III. Militärtheoretische Grundlagen

Über­sicht über die Trup­pen­stär­ken bei­der Sei­ten, die in der Schlacht am 18. Juni gefoch­ten haben.
(Zah­len­an­ga­ben nach Rudolf Fried­rich, Der Feld­zug 1815, Bd.4 S. 72 ff., 95 ff., die sich auf den Zeit­punkt des Beginns der Schlacht am 18. Juni bezie­hen. Die­se Anga­ben sind mit den Zah­len bei Clau­se­witz nicht immer kongruent)

Die Armee Napoléons:
Befehls­ha­ber – Napo­lé­on Bona­par­te, Kai­ser der Franzosen;
72.000 Mann Infan­te­rie, Kaval­le­rie und 246 Kanonen;

Die Mehr­heit der fran­zö­si­schen Trup­pen waren erfah­re­ne, gut aus­ge­bil­de­te und moti­vier­te Sol­da­ten, die von bewähr­ten Füh­rern befeh­ligt wur­den. Artil­le­rie und Kaval­le­rie zähl­ten zu den bes­ten bei Waterloo.

»Gar­de Impé­ria­le« (Gar­de­korps):Unter Maré­chal Mor­tier, Her­zog von Tre­vi­so (*1768; †1835) bis zum 14. Juni, danach Géne­ral de divi­si­on Comte Drout (*1774; †1847);
15 Batail­lo­ne »Alte Gar­de«, 8 Batail­lo­ne »Jun­ge Gar­de«, drei Regi­men­ter schwe­re Kavallerie,
Zwei Regi­men­ter leich­te Kavallerie;

Vier Bat­te­rien rei­ten­de Artil­le­rie, neun Fußbatterien.
Ins­ge­samt 20.755 Mann mit 96 Kanonen.

I.Korps
Unter Géné­ral Graf Drou­et d´Erlon (*1765; †1844);
Vier Infan­te­rie­di­vi­sio­nen mit 33 Batail­lo­nen, eine Kaval­le­rie­di­vi­si­on mit 15 Eskadro­nen, ein Artil­le­rie­korps mit einer rei­ten­den und vier Fuß­bat­te­rien sowie fünf Geniekompanien.
Ins­ge­samt 20.731 Mann mit 46 Kanonen.

II. Korps
Unter Géné­ral Graf Reil­le (*1775; †1860)
Vier Infan­te­rie­di­vi­sio­nen mit 41 Batail­lo­nen, eine Kaval­le­rie­di­vi­si­on mit 15 Eskadro­nen, ein Artil­le­rie­korps mit einer rei­ten­den und fünf Fuß­bat­te­rien, fünf Geniekompanien.
Ins­ge­samt 25.179 Mann mit 46 Kanonen.

VI. Korps
Unter Géné­ral Graf Mou­ton von Lobau (*1770; †1838)
Drei Infan­te­rie­di­vi­sio­nen mit 20 Batail­lo­nen, ein Artil­le­rie­korps mit einer rei­ten­den und vier Fußbatterien.
Ins­ge­samt 10.821 Mann mit 38 Kanonen.

V. Korps (Kaval­le­rie­re­ser­ve)
Das Korps war Napo­lé­on direkt unterstellt.
II. Kaval­le­rie­korps mit 31 Eskadro­nen und zwei rei­ten­den Artil­le­rie­bat­te­rien mit 3.900 Mann;
III. Kaval­le­rie­korps mit 25 Eskadro­nen und zwei rei­ten­den Artil­le­rie­bat­te­rien mit 3.800 Mann;
IV. Kaval­le­rie­korps mit 24 Eskadro­nen und zwei rei­ten­den Artil­le­rie­bat­te­rien mit je 3.100 Mann.
Ins­ge­samt 13.900 Mann mit 28 Kanonen.

Die meis­ten fran­zö­si­schen Gene­rä­le waren im mitt­le­ren Alter – zwi­schen 46 und 49 Jah­ren – und hat­ten wenigs­tens 20 Feld­zü­ge unter Napo­lé­on mitgemacht.

Der Gene­ral Comte Lou­is Bour­mont lief am Vor­abend der Begeg­nung bei Ligny mit sei­nem gesam­te Stab zum I. preu­ßi­schen Korps unter Zie­then über. Blü­cher emp­fing den Deser­teur nicht und soll bemerkt haben »Hunds­fott ist Hundsfott«.

Die Armee Wellingtons
Heer­füh­rer Duke von Wellington.
Mit 68.000 Mann und 164 Kanonen.

Ledig­lich 23.000 kampf­erprob­te Bri­ten. 11.400 Han­no­ve­ra­ner und ande­re Deut­sche von unter­schied­li­chem Kampf­wert. Außer­dem 9.600 Nie­der­län­der sowie 4.200 Belgier.

