Friesen als patriotisch-wehrhafter Bürgerheld
»Ohne Schwung der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt entsteht kein heldenmäßiges Nationalheer«
[…] Mit diesem Fazit beendete 1813 ein unbekannter Autor in den »Deutschen Blättern« seine Werbung für den »preußischen Heldengeist« […]
(Vergl. »Kriegshelden«, R. Schilling, Schöningh 2002, S. 117, Anonymus, Ueber den preußischen Heldengeist .…)
Im Nordpark Magdeburgs, einem lange schon aufgelassenen städtischen Friedhof, steht ein bemerkenswertes Denkmal für Graf Lazare Nicolas Marguerite Carnot (*1753; †1823), der aus der französischen Revolution hervorgegangen, als republikanischer französischer Patriot, Minister und General, Mathematiker sowie Festungsbauer nach dem Sturz Napoléons nach Magdeburg emigrierte und hier auch begraben wurde.
Graf Carnot brachte die Deklaration der »Levée en masse« (frz. für »Massenaushebung«) unter dem Eindruck schwerer Niederlagen der jungen französischen Armee gegen die Koalitionstruppen in den Wohlfahrtsausschuss Frankreichs ein, die dann am 23. August 1793 im Nationalkonvent verabschiedet wurde.
Danach sollten
»[…] von diesem Moment an und bis alle Feinde vom Territorium der Französischen Republik vertrieben sind, alle französischen Personen in ständige Bereitschaft für den Dienst in der Armee versetzt werden. Die jungen Männer werden in den Kampf ziehen, verheiratete Männer werden Waffen schmieden und Vorräte transportieren; Frauen werden Zelte und Kleidung nähen und in den Hospitälern dienen; Kinder werden alte Wäsche auftrennen; alte Männer werden an öffentliche Plätze verbracht, um den Mut der Krieger zu erwecken und den Hass auf die Könige zu predigen und andererseits die Einheit der Republik […]«
(Vergl. leg-ego.eu/…/ambrogio-a-caiani-levée-en-masse)
Die Idee, die Forderung Carnots, war sinngemäß: »Agir toujours en masse« – in Massen handeln, keine Manöver mehr, keine Kriegskunst, sondern Feuer, Stahl und Vaterlandsliebe«
(Vergl. M. Howard »Krieg in der europäischen Geschichte: vom Mittelalter bis …«, S. 114)
Clausewitz erkannte unter dem Einfluss Scharnhorsts die gewaltige Kraft einer zu den Waffen gerufenen Nation und kam folgerichtig zu dem Schluss, dass das Ziel aller Reformen der »soldat citoyen«, der »Bürgersoldat«, versus der Staatsbürger in Uniform sein müsse. Für Preußen sah er hier die »Landwehr und den Landsturm« als politisches und militärisches Mittel einer Volksbewaffnung im Interesse der Landesverteidigung.
In der Folge der »Konvention von Tauroggen« (30. Dezember 1812), an deren Abschluss Clausewitz maßgeblich beteiligt war, forcierte General Yorck (*1759; †1830) auf Veranlassung Steins nach dem 22. Januar 1813 die Aufstellung einer Ostpreußischen Landwehr. Die von Clausewitz, Graf Dohna und Freiherr von Dörnberg ausgearbeiteten Entwürfe einer »Landsturm- und Landwehrordnung« wurden unter dem 5. Februar 1813 im Landtag in Königsberg durch Yorck vorgetragen und darauf folgend genehmigt. In den Tagen nach diesem denkwürdigen Datum traten rund 13.000 Mann als Reserve, 20.000 Mann Landwehr und 750 Mann zu Pferde freiwillig unter Gewehr. Sie bildeten die Reserve Yorcks.
(Vergl. Karl Lamprecht »Deutsche Geschichte Neueste Zeit« – Zweiter Band; Reprint 1907; S. 407)
Nahezu zeitgleich erschien Ernst Moritz Arndts Flugschrift, »Was bedeutet Landwehr und Landsturm«, welche sich schnell großer Resonanz erfreute. Dabei propagierte jener Arndt Zeit seines Lebens ein deutlich ablehnendes Verhältnis zum Judentum an sich. In der Flugschrift jedoch wendet er sich an »Teutsche Landsleute!« und ruft:
»[…] Ihr habt das Beispiel. Spanien und Russland gingen euch im Volkskriege voran, sie brauchten alle Kräfte gegen die tückischen Feinde […] Auf denn alle! Auf in Einmütigkeit, […]«
(Quelle: »Flugschriften« Reprint aus dem VDN)
Weiter vorn verwiesen wir bereits auf nachfolgenden Sachstand:
Der Lehrer und Freund Clausewitzs, Gerhard David von Scharnhorst (*1755; †1813) formulierte in den Schriften »Vorläufiger Entwurf der Verfassung der Reservearmee vom August 1807« und »Vorläufiger Entwurf zur Verfassung der Provinzialtruppen vom 15. März 1808«, jeweils im § 1 der Entwürfe:
»§ 1 Alle Bewohner des Staates sind geborene Verteidiger desselben.«
Beide Entwürfe forderten praktisch »die allgemeine Wehrpflicht«, was Gleichheit aller vor dem Gesetz bedeutet hätte.
