleóns in Russland, die »Konvention von Tauroggen«, den General Yorck und Clausewitz bis zum Aufruf »An mein Volk« vom 17. März 1813, um Preußens Staatsbürger zu den Waffen zu rufen.
Friesen und Jahn folgten und initiierten alsdann die Bildung einer preußischen Freischar, die nach Gesprächen mit dem preußischen Staatssekretär Carl August von Hardenberg (*1750; †1822) vom König von Preußen unter dem Namen Königlich Preußisches Freikorps als reguläre Truppe des preußischen Heeres aufgestellt wurde. Grundlage für die Aufstellung dieses und weiterer Freikorps war die Allerhöchste Kabinett Order (AKO) vom 3. Februar 1813 über die Aufstellung freiwilliger Jägerdetachements.
Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von Lützow (*1782; †1834) übernahm die Bildung und Führung der Truppe und war dann auch der Namensgeber der »Lützower Jäger«. Friesen und Jahn beteiligten sich an der Aufstellung in Breslau. Am 19. Februar traten beide der »Schwarzen Schar« bei. Dieser Umstand wurde auch u. a. durch August Graf Neidhardt von Gneisenau (*1760; †1831) beachtet und in einem Brief an den Kammergerichtsrat Eichorn vom 19. März 1813 sehr empathisch gewürdigt.
»[…] Mein treuer Freund! Es ist eine große herzerhebende Zeit. Ich habe Eckardt, Jahn, Friesen, Jahnke usw. in ihrer Militärkleidung gesehen! Es wird mir schwer, mich der Tränen zu enthalten, wenn ich all diesen Edelmut, diesen hohen deutschen Sinn gewahr werde. […]«
(Vergl. Gneisenau — Ein Leben in Briefen, Hg. Dr. Karl Griewank, Köhler & Amelang /Leipzig, S. 214)
Friesen diente als Kavallerist in den Kampagnen des Befreiungskrieges, avancierte zum Lieutenant. Nachdem der Dichter Karl Theodor Körner (*1791; †1813) während eines Überfalls auf eine französische Nachschubeinheit in der Nähe von Wöbbelin am Morgen des 27.08.1813 tödlich getroffen wurde, nahm Friesen dessen Platz als Lützows Adjutant ein. (Trotz zahlreicher Augenzeugen ist bis zum heutigen Tag nicht alles über Körners Tod bekannt.)
Später dann wird Friesen den im Verlaufe des Befreiungskrieges fortschreitenden Bedeutungsverlust und den Verlust der Selbstständigkeit der Freischar in einer Denkschrift – im September 1813 – publizieren. Nämlich die »Ursachen des seit längerer Zeit so häufig gewordenen Zurücktretens vom Lützowschen Freikorps«.
Unter dem 19. Januar 1814 wurde das Freikorps schrittweise aufgelöst und die Einheiten der Artillerie, Kavallerie und Infanterie preußischen Linientruppen zugeteilt. Friesen blieb unter Waffen. Die verbündeten Truppen operierten im Jahr 1814 gegen Napoléon bereits in Frankreich.
Bei Gefechtshandlungen in der Nähe von Reims wurde Friesen von seiner Truppe getrennt und im Kampf gegen französische Nationalgardisten am 15. März 1814 im Wald von Huilleux beim Dorf La Lobbe in den Ardennen getötet. Der enge Freund Friesens, August von Vietinghoff, fand als preußischer Besatzungsoffizier in Frankreich dessen Grabstätte und überführte seine Gebeine über viele jahrelang dauernde Stationen hinweg in die Heimat.
Die Beerdigung von Karl Friedrich Friesen fand auf dem Invalidenfriedhof in Berlin dann am 15. März 1843 statt.
[…] Friesens Gebeine wurden aus Vietingshoffs Wohnung nach dem Invalidenhaus überführt und in einem offenen Sarg dort aufgebahrt, wo ihnen auch der Kriegsminister Boyen die letzte Ehre erwies. […]
(Vergl. Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg, S. 22)
Auf dem Kreuz ist zu lesen:
Friedrich Friesen,
Lieutenant und Adjutant im ehem. Lützowschen Freikorps,
geb. d. 25. Sep. 1784 in Magdeburg, geblieben d. 16. März 1814,
bei La Lobbe in Frankreich
***
Die Ueberreste desselben wurden auf seinen früheren Wunsch aus Frankreich hierhergeführt und am
15. März 1843 hier bestattet
Anlage: Stammbaum Friesen
(Vergl. Friedrich Friesen — Ein politisches Lebensbild, E. Rundnagel, München & Berlin 1936, Verlag R. Oldenbourg,
S. 172)
Ein Kommentar
Matthias Köcher
Eine starke Persönlichkeit, der viel zu früh gefallen im Befreiungskriege gegen Napoleon sein Leben gab.
In diesem Jahr vor 240 Jahren in Magdeburg geboren .