I. Korps
Unter Wil­helm Prinz von Ora­ni­en und Nas­sau (*1792; †1849)
Zwei bri­ti­sche und zwei nie­der­län­di­sche Infan­te­rie­di­vi­sio­nen, mit 28.000 Mann und 64 Kanonen.

II. Korps
Unter Gene­ral Lord Hill (*1772; †1842)
Zwei bri­ti­sche Infan­te­rie­di­vi­sio­nen, eine belgisch/​niederländische Infan­te­rie­di­vi­si­on mit 23.500 Mann und 40 Kanonen.

Kaval­le­rie­korps
Wel­ling­ton direkt unter­stellt, unter 2. Earl of Uxbridge (*1768; †1854)
8.400 Pfer­de und 36 Geschütze,

Reser­ve­korps
Wel­ling­ton direkt unterstellt
Zwei Infan­te­rie­di­vi­sio­nen (Pic­ton), Reser­ve­ar­til­le­rie, Braun­schwei­gi­sches Korps, Han­no­ver­sches Reser­ve­korps mit 23.000 Mann und 64 Kanonen.

Preu­ßen
Heer­füh­rer Feld­mar­schall Fürst Blü­cher mit dem Chef des Sta­bes, Gene­ral von Gneisenau.
Die Trup­pen bestehen über­wie­gend aus Land­wehr, die dis­zi­pli­niert und moti­viert kämpf­ten. Die Trup­pen­füh­rer waren in den Feld­zü­gen 1813 und 1814 bewähr­te Offiziere.

I. Korps
Unter Gene­ral Zie­ten (*1770; †1848) 
Vier Bri­ga­den mit 34 Infan­te­rie­ba­tail­lo­nen, acht Eskadro­nen Kaval­le­rie und 40 Geschütze;
Reser­ve Kaval­le­rie mit 24 Eskadro­nen und 8 Kanonen;
Reser­ve Artil­le­rie mit 40 Kanonen.
Mit ins­ge­samt 33.000 Mann.

II. Korps
Unter Gene­ral Pirch (*1763; †1838)
Vier Bri­ga­den mit 36 Infan­te­rie­ba­tail­lo­nen, acht Eskadro­nen Kaval­le­rie, 32 Kanonen;
Reser­ve Kaval­le­rie mit 28 Eskadro­nen und acht Kanonen;
Reser­ve Artil­le­rie mit 40 Kanonen.
Mit ins­ge­samt 30.000 Mann.

IV. Korps
Unter Gene­ral Bülow von Den­ne­witz (*1755; †1816)
Vier Bri­ga­den mit 36 Infan­te­rie­ba­tail­lo­nen, acht Eskadro­nen Kaval­le­rie, 32 Kanonen;
Reser­ve­ka­val­le­rie unter Prinz Wil­helm mit 35 Eskadro­nen Kaval­le­rie und 16 Kanonen;
Reser­ve­ar­til­le­rie mit 40 Kanonen.
Mit ins­ge­samt 30.000 Mann.

Ope­ra­ti­on im Raum Wav­re um den 18. Juni 1815

Napo­lé­ons Observationskorps
Unter Gene­ral Emma­nu­el de Grouchy (*1766; †1847)

III. Korps
Unter Gene­ral Graf Van­d­am­me (*1770; †1830)
Drei Infan­te­rie­di­vi­sio­nen mit ins­ge­samt 31 Bataillonen;
Eine Kaval­le­rie­di­vi­si­on mit 12 Eskadronen;
Ein Artil­le­rie­korps mit elf rei­ten­den und vier Fuß-Batterien;
Drei Genie­kom­pa­nien.
Mit ins­ge­samt 18.105 Mann und 38 Kanonen.

IV. Korps
Unter Gene­ral Graf Gerard (*1773; †1852)
Drei Infan­te­rie­di­vi­sio­nen mit ins­ge­samt 26 Bataillonen;
Eine Kaval­le­rie­bri­ga­de mit sechs Eskadronen;
Ein Artil­le­rie Korps mit einer rei­ten­den und vier Fuß-Batterien;
Vier Genie­kom­pa­nien.
Mit ins­ge­samt 15.000 Mann mit 38 Kanonen.

I. Kaval­le­rie­korps
mit 24 Eskadro­nen und zwei rei­ten­den Artilleriebatterien.
Mit ins­ge­samt 2.800 Mann.

Arriè­re­gar­de der Armee Blüchers
Unter Gene­ral Thie­le­mann (*1765; †1824) mit Chef des Sta­bes, Gene­ral Carl von Clau­se­witz (*1780; †1831)
30 Infan­te­rie­ba­tail­lo­ne;
38 Eskadro­nen Kaval­le­rie mit einer rei­ten­den Artil­le­rie­bat­te­rie (acht Kanonen);
Artil­le­rie­re­ser­ve mit 24 Kanonen.
Mit ins­ge­samt 23.000 Mann.