(Vergl. Scharnhorst, »Ausgewählte militärische Schriften«, Militärverlag DDR, Uscek/Gudzent, S. 236 ff. und S. 243 ff.)
Hier treffen wir den »Bürgerhelden« Friesen wieder, der sich in schwerer Zeit als geborener Verteidiger seines Vaterlandes erwies, so wie von Scharnhorst gedacht. In seiner Zeit war die Auffassung gültig, dass ein solcher Held über eine Reihe von Fähigkeiten, wie Kenntnisse in Literatur, Sprachen, Geschichte, Naturwissenschaften, Mathematik, Handwerk, Musik und zeichnerische Qualitäten haben sollte. Es galt im Tenor der Aufklärung die Sinne zu bilden.
Friesen stellte in diesem Verständnis einen bemerkenswerten Sonderfall dar.
[…] Friedrich Friesen hatte auf Grund der beschränkten finanziellen Möglichkeiten seines kleinbürgerlichen Elternhauses nicht Latein und Griechisch lernen können, dennoch legte sein Biograph Harnisch (1787 — 1864) darauf Wert, daß “er doch der gebildetste, damit wir es undeutsch ausdrükken, der humanste Mann, ohne Humanoria getrieben zu haben”, gewesen sei. […]
(Vergl. »Kriegshelden«, Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813 – 1945, R. Schilling, F. Schöningh München. S. 61)
Hier in diesem Zusammenhang mit der Turnerbewegung, initiiert durch Jahn und Friesen, spielt der Körper des Menschen, respektive vorrangig des Mannes, eine herausragende Rolle. Jahn, Friesen, Eiselen und andere historische Personen, wie Gneisenau, Boyen und auch Pfuel* betrachteten das als Grundlage für den kämpferischen Charakter.
(*Ernst von Pfuel (*1779; †1866) preußischer General und Kampfgefährte Clausewitz´war Begründer des Militärschwimmsports.)
Geist, Körper, Stärke, Ausdauer, Kraft und Willen waren die kognitiven Eigenschaften, die der Vaterlandverteidiger in sich zu vereinen hatte. Friesen war hier nach Aussagen seiner Zeitgenossen ein wahres Vorbild.
[…] ein Meister des Schwertes, auf Hieb und Stoß, kurz, rasch, fest, fein, gewaltig und nicht zu ermüden, wenn seine Hand erst das Eisen faßte; ein kühner Schwimmer, dem kein deutscher Strom zu breit und zu reißend; ein reisiger Reiter in allen Sätteln gerecht […]
(Vergl. »Friedrich Friesen«, Carl Euler, Berlin 1885, S. 2)
Zusammen mit Körner stellte Friesen das Idealbild des gebildeten Bürgerhelden dar, der sich einem lebenslangen Bildungsprozess verschrieben hatte. Körner selber hatte im Gegensatz zu Friesen alle Voraussetzungen für eine ausgezeichnete Bildung genossen, gegeben durch seinen Vater, Christian Gottfried Körner (*1756; †1831) , der ein enger Freund Schillers war. Friesen hatte sich diesen Status hart erarbeiten müssen.
Die historische Praxis hatte bewiesen, dass dieses Deutungsmuster allerdings nicht nur auf das männliche Geschlecht zutraf.
Eine Definition des Begriffes »Held« gab Wilhelm Traugott Krug (*1770; †1842) in seinem »Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften«:
[…] Ein Held ist nicht bloß der tapfere Krieger, sondern der tapfere Mann überhaupt, der mit großen Hindernissen kämpft. […]
Krug war der Meinung, dass Tapferkeit eine allgemeine menschliche Tugend sei, und somit könne es nicht nur Helden, sondern auch Heldinnen geben.
(Vergl. W. T. Krug, Held, Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften .…, Bd. 2, Leipzig 1827,
S. 339)
Friesen selber hielt sich in seinem Wirken an Fichtes Gedanken, besonders hinsichtlich der Kräftigung der deutschen Jugend, deren Bildung und Erziehung sowie letztendlich der Nationalerziehung des deutschen Volkes. Am Ende seiner vierzehnten und letzten Rede an die Deutsche Nation ruft Fichte seinen Hörern zu:
[…] Jeder Deutsche, der noch glaubt, Glied einer Nation zu sein, der groß und edel von ihr denkt, auf sie hofft, für sie wagt, duldet und trägt, soll endlich herausgerissen werden aus der Unsicherheit seines Glaubens; er soll klar sehen, ob er recht habe oder nur ein Tor oder Schwärmer sei, er soll von nun an entweder mit sicherem und freudigem Bewußtsein seinen Weg fortsetzen, oder mit rüstiger Entschlossenheit Verzicht tun auf ein Vaterland hienieden und sich allein mit dem himmlischen trösten. […] Es ist aber kein Ausweg: wenn ihr versinkt, so versinkt die ganze Menschheit mit, ohne Hoffnung einer Wiederherstellung. […]
(Vergl. »Reden an die deutsche Nation« — Von Johann Gottlieb Fichte, Hg. Dr. M. Kronenberg, Strecker und Schröder, Stuttgart 1923, S. 209 und 225 bis 226)
Der Leser möge selber entscheiden, ob Fichtes Worte angesichts der Fremdherrschaft in Preußen aus der Zeit um 1808 — in Berlin standen damals französische Besatzungstruppen — für die heutige Zeit aktuell sein können? Fichtes Worte aus seiner ersten Rede, denen Friesen folgte, erscheinen angesichts einer erneuten Kriegsgefahr in Europa als sehr aktuell:
[…] als eine Wiederaufnahme und Fortsetzung der »Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters« […]
(Vergl. »Reden an die deutsche Nation« — Von Johann Gottlieb Fichte, Hg. Dr. M. Kronenberg, Strecker und Schröder, Stuttgart 1923, S. 6)
Während der napoléonischen Kriege, insbesondere in Preußen nach 1806 bis 1813 und darüber hinaus, zeigten sich die politischen Ambitionen dieser Bewegung immer deutlicher. Ziel war es, die »Teutsche Nation« und ein einheitliches Reich, möglichst unter preußischer Führung, herauszubilden. Das forderte die harten Reaktionen der »Karlsbader Beschlüsse« heraus, die über den gesamten Zeitraum des Vormärz — von 1815 bis 1848 — wirkten, die gegen liberale und nationalistische Bestrebungen gerichtet waren.
Die »Irrfahrt« Friesens Leichnams über 29 Jahre bis zu seiner Bestattung gehört zu den Resultaten dieser Erscheinungen. Alle Träume der gebildeten akademischen Jugend nach einer Nation mit einer liberalen Verfassung, für die sie auf den Schlachtfeldern von 1813 bis 1815 fochten, waren damit passé. So war der Gedanke der allseitigen und allgemeinen Menschenbildung, der sich besonders im Fach Turnen nach den Ideen Guths-Muths, Jahns und Friesens spiegelte, nicht mehr aufzuhalten. Aber auch hier wirkte noch lange Zeit der »Metternich-Geist« nach, der erst im Jahr 1848 überwunden war.
Gleichwohl setzte hier der Missbrauch der historischen Person Friesens durch deutsche Nationalisten im 19. und 20. Jhd. bis hin zum Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 an. Ursächlich hier die Schriften Jahns, »Die deutsche Turnkunst« und »Zum Deutschen Volkshtum« aus den Jahren 1816 und 1808, die sich mit einer völkisch-politischen Erziehung befassten. Dieses Werk Jahns umfasste dessen Gedanken zur politischen Ordnung, der Erziehung von Kindern bis hin zum privaten Leben der deutschen Bürger. Das Herausstellen einzelner Textpassagen, aus dem Kontext gerissen oder unvollständig dargestellt, kann zur Überbetonung der nationalistisch anmutenden Einlassungen Jahns führen.
Gleichwohl erscheint es dem Autor wichtig, gerade das zu dokumentieren, da besonders nachfolgende Textpassagen durch den Nationalismus, insbesondere den Nationalsozialismus, verfremdet und verhängnisvoll missbraucht wurden. »Das deutsche Volkstum«, dieses »hohe Lied von der deutschen Einheit«, das einst Blücher (*1742; †1819) das deutscheste Wehrbüchlein nannte, erlangte besonders nach 1870 wieder an Bedeutung. Jahn betrachtete darin die Reinheit (s)eines Volkes als »Urheit«:
[…] Ein Urvolk hat seinen Ursprung in sich und aus sich, […] Die Urheit ist eine Ahnenprobe der Völker und »deutsch« ist »urvolklich in höchster Bedeutung«, deutsch ist »urtüchtig, urtugendlich, urmenschlich«. […] Sie ist ein »heiliges Geheimnis wie Zeugung und Empfängnis«. Das Gegenteil der Urvölker sind Mangvölker, sie sind »Hurenkinder, an denen Gott nicht teil noch Gefallen hat«. Daraus versteht sich die Folgerung von selbst, »daß jeder echte Mann seinen künftigen Kindern eine Mutter aus seinem eigenen Volkstum zu geben bemüht sein muß. Jede andere Ehe ist tierische Paarung ohne Gattin«. […]
(Vergl. »Friedrich Ludwig Jahn als Begründer einer völkisch-politischen Erziehung«, HG. Dr. K. M. Bungardt, K. Triltsch Verlag Würzbuch, S. 29)
Inwieweit Friesen diesen ethnisch propagierten Nationalismus Jahns vollinhaltlich mit trug, ist schwer nachzuweisen, da er in diesen Dingen als moderat und zurückhaltend galt. Der von Friedrich Ludwig Jahn geprägte Begriff »Volksthum«, welcher die typischen Eigenheiten eines Volkes bezeichnen sollte, griff schnell um sich.. Das »Volk« wurde individualisiert.