Bewäh­rung des neu­en preu­ßi­schen Gene­ral­sta­bes im Jahr 1815

»Um alles in der Welt, nur kei­ne unprak­ti­schen Leu­te des Gene­ral­sta­bes im Kriege«
(Vergl. Tra­di­ti­on und Reform im mili­tä­ri­schen Bil­dungs­we­sen: Von der preu­ßi­schen All­ge­mei­nen Kriegs­schu­le zur Füh­rungs­aka­de­mie der Bun­des­wehr. Eine Doku­men­ta­ti­on 1810 – 1985, D. Bald,Verlag: Nomos-Verl.-Ges.,)

Die hier durch uns dar­ge­stell­ten Ope­ra­tio­nen der preu­ßi­schen Armee unter der Füh­rung von Blü­cher und Gnei­se­nau stel­len die erfolg­rei­che Ent­wick­lung der Stä­be und des Gene­ral­sta­bes nach der preu­ßi­schen Mili­tär­re­form nach 1808 dar. Die­ser Pro­zess doku­men­tiert sich über die Feld­zü­ge der Jah­re 1813, 1814 bis 1815.

Erfolgs­fak­to­ren waren:
 — Enthu­si­as­mus und Moral der Truppen;
 — Exzel­len­te Füh­rer­per­sön­lich­kei­ten wie Scharn­horst, Gnei­se­nau, Grol­man, Clausewitz;
 — Effek­ti­ve Stä­be in den Trup­pen­kör­pern, respek­ti­ve Generalstab.

Etap­pen die­ser Ent­wick­lung waren:
 — Der »Gene­ral­quar­tier­meis­ter­stab« unter Fried­rich II., der haupt­säch­lich inge­nieur­tech­ni­sche Zuar­beit leistete;
 — Die Refor­men des Gene­ral­sta­bes unter Fried­rich Wil­helm II, wirk­sam gewor­den in den Koali­ti­ons­krie­gen 1787 bis 1792;
 — Fort­füh­rung der Refor­men unter Fried­rich Wil­helm III. 1798 bis 1807;
 — Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des Gene­ral­sta­bes unter Scharn­horst 1807 bis 1813;
 — Wir­kung des Gene­ral­sta­bes in den Befrei­ungs­krie­gen 1813 bis 1815.

Die im Juli 1801 in Ber­lin durch Scharn­horst gegrün­de­te »Mili­tä­ri­sche Gesell­schaft« ver­sam­mel­te eine Avant­gar­de jun­ger Offi­zie­re, wie Clau­se­witz, von Boy­en, von Grol­man, Rüh­le von Lili­en­stern, u. a., die sich als Schu­le des Geis­tes und des Cha­rak­ters dar­stell­te. Hier wur­de der »Esprit de Corps« der Stä­be der preu­ßi­schen Armee der Jah­re 1813 bis 1815 geboren.

Nach Clau­se­witz soll­te ein Gene­ral­stabs­of­fi­zier fol­gen­de Fähig­keit ent­wi­ckeln können:

[…] … die Ideen des kom­man­die­ren­den Gene­rals in Befeh­le umzu­schaf­fen, nicht nur, indem er sie den Trup­pen mit­teilt, son­dern viel­mehr, indem er alle Detail­ge­gen­stän­de bear­bei­tet und den Gene­ral selbst die­ser unfrucht­ba­ren Mühen enthebt. […]
(Vergl. Gro­ßer Gene­ral­stab: Das preu­ßi­sche Heer der Befrei­ungs­krie­ge, 2. Bd., 1813, Mitt­ler & Sohn, Bln. 1914, S. )

Der »Gene­ral­quar­tier­meis­ter­stabs­of­fi­zier« Lud­wig Le Cog (*1757; †1829) arbei­te­te 1801 eine Instruk­ti­on für Offi­zie­re des Sta­bes aus, die 1802 durch Oberst Fabi­an von Mas­sen­bach (*1759; †1819) in Denk­schrif­ten erwei­tert wur­den. Nach des­sen Vor­stel­lun­gen soll­te ein stän­di­ger Gene­ral­stab der Armee schon in Frie­dens­zei­ten ein­ge­rich­tet wer­den, der selb­stän­dig arbei­ten soll­te. Der König Fried­rich Wil­helm III. befahl dar­auf­hin die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Stäbe.

Scharn­horst stieß auf dem Rück­zug – von Jena & Auer­stedt – 1806 auf Blü­cher, bei dem er den gan­zen Rück­zug über den Harz bis nach Meck­len­burg als Bera­ter Dienst tat.

[…] Die mili­tä­ri­sche Ehe zwi­schen Blü­cher und Scharn­horst bot in der preu­ßi­schen Hee­res­ge­schich­te das ers­te Bei­spiel für das erfolg­rei­che Zusam­men­wir­ken zwi­schen einem mit ange­bo­re­nen sol­da­ti­schen Talen­ten begab­ten, hohen mili­tä­ri­schen Füh­rer und einem wis­sen­schaft­lich geschul­ten, geis­tig hoch­ste­hen­den Stabschef. […]
(Vergl. »Klei­ne Geschich­te des deut­schen Gene­ral­sta­bes«, W. Gör­litz, Hau­de & Spe­ner­sche, Ber­lin 1977, S.33)

Eine der bedeu­ten­den orga­ni­sa­to­ri­schen Maß­re­ge­lun­gen Scharn­horsts war die Glie­de­rung des Frie­dens­hee­res in Divi­sio­nen (Bri­ga­den) und gemisch­te Ver­bän­de aus allen Waf­fen­gat­tun­gen. Hier wur­de bereits das »Prin­zip der ver­bun­de­nen Waf­fen« gedacht und in den spä­te­ren Feld­zü­gen erfolg­reich ange­wandt. Im Zuge des­sen wur­de ein Kriegs-​Departement, spä­ter Kriegs­mi­nis­te­ri­um eingerichtet.

Ger­hard Johann David Scharn­horst, ab 1802 von Scharn­horst (*12. Novem­ber 1755 in Bor­den­au bei Han­no­ver; †28. Juni 1813 in Prag) – Quel­le: Wikipedia

Eine ähn­li­che Denk­wei­se war in der fran­zö­si­schen Armee zu verzeichnen.

Das Kriegs-​Departement bestand aus drei Abtei­lun­gen, die Divi­sio­nen genannt wur­den. Scharn­horst sel­ber behielt sich neben des­sen Lei­tung die 2. Divi­si­on, den Gene­ral­stab, vor. Ab 1810 fun­gier­te in Scharn­horsts Stab Clau­se­witz als Lei­ter sei­nes Büros. Gnei­se­nau und Boy­en taten eben­falls dort Dienst. Nach dem tra­gi­schen Able­ben Scharn­horsts im Jahr 1813 folg­te Gnei­se­nau und wur­de Blü­chers Gene­ral­stabs­chef. In die­ser Funk­ti­on sehen wir Gnei­se­nau im Feld­zug des Jah­res 1815, sowie Clau­se­witz als Stabs­chef des II. Armeekorps.

Im Feld­zug 1815 glie­der­te sich der Gene­ral­stab der Armee, den Korps und in den Bri­ga­den in fünf Sektionen:
 — Sek­ti­on 1, ein Offi­zier vom Generalstab;
 — Sek­ti­on 2, ein Brigade-Adjutant;
 — Sek­ti­on 3, ein Brigade-​Auditeur (Rich­ter);
 — Sek­ti­on 4, ein Kriegskommissar;
 — Sek­ti­on 5, der Kom­man­deur der Bat­te­rie, der den Ein­satz der Artil­le­rie zu regeln hatte.

Die durch Scharn­horst und Gnei­se­nau ent­wi­ckel­te und ange­leg­te Struk­tur der Befeh­le beinhaltete:
 — Anga­ben des Haupt­zwe­ckes eines Gefechts;
 — Gefechts­ein­tei­lung der Truppen;
 — Besonderheiten;
 — Zusam­men­wir­ken der ein­zel­nen Truppenkörper;
 — Rich­tung der Haupt­an­stren­gun­gen im Angriff, in der Ver­tei­di­gung, im Ein­satz der Reserven;
 — Ein­satz der Kavallerie-Reserve;
 — Ver­wen­dung der Artilleriereserve;
 — Platz des Kommandierenden;
 — Platz der Baga­ge und Umgang mit den Verwundeten;
 — Platz der Munitionsreserven;
 — Stel­lung des Fein­des, Absich­ten des­sel­ben und Nachrichtenlage.

Dazu wur­de durch den Gene­ral­stab ein schrift­li­ches Kon­zept auf Papier und Kar­te ent­wor­fen. Im Jahr 1815 waren im Gene­ral­stab – im Krieg – bei einer Armee­stär­ke von etwa 300.00 Mann, 100 Stabs­of­fi­zie­re (ab Major auf­wärts) sowie etwa 220 Haupt­leu­te und Lieu­ten­ants. Ein Gene­ral pro 4.000 Mann.
(Vergl. dazu »Der preu­ßi­sche Gene­ral­stab in den Befrei­ungs­krie­gen 1813 — 1815«, M. Klöff­ler, Zeit­schrift für Hee­res­kun­de, Nr. 456 April/​Juni 2015, S. 15 ff)