Bemerkenswert hierbei ist die historische Tatsache, dass bereits zu Jahns und Friesens Zeiten das Gebiet »Teutschland« ein multietnisches und vielsprachiges Gebilde war.
Im angestrebten »Deutschen Reich«, welches sich 1871 verwirklichen sollte, so wie von den Burschenschaften erträumt, würden sich Deutsche, Polen, Litauer, Kaschuben, Masuren, Sorben, Elsässer, Lothringer, Wallonen, Dänen, 500.000 bis 600.000 deutsche Juden und im deutsche Gebiet lebende Sinti und Roma aufhalten und leben.
(Vergl. zitiert nach Schmalz-Jacobson & Hansen, »Zur Migrationsgeschichte«, 1997, S. 82 ff. bis 143)
Der pathetisch-agressive Sprachgebrauch Jahns, Arndts, Körners und anderer Protagonisten in der Zeit der napoléonischen Kriege gab Vorlagen für alle möglichen Nationalisten des 19. Jhd. sowie des beginnenden 20. Jhd und hatte seinen Höhepunkt in der Zeit von 1933 bis 1945. So konnte Goebbels in seiner Sportpalast-Rede von 1943, wo er zum »totalen Krieg« aufrief, den Freiheitshelden Theodor Körner zitieren:
Das Volk steht auf, der Sturm bricht los,
Wer legt noch die Hände feig in den Schoß?
Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,
Unter den Schranzen und unter den Zofen!
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht.
Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht
Und deutscher Wein erquickt dich nicht
Stoßt mit an
Mann für Mann,
Wer den Flamberg schwingen kann
Friesen, ein Offizier der Lützower Jäger, diente den Nationalsozialisten als Bürgerheld, der aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen zum Volkshelden emporwuchs.
[…] Friesen kam aus dem Volke«. Sein Aufstieg zum Helden, so lautete die Botschaft, war keiner besonderen Privilegierung zu verdanken, er war von Geburt her einer von vielen. Wenn Friesen ein Held geworden war, dann konnte jeder ein Held werden. […]
(Vergl. »Kriegshelden«, Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813 – 1945, R. Schilling, F. Schöningh München. S. 346)
Die Nationalsozialisten transformierten den heroischen Preußischen Wahlspruch »Mit Gott für König und Vaterland« der Lützower Jäger und Landwehrmänner der Jahre 1813 bis 1815 in »Führer Volk und Vaterland« um und schickten ca. 2 Millionen deutscher Soldaten in »Treu und Glaub« in den Tod. Mitte März 1945 fand noch einmal eine makabre Heldenverehrung zum Zwecke der Mobilisierung für den »totalen Krieg« statt.
Am Grab Körners in Wöbbelin – heute Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern (Deutschland) – versammelte man jugendliche »Panzergrenadiere«, um sie für den Endkampf zu vereidigen.
[…] Die Schüler wurden zur »Waffenübergabe an der Körnerstätte« zitiert und dort unter dem Gesang von “Kampfliedern” und Fackelschein für den Volkssturm vereidigt. […]
Die Zeitung »Niederdeutscher Beobachter« – ein Kampfblatt der NSDAP Mecklenburg – akklamierte pathetisch dazu:
[…] Das Deutsche Volk ist ein Volk von Helden geworden … Im Fackelschein glühen die Gesichter wie Bronze. Es ist, als sei die Vergangenheit aufgestanden, jung und siegesgewiß. […]
(Vergl. »Kriegshelden«, Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813 – 1945, R. Schilling, F. Schöningh München. S. 369)
Hier spiegelt sich die Anfälligkeit besonders der Jugend gegenüber jahrelanger Propaganda wider.
Die Bellifizierung der Jugend im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 und der damit verbundene Heldenkult führte geradewegs in ein tödliches Verderben.
Besonders bemerkenswert ist, dass sich zu diesem Zeitpunkt unweit von Körners Grab, das Konzentrationslager Wöbbelin als Außenlager des KZ Neuengamme befand.
In ähnlicher Art und Weise, allerdings nicht derartig drastisch, wurde der eher zufällige Tod Friesens in den Ardennen hochstilisiert.