(Quel­le: »Der preu­ßi­sche Gene­ral­stab in den Befrei­ungs­krie­gen 1813 — 1815«, M. Klöff­ler, Zeit­schrift für Hee­res­kun­dem, Nr. 456 April/​Juni 2015, S. 15 ff)

Gnei­se­nau, Clau­se­witz, ande­re Gene­ra­le und Offi­zie­re waren im Feld­zug 1815 der Maß­stab für die Arbeit des Gene­ral­sta­bes. Unter die­sem Gesichts­punkt ist auch Clau­se­witzs Wir­ken in der Cau­sa Wav­re zu beur­tei­len. Es kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass er bei der Lage­ana­ly­se gründ­lich und nach bes­ten Wis­sen und Gewis­sen als Chef des Sta­bes handelte.

Stand der Kriegs­kunst, die Anwen­dung der Trup­pen und der Waffen

Wir wol­len uns hier wei­ter haupt­säch­lich der preu­ßi­schen Armee wid­men. Die Rede ist von den drei Haupt­waf­fen, wie Clau­se­witz das definierte:

- dem Fußvolk,

- der Rei­te­rei und

- der Artillerie.

[…] 1. Das Fuß­volk ist die selb­stän­digs­te unter den Waf­fen. 2. Die Artil­le­rie ist ganz unselbst­stän­dig. 3. Die Rei­te­rei ist am ent­behr­lichs­ten. 3. Die Ver­bin­dung der drei gibt die größ­te Stärke. […]
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag MfNV, Ber­lin 1957, 5. Buch, 4. Kap. S. 298 bis 300)

Clau­se­witz räumt hier bereits dem »Gefecht der ver­bun­de­nen Waf­fen« einen hohen Stel­len­wert ein, kann jedoch kein abso­lu­tes bes­te Ver­hält­nis nen­nen. Auch das damals schon immer lage­ab­hän­gig. Clau­se­witz definiert:

[…] 1. Daß das Fuß­volk die Haupt­waf­fe ist, wel­cher die ande­ren bei­den zuge­ord­net sind.
2. Daß man durch einen grö­ße­ren Auf­wand von Kunst und Tätig­keit in der Füh­rung des Krie­ges den Man­gel bei­der eini­ger­ma­ßen erset­zen kann, vor­aus­ge­setzt, daß man dafür um so viel stär­ker an Fuß­volk sei und daß man dies um so eher kön­ne, je bes­ser die­ses Fuß­volk ist.
3. Daß die Artil­le­rie schwe­rer zu ent­beh­ren ist als die Rei­te­rei, weil sie das Haupt­ver­nich­tungs­prin­zip und ihr Gefecht mit dem des Fuß­vol­kes mehr ver­schmol­zen ist. 

4. Daß über­haupt, da die Artil­le­rie im Ver­nich­tungs­akt die stärks­te Waf­fe ist und die Rei­te­rei die schwächs­te, man immer fra­gen muß: Wie­viel Artil­le­rie kann man ohne Nach­teil haben, und mit wie wenig Rei­te­rei kann man sich behelfen? […]
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag MfNV, Ber­lin 1957, 5. Buch, 4. Kap. S. 306)

Dabei gibt es nach Clau­se­witz beim Angriff oder der Ver­tei­di­gung vier Vari­an­ten der Waffenvereinigung:

a) Infan­te­rie und Artillerie;
b) Infan­te­rie und Kavallerie;
c) Kaval­le­rie und Artillerie;
d) Alle drei vereinigt.

Im Ver­bund der Waf­fen kön­nen zu die­sem Zweck Bri­ga­den, Divi­sio­nen, Korps und Armeen gebil­det werden.
(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag MfNV, Ber­lin 1957, Skiz­zen eines Pla­nes zur Tak­tik oder Gefechts­leh­re, S. 826)

Zum Zeit­punkt der Schlacht bei Water­loo war der Stand der Tak­tik im Wesent­li­chen, trotz des Inno­va­ti­ons­schu­bes durch die fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­ons­hee­re, immer noch auf dem Stand von 1780. Die domi­nie­ren­de Waf­fen­gat­tung war die dama­li­ge Infan­te­rie, die haupt­säch­lich in fol­gen­dem Auf­bau sicht­bar wird:

- Die Infan­te­rie stell­te sich in zwei Tref­fen in Linie auf;
 — Davor die Artil­le­rie – in Linie der Bat­te­rien – mit Zwi­schen­räu­men für den Durch­zug der Infanterie;
 — Die Kaval­le­rie mit rei­ten­der Artil­le­rie an den Flan­ken oder in der Reserve;
 — Dahin­ter die Reser­ven der Infanterie.