[…] Seine Verdienste sah man in der Erweckung der deutschen Volkskraft in Preußen und Deutschland. Die daraus vermittelnde Zukunftsorientierung hieß persönlicher Einsatz für den Erhalt und die Stärkung des deutschen Nationalstaates. In diesem Zusammenhang sah man Friesen auch als Symbol und Mahnzeichen für die Einigkeit der Deutschen. […]
(Vergl. »Turnen ist mehr — …, Hg. Krüger & Stein, Bd. 1, Hildesheim 2014, S. 69)
Nach dem Ende des II. Weltkrieges, mit der Zerschlagung des Nationalsozialismus und der verordneten »Auflösung des Staates Preußen«, mit dem Potsdamer »Kontrollratsgesetz Nr. 46« vom 25. Februar 1947 endete auch das Deutungsmuster von Helden und Opfertod auf den deutschen Staatsgebieten. Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR war die seit der Mitte des 19. Jhd. praktizierte Erziehung zu Helden und deren Heldentod in deutlichen Misskredit gebracht. Allein schon der Begriff »Vaterland« und notfalls die Verteidigung dessen implizierte Kampf, Sterben, Töten und damit auch »Tod fürs Vaterland«. Bis in die Gegenwart hinein ist dieser Diskurs in der Öffentlichkeit mehr als belastet.
In der DDR entwickelte sich nach 1952 mit der späteren Bildung der NVA ein vorsichtiger Rückgriff auf die »Besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte« aus der Zeit der Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Namen wie Körner, Scharnhorst, Gneisenau, Schill und Lützow wurden aus der Versenkung hervorgehoben. Der Name Friesen spielte im Militär der DDR keine herausragende Rolle. Es wurden jedoch Stadien und Schwimmhallen nach ihm benannt.
Als Autor gestatte ich mir, in diesem Zusammenhang aus eigenem Erleben zu berichten. Mein Vater, damaliger Offizier der Grenztruppen der DDR, nahm mich als etwa zehn-jährigen Knaben mit zu einer Ehrung Körners bei Rosenow. An den Ort, wo Körner tödlich verwundet worden war. Die feierliche Ehrung Körners durch das Militär an dem dortigen Obelisken beeindruckte mich damals sehr und prägte mein ganzes späteres Leben.
In der NVA wurden in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Namen Schill, Lützow, Gneisenau und Clausewitz an Truppenteile und Verbände der NVA verliehen. Scharnhorst und Blücher wurde die Ehre zuteil, Ordensstifter für die NVA zu werden. Für die NVA, in der der Autor — 20 Jahre — diente, galt das Wort Friedrich Engels (*28.1820; † 1895):
[…] die ruhmreiche Zeit, wo die deutsche Nation seit Jahrhunderten wieder zum ersten Male sich erhob und auswärtiger Unterdrückung mit ihrer ganzen Kraft und Größe sich gegenüberstellte.[…]…als souveränes Volk auftraten, das war der höchste Gewinn jener Jahre, […]
(Marx/Engels, Gesamtausgabe, I.Abt., Bd. 2, S.98)
In der Bundesrepublik tat man sich hingegen schwer mit der Findung akzeptierter Traditionsnamen im öffentlichen Leben.
Kasernen wurden benannt und später im Verlaufe der Zeit unter öffentlichem Druck umgewidmet. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes mit 1990, rückte der kämpfende deutsche Soldat wieder in das Bewusstsein des »Vaterlandes«.
[…] Leutnant David Ferk hatte am 13. Juni 1999 in Prizren als erster deutscher Soldat nach 1945 in einem Gefecht den Befehl gegeben, das Feuer auf einen Menschen zu eröffnen. Zwei Serben starben im Kugelhagel. Für die beispielhafte Erfüllung der Soldatenpflicht wurde Ferk … das »Ehrenkreuz in Gold«, die höchste Auszeichnung der Bundeswehr, verliehen. […]
(Vergl. »Kriegshelden«, Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813 – 1945, R. Schilling, F. Schöningh München. S. 394)
Seit dem Jahr 1992 sind 37 Bundeswehrangehörige bei Auslandseinsätzen in Gefechten oder bei Anschlägen getötet worden. (Stand: Juli 2022).
(Quelle: www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/gedenken-tote-bundeswehr/todesfaelle-bundeswehr)
Rezeption, Ehrung und Gedenken ist teilweise der Bundeswehr selber überlassen. Die Öffentlichkeit ist mit wenigen Ausnahmen hingegen weitestgehendst ausgeklammert, und das kann nur schwer befriedigen.
[…] Seit dem 1. Oktober 2020 heißt eine unscheinbare Wiese im Bielefelder Stadtteil Brackwede nun doch Martin-Augustyniak-Platz. In Stadtallendorf wurde eine Straße nach Hauptmann Markus Matthes benannt, der 2011 in Afghanistan durch eine Sprengfalle ums Leben kam. Zwei Kasernen tragen die Namen von Bundeswehr-Gefallenen: die Major-Radloff-Kaserne in Weiden in der Oberpfalz und die Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne in Hannover. In Augustdorf wurde ein Lehrsaalgebäude nach Alexej Kobelew benannt. Sie alle ließen ihr Leben in Afghanistan. […]
(Vergl. www.reservistenverband.de/magazin-loyal/verstecktes-gedenken/)
Die gesellschaftliche Epoche des »Kalten Krieges« (1945 bis 1991), in der sich die machtpolitischen und ökonomischen Rivalitäten der USA und der UdSSR mit ihren geschaffenen Militärblöcken gegenüberstanden neigte sich 1991 dem Ende zu. In einer verhängnisvollen Fehleinschätzung beschloss der Deutsche Bundestag daraufhin rund 55 Jahre nach ihrer Einführung, am Donnerstag, dem 24. März 2011, die Allgemeine Wehrpflicht zum 1. Juli des Jahres auszusetzen.
Heute scheint es so, als ob Regierungen und demokratische Parteien von diesem Zeitpunkt an die Zukunft des Landes und der Menschen aus den Augen verloren haben, weil sie der irrigen Meinung waren, nur noch von Freunden umgeben zu sein. Die Aussetzung der Wehrpflicht war Teil einer angestrebten Streitkräftereform, mit der die Bundeswehr von rund 255.000 Soldaten auf bis zu 185.000 verkleinert werden sollte.
Mit dem Konflikt um die Ukraine, beginnend mit der Krim-Krise 2014/15 und nunmehr der russischen Invasion im Februar 2022, veränderte sich die politische Weltlage signifikant. Die alte Regel »si vis pacem, para bellum« von Marcus Tullius Cicero (*106 v. Chr.; †43 v. Chr.), d.h. frei übersetzt »Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg«, wurde spätestens am 24. Februar 2022 drastisch wieder ins politische Bewusstsein gerückt.
In den Morgenstunden des 24. Februar des Jahres 2022 überschreiten – auf Ukas des Präsidenten der Russischen Föderation – russische Streitkräfte von Norden, Osten und Süden die Staatsgrenze der souveränen Ukraine. Ohne Kriegserklärung, als »spezielle militärische Operation« deklariert, beginnt Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Staat und das Volk der Ukraine.
Bereits in den ersten Stunden dieses Krieges wird deutlich, dass dieser Waffengang, anders als 2014 bei der Krimoperation (1 Toter), erhebliche Verluste auf beiden Seiten haben wird. So wuchsen im Donbass die Todesopfer bis ins Jahr 2019 auf insgesamt 12.477 an. Im Jahr 2022 zu Beginn der Kampfhandlungen waren es schon rund 14.000. Nach Erfahrungen der Kriegsgeschichte werden die Verlustziffern in der Regel mit 1:3 – also drei Verwundete auf einen Toten – bemessen. Möglicherweise waren im dargestellten Zeitraum bereits rund 35.000 Menschen der Region verwundet, verletzt oder in einer anderen Weise in Mitleidenschaft gezogen worden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind womöglich auf beiden Seiten hunderttausende Menschen getötet worden. Der noch 2014 erscheinende »hybride Krieg« verwandelte sich mit 2022 zu einem wahrhaftigen Krieg.
Dazu Carl von Clausewitz:
[…] Ist nun das Ziel des kriegerischen Aktes ein Äquivalent für den politischen Zweck, so wird er im allgemeinen mit diesem heruntergehen, und zwar um so mehr, je mehr dieser Zweck vorherrscht; und so erklärt es sich, wie ohne inneren Widerspruch es Kriege mit allen Graden von Wichtigkeit und Energie geben kann, vom Vernichtungskriege hinab bis zur bloßen bewaffneten Beobachtung. […]«
(Quelle: Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, 1. Buch, Kap. 1, S. 26)
Die Clausewitzsche Sicht der Dinge erleben wir jedoch gegenwärtig in der reziproken Variante der Ereignisse. War die »Eroberung« der Krim durch das Herbeiführen eines gewollten Chaos eine Art der »bewaffneten Beobachtung«, so führte die gewaltsame Sezession des Donbass (2014) und dann der 24. Februar 2022 zum gegenwärtigen Vernichtungskrieg hin.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird am 27. Februar 2022, drei Tage nach Kriegsbeginn im Deutschen Bundestag formulieren:
[…] Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf, ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen. Das setzt eigene Stärke voraus. […]
(Quelle: www.bundesregierung.de)
Bereits ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine ist klar geworden, dass die Aussetzung der Wehrpflicht ein verhängnisvoller Fehler war.
[…] Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 als einen Fehler bezeichnet. „Die Aussetzung der Wehrpflicht war ein Fehler“, sagte er dem „Handelsblatt“. Sie sei aber nicht von heute auf morgen rückgängig zu machen. Die Bundeswehr habe dafür beispielsweise nicht ausreichend Kasernen oder Ausbildungspersonal. […]
Die Bundeswehr muss kriegstüchtig werden, ist die folgerichtige Schlußfolgerung, die nunmehr propagiert wird. Vielleicht wäre der Begriff wehrhaft besser gewesen!?
Dazu gehört auch die Herausbildung der nötigen körperlichen und mentalen Robustheit der Soldaten aller Kategorien, die in den letzten 20 Jahren verloren ging. Friesen wäre hier als Hinweis und Gedankenstütze zu nennen.