Die fran­zö­si­sche Armee erziel­te einen wesent­li­chen Teil ihrer tak­ti­schen Erfol­ge durch den Ein­satz ihrer »Tirailleurs« und den Haupt­teil durch die Ent­wick­lung der »Angriffs­ko­lon­ne«. Bei­de Ele­men­te wur­den auf Betrei­ben Scharn­horsts ab 1810 schritt­wei­se in der preu­ßi­schen Armee ein­ge­führt. Er hat­te bereits 1797 auf die Wirk­sam­keit die­ser Ele­men­te ver­wie­sen. In sei­nen Vor­le­sun­gen an der Aka­de­mie für jun­ge Offi­zie­re las er von der Schlacht, vom Angriff und von der Ver­tei­di­gung.
(Vergl. »Scharn­horst Aus­ge­wähl­te Schrif­ten«, Usc­zeck & Gud­zent, MV der DDR, 1986, S.150 ff)

In der Dar­stel­lung der tak­ti­schen Ele­men­te Angriff und Ver­tei­di­gung wol­len wir hier die Anwen­dung der Infan­te­rie, Artil­le­rie und Kaval­le­rie sowie deren Ver­bund der Waf­fen im Gefecht dar­stel­len. Dabei betrach­tet Scharn­horst die Schlacht als bedeu­ten­des Gefecht zwi­schen bedeu­ten­den Tei­len der Armee.

In der Regel wur­de das Gefecht, respek­ti­ve der Angriff, auf einen beherr­schen­den Punkt des Geg­ners durch mas­sier­ten Ein­satz der Artil­le­rie eröff­net. Nicht sel­ten wur­den jedoch auch Schein­ge­fech­te geführt, um den Geg­ner in sei­nen Maß­re­ge­lun­gen abzu­len­ken. Die Bat­te­rien der Fuß­ar­til­le­rie führ­ten das Feu­er mit 32 oder 48 – vor­ran­gig mit 6 pfün­di­gen – Kano­nen über ½ bis ¾ Stun­de. Dabei war es üblich, auf eine Ent­fer­nung von 1.200 bis 1.800 Schritt zu feuern.

Nach der Kano­na­de zog das ers­te Tref­fen der Infan­te­rie durch die Bat­te­rie­zwi­schen­räu­me hin­durch und beweg­te sich zügig mit Feld­schritt (90 Schrit­te pro Minu­te) dann mit Geschwind­schritt (120 Schrit­te pro Minu­te) auf den Geg­ner zu. Das ver­än­der­te Tem­po soll­te die Feu­er­wir­kung des Geg­ners ver­rin­gern. Leich­te Artil­le­rie folg­te dem ers­ten Tref­fen. Die Bat­te­rie­ka­no­nen ver­blie­ben in ihrer Posi­ti­on, um eine mög­li­che Retrai­te der Infan­te­rie zu decken. Vor der Linie des 1. Tref­fens beweg­ten sich Schüt­zen in geöff­ne­ter Ord­nung, um feind­li­che Tirailleu­re zu bekämp­fen und die eige­nen Trup­pen an zu frü­hem Feu­ern zu hin­dern. In Abhän­gig­keit der Lage war es mög­lich, dass die Infan­te­rie drei Arten der Hand­lun­gen durch­führ­te. Das war die Gene­ral­sal­ve (auf 300 Schritt), das Schüt­zen­ge­fecht oder ohne zu feu­ern mit dem Bajo­nett den Geg­ner anzugreifen.

[…] Man unter­schied beim Mas­sen­feu­er fol­gen­de Arten:

1. Das Pelo­ton­feu­er, also Schuß­ab­ga­be gan­zer geschlos­se­ner Abtei­lun­gen (Züge) nach bestimm­ter Rei­hen­fol­ge. Dafür benö­tig­te man sehr gut aus­ge­bil­de­te und dis­zi­pli­nier­te Leu­te. Selbst dann war die­ses Feu­er in der Pra­xis nur kurz durch­zu­hal­ten, denn die aus­ge­klü­gel­te Maschi­ne­rie geriet schnell aus dem Tritt.

2. Man half sich, indem das gan­ze Batail­lon auf ein­mal feu­er­te, also auf Kom­man­do eine »Gene­ral­sal­ve« schoß. Das ver­hin­der­te Unord­nung, mach­te aber durch die gleich­zei­ti­ge Qualm­wol­ke das Batail­lon blind und wäh­rend der Lade­zeit wehrlos.

3. Meist stell­te sich in der Pra­xis von selbst das soge­nann­te »Batail­len­feu­er« ein, bei dem jeder schoß, wenn er fer­tig war. Eine Feu­er­lei­tung war dabei unmög­lich, die Wir­kung jäm­mer­lich, wenn man den Auf­wand betrach­te­te. Es beschäf­tig­te bloß die Leu­te, eine Ent­schei­dung brach­te es nie. Ein sol­ches Batail­len­feu­er konn­te auch durch Wir­bel der Tam­bours befoh­len und been­det wer­den. Dann soll­te jeder schie­ßen, wenn der Rot­ten­ka­me­rad mit dem Laden fer­tig war. […]
(Vergl. http://​www​.preus​sen​web​.de/​t​a​k​t​i​k​2​.​htm)

Das Tirailleur­ge­fecht, ein »Pro­dukt« der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­ons­hee­re und durch Napo­lé­on wei­ter ange­wen­det, nahm auch in der neu­en preu­ßi­schen Armee sei­nen Platz ein. In der fran­zö­si­schen Armee ein »Wild­wuchs«, erhielt der Kampf in geöff­ne­ter Ord­nung sei­ne Platz im Exer­zier­re­gle­ment von 1812 sei­nen Nie­der­schlag. Die drei­glied­ri­ge Linear-​Aufstellung mit ihrer ver­hee­ren­den Wir­kung der Feu­er­sal­ve mit 600 bis 800 Mann blieb bestehen. Im drit­ten Glied stan­den jedoch die bes­ten Schüt­zen, die auf Befehl vor die Front zie­hen konn­ten, um als »Plänk­ler«, so wie die fran­zö­si­schen Tirailleu­re ihrer­seits, das Gefecht in geöff­ne­ter Form füh­ren konnten.

(Vergl. »Vom Krie­ge«, Carl von Clau­se­witz, Ver­lag MfNV, Ber­lin 1957, Anhang, Unter­richt der Kron­prin­zen, S.791)

Bei Not­wen­dig­keit konn­te das zwei­te Tref­fen in das Gefecht ein­ge­führt wer­den oder die Flan­ken des ers­ten Tref­fens sichern. Eine bedeut­sa­me tak­ti­sche Vari­an­te des Angriffs stell­te der Stoß mit der Angriffs­ko­lon­ne dar. Die­ses Manö­ver zeig­te einen hohen Anspruch an den Aus­bil­dungs­stand der Trup­pen. Das Zusam­men­zie­hen der Linie nach der Mit­te mit zwei Zügen breit und vier Zügen tief konn­te sowohl aus dem Stand oder auch aus der Vor­wärts­be­we­gung der Linie her­aus erfol­gen. Umge­kehrt konn­te die Kolon­ne auch »deploy­ie­ren« und die Linie der Züge wie­der ein­neh­men. Vergl. hier: Kul­pe & Reitz “Waterloo/​Belle-​Alliance 1815”, IX.

Aus der Kolon­ne konn­te bei dro­hen­den Kaval­le­rie­at­ta­cken schnell ein Kar­ree gebil­det wer­den. Die Züge der Kolon­ne mar­schier­ten auf und bil­de­ten ein sog. offe­nes Kar­ree, in dem die Züge links bzw. rechts um mach­ten und somit Front in alle vier Rich­tun­gen ein­nah­men. In der Mit­te war Platz für die Tam­bours, die Fah­ne, berit­te­ne Offi­zie­re. Auch die Ver­sor­gung von Ver­wun­de­ten war möglich.

Der fran­zö­si­sche Chir­urg Domi­ni­que Jean Larrey (*1766; †1842), den Napo­lé­on sehr wert­schätz­te, ging mit der kämp­fen­den Trup­pe mit und ope­rier­te auch in den geschlos­se­nen Kar­rees. Unter extre­men Bedin­gun­gen konn­te sich das Kar­ree auch in Rich­tun­gen bewe­gen. Das setz­te jedoch einen hohen Aus­bil­dungs­stand und Dis­zi­plin voraus.

Struk­tur der preu­ßi­schen Infanterie

Bri­ti­sche Infan­te­rie bil­det bei Quat­re Bras ein Kar­ree. Quel­le: Wikipedia

Die Kaval­le­rie stell­te den klei­ne­ren Teil des Hee­res, das sich im Ver­lau­fe der Zeit von Rei­ter­trup­pen zu geschlos­se­nen For­ma­tio­nen ent­wi­ckelt hat­te. Die kleins­te tak­ti­sche Ein­heit war die Eskadron. Vier Eskadrons bil­de­ten meist ein Regi­ment, zwei Regi­men­ter eine Brigade.