[…]Im Kalten Krieg galten Märsche unter 20 Kilometer als »Spaziergang«. Heute
nennt der Wehrbeauftragte der Bundeswehr in seinem Jahresbericht 2020 einen Eingewöhnungsmarsch von 2,5 Kilometern bei 28 Grad Sonnenwärme ernsthaft eine Tortur und einen Fall »überzogener Härte«.[…]
Vergl. »Deutsche Krieger« Sönke Neitzel, Propyläen 2020, S. 597 bis 598
In diesem Zusammenhang ist es lehrreich, sich immer wieder mit Clausewitz zu beschäftigen. Wir wiederholen uns hier an dieser Stelle, wie bereits weiter vorne zitiert:
[…] Der Verlust an physischen Streitkräften ist nicht der einzige, den beide Teile im Verlauf des Gefechts erleiden, sondern auch die moralischen werden erschüttert, gebrochen und gehen zu Grunde […] Die moralischen Kräfte sind es vorzugsweise, welche hier entscheiden, und sie waren es allein in allen Fällen, wo der Sieger ebensoviel verloren hatte als der Besiegte. […]«
(Quelle: Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, 4. Buch, Kap. 4, S. 228)
Wir müssen hier den zwangsläufigen Abnutzungsprozess der physischen Kräfte, der moralischen Standhaftigkeit sowie möglicherweise der ökonomischen Kräfte erkennen.
Darüber hinaus eine weitere fundamentale Clausewitz´sche Erkenntnis, die wir wiederholt zu berücksichtigen haben:
[…] Ein Heer, welches in dem zerstörendsten Feuer seine gewohnten Ordnungen behält, welches niemals von einer eingebildeten Furcht geschreckt wird und der gegründeten den Raum Fuß für Fuß streitig macht, stolz im Gefühl seiner Siege, auch mitten im Verderben der Niederlage die Kraft zum Gehorsam nicht verliert, nicht die Achtung und das Zutrauen zu seinen Führern, dessen körperliche Kräfte in der Übung von Entbehrung und Anstrengung gestärkt sind wie die Muskeln eines Athleten, welches diese Anstrengungen ansieht als ein Mittel zum Siege, nicht als einen Fluch, der auf seinen Fahnen ruht, und welches an alle diese Pflichten und Tugenden durch den kurzen Katechismus einer einzigen Vorstellung erinnert wird, nämlich die Ehre seiner Waffen, – ein solches Heer ist vom kriegerischen Geiste durchdrungen. […]
(Quelle: Carl von Clausewitz, »Vom Kriege«, Verlag MfNV Bln., 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 170)
Zurück zur Gegenwart.
[…] Das Verteidigungsministerium untersucht derzeit, ob es weiterhin bei der geplanten Verstärkung auf 203.000 Dienstposten für Soldatinnen und Soldaten (einschließlich Reservistenstellen) bleiben soll. Allerdings hat die Truppe derzeit um die 184.000 aktive Soldatinnen und Soldaten und verzeichnet keinen wirklichen Zuwachs. […]
(Vergl. augengeradeaus.net/2022/07/bundeswehr-personalplanung)
Inwieweit diese Zahlen gegenwärtig noch aktuell sind, soll hier an dieser Stelle vernachlässigt werden. Entscheidend neben der notwendigen robusten materiellen Ausrüstung ist vor allem der zukünftig zur Verfügung stehende Bestand an Reservisten der Bundeswehr.
Dem gegenwärtigen Bestand der russischen Armee des Jahres 2023 mit rund 1.190.000 aktiven Soldaten, sowie über rund 1.500.000 Reservisten stehen in der Bundeswehr, ohne Beteiligung der Verbündeten, geplante 203.000 Mann einschließlich Reservisten gegenüber. Im Jahr 2023 umfassten die Streitkräfte der NATO insgesamt, nach vorläufigen Angaben, eine Truppenstärke von insgesamt rund 3,37 Millionen Soldaten und Soldatinnen. Die meisten Streitkräfte stellten im Jahr 2023 die USA mit rund 1,35 Millionen Personen. Allerdings ist die reale Gesamtstärke der NATO-Truppen ohne US-Beteiligung auf dem europäischen Kriegstheater geringer als die der gegenwärtigen russischen Stärke.
(Vergl. e.statista.com/statistik/daten/studie/36914/umfrage/streitkraefte-der-nato/)
Angesichts der revolutionären veränderten Kriegsführung durch modernste Waffensysteme, wie Drohnen und Anwendung von KI, ist in einer zukünftigen bewaffneten Auseinandersetzung mit erheblichen sanitären und letalen Verlusten zu rechnen. Diese müssten im Krieg ständig ausgeglichen werden.
Die Intention der gegenwärtigen Politik, Personalstärke über »Jobvermittlungen« zu regeln, betrachten wir hier als untaugliches Instrument. Die Berufung des Soldaten als »Job« verstehen zu wollen ist – so denkt der Autor – eine katastrophale Fehleinschätzung.
Hier können wir zum eigentlichen Thema unserer Betrachtung zurückkehren und uns noch einmal auf Scharnhorst berufen:
[…] Die Truppe sollte gefechtsnah ausgebildet und die Offiziere an neue Anforderungen mit höherer Verantwortung gewöhnt werden. […]
(Vergl. »Scharnhorst Ausgewählte militärische Schriften«, Hg. Usczek und Gudzent, MV, 1986, S. 280 bis 299)
Dazu gehört vor allem die Herausbildung soldatischer Tugenden, die sich schwerlich als »Job« vermitteln lassen, wie sich heutige deutsche Politiker das Militärwesen vorstellen. Militärische Tugenden, die Moral der Kämpfer, gepaart mit Enthusiasmus der Truppe vom Heerführer bis in das letzte Glied der Linie und die Ausbildung waren — so Clausewitz — Grundlagen des Sieges im Gefecht und in der Schlacht. Streng wies er jedoch darauf hin, dass auch im Kampf Regeln und Gesetze galten und zu berücksichtigen waren.
[…] Grundsätze, Regeln, Vorschriften und Methoden aber sind für die Theorie der Kriegsführung unentbehrliche Begriffe, insoweit sie zu positiven Lehren führt, weil in diesen die Wahrheit nur in solchen Kristallisationsformen anschießen kann. […]«
(Vergl. »Vom Kriege«, Carl von Clausewitz, Verlag des MfNV, Berlin 1957, 2. Buch, Kap. 4, S. 120)
Neben den »technischen« Voraussetzungen sieht Clausewitz noch einen weiteren wichtigen Komplex von Wirkungsfaktoren im Krieg.
Das sind Tapferkeit, Gewandtheit, Abhärtung, Enthusiasmus, Kühnheit, Beharrlichkeit, Überraschung sowie List. Diese allgemeingültigen Faktoren, welche die moralische Potenz der gesamten Truppe determinieren, gliedert Clausewitz jedoch weiter auf. Als »unverkennbare Wahlverwandtschaften« charakterisiert er das Zusammenwirken von Regeln, Gehorsam und Ordnung, gepaart mit dem Talent des Feldherren und dem Volksgeist des Heeres unter verschiedenen Bedingungen der jeweiligen Kriegstheater.
(Vergl. »Vom Kriege«, Carl von Clausewitz, Verlag des MfNV, Berlin 1957, 3. Buch, Kap. 5, S. 169 bis 172)
Soldat sein ist in erster Linie Berufung. Diese Berufung verlangt nach Vorbildern und Traditionen. Die Probleme der Suche nach soldatischen Traditionen für die Bundeswehr stellt eine mehr oder weniger gewollt schwierige Frage angesichts der vergangenen deutschen Militärgeschichte dar. Diese Frage hier zu erörtern, ist nicht das Ziel dieser Arbeit.
Gleichwohl stellt sich die Frage nach dem Finden von Vorbildern als sehr schwierig dar, angesichts schuldhafter Verstrickung deutscher Soldaten in unehrenhafte Handlungen insbesondere während des 2. Weltkrieges. Noch immer sind jedoch drei Traditionslinien gültig:
- Die preußische Heeresreform der Jahre 1807 bis 1814.
- Der militärische Widerstand gegen den Nationalsozialismus und gegen das NS-Regime.
- Die eigene Geschichte der Bundeswehr seit ihrem Gründungsjahr 1955 sowie ihre heutige gesellschaftliche Verankerung.
Das Wissen über diese Zeitabläufe und deren wichtigste Protagonisten, die wir als Patrioten bezeichnen können, muss in der Gesellschaft und damit natürlich in der Bundeswehr nachhaltig vermittelt werden.
Karl Friedrich Friesen gehört neben Theodor Körner, Scharnhorst, Eleonore Prochaska und vielen anderen, zu Personen mit unbedingter Vorbildwirkung.
Der Ruf der Fallschirmjäger »Treue um Treue« wurde 2014 in der Bundeswehr verboten. Zu sehr würde die zivile Öffentlichkeit den Ausdruck mit den Wehrmachtsfallschirmjägern in Verbindung bringen, so die Argumentation, obwohl dieser Spruch schon aus der Zeit der Befreiungskämpfe gegen Napoleon stammt.
(Vergl. reservistenverband.de)
Angesichts der hier vollzogenen Darstellung des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Friesen und seinem Freund von Vietinghoff über den Tod hinaus scheint es nicht schwierig, Vorbilder unter den Helden vergangener Zeiten zu finden.
Der Wahlspruch muss lauten:
»Wir gehen zusammen raus, wir kommen zusammen wieder rein!«
Vietinghoff, der Freund und Kamerad Friesens lebte es vor!
»Treue um Treue«
Ein Kommentar
Matthias Köcher
Alle 3 Teile gelesen 📝☝️🫡,vertiefe deine Ausführungen ✊