[…] Mit Kabi­netts­ord­re vom 16. Okto­ber 1807 für die Kaval­le­rie begann die Neu­auf­stel­lung der rei­ten­den Trup­pen nach der Schlacht von Jena & Auer­stedt 1806. Alle Regi­men­ter, außer der Gar­des du Corps, wur­den von 5 auf 4, das Husa­ren Regt. Nr. 5 von 10 auf 8 und das Ula­nen Regt. von 15 auf 8 Eskadrons ver­min­dert. Jede Eskadron zu 6 Offi­zie­ren, 15 Unter­of­fi­zie­re, 132 Gemei­ne, 3 Trom­pe­ter, vor­läu­fig aber nur zu 125 Pfer­den. Zusam­men 87 Eskadrons.
1815 wur­de die Kaval­le­rie durch Auf­stel­lung je eines Garde-​Dragoner, ‑Husa­ren und Ula­nen Regi­ments, sowie wei­te­re 14 Regi­men­ter auf­ge­stockt, so dass im August 1815, 117 Eskadrons des Lini­en­hee­res bestanden. […]
(Vergl. http://​www​.preus​sen​web​.de/​k​a​v​a​l​l​e​r​i​e​2​.​htm)

Die Fecht­wei­se hing von der Art der Pfer­de ab, die zur Ver­wen­dung kamen. Die Geschlos­sen­heit im Antritt und Ent­schlos­sen­heit im Angriff zeich­ne­te vor allem die schwe­re Kaval­le­rie aus. Dazu zähl­ten die Kür­as­sie­re, Kara­bi­niers und Gre­na­die­re zu Pferd. Bewaff­nung und Aus­rüs­tung der Mann­schaf­ten und Offi­zie­re war um 1815 nicht ein­heit­lich. Preu­ßi­sche Kür­as­sie­re tru­gen bis Ende 1814 noch kei­ne Kür­as­se. Dazu wur­den dann Beu­te­stü­cke der fran­zö­si­schen Armee verwendet.

Die leich­te Rei­te­rei soll­te Gefech­te ein­lei­ten, den Feind hin­hal­ten und beun­ru­hi­gen sowie Aufklärungs- und Siche­rungs­auf­ga­ben über­neh­men. Wei­ter­hin die Flan­ken der Trup­pen und der berit­te­nen Artil­le­rie schüt­zen. Der Ein­satz als Streif­korps und im »klei­nen Krieg« war mög­lich. Der Wirk­ef­fekt der Kaval­le­rie war der ent­schlos­se­ne Kampf mit dem »kal­ten Stahl«, also dem Degen, dem Säbel, dem Pal­l­asch oder auch mit dem Kara­bi­ner und der Pis­to­le. Eini­ge Kaval­le­rie­trup­pen waren mit der Lan­ze aus­ge­rüs­tet, so zum Bei­spiel fran­zö­si­sche und pol­ni­sche Lanzenreiter.

Die Kaval­le­rie soll­te dabei außer­dem fol­gen­den Zweck haben:
 — Die Unord­nung des Fein­des im ers­ten Augen­blick ausnutzen;
 — Den Fol­gen der Unord­nung der eige­nen Angriffs­trup­pen zuvorzukommen;
 — Den Feind zu bedro­hen um ihn von Aus­nut­zung eige­ner Feh­ler abzuhalten;
 — Flan­ken­an­grif­fe des Fein­des ent­ge­gen zu wirken.

Eine wesent­li­che und wirk­sa­me Anwen­dung der Kaval­le­rie konn­te durch die Ver­fol­gung eines zurück­wei­chen­den Geg­ners ver­wirk­licht werden.
(Vergl. »Waf­fen der Revo­lu­ti­ons­krie­ge 1792 — 1848«, G. Orten­burg, Bech­ter­münz, 1988, S. 107 ff.)

Die Artil­le­rie

Der nach­fol­gen­de Text­teil stellt ver­kürz­te Dar­stel­lun­gen Deckers aus – Tak­tik der drei Waf­fen und der Taschen­ar­til­le­rist – dar.

Im Zuge der napo­léo­ni­schen Krie­gen wur­de in Fol­ge der Mili­tär­re­form im Jahr 1808 die preu­ßisch Fes­tungs­ar­til­le­rie auf­ge­löst und in drei Artil­le­rie­bri­ga­den geglie­dert. Jede der drei Bri­ga­den soll­te drei rei­ten­de und 12 Fuß­bat­te­rien stark sein. Es gab fort­an die Fuß­ar­til­le­rie und Rei­ten­de Artil­le­rie. Die Bezeich­nung wur­de fest­ge­legt in die 1. oder Preu­ßi­sche Bri­ga­de, die 2. oder Bran­den­bur­gi­sche Bri­ga­de und die 3., die Schle­si­sche Brigade.

Durch jede Bri­ga­de wur­de eine Hand­werks­ko­lon­ne gebil­det. Im Ver­lau­fe der Zeit bis 1815 unter­lag die dar­ge­stell­te Struk­tur per­ma­nen­ten Ver­än­de­run­gen. Bei der Fuß­ar­til­le­rie und rei­ten­den Artil­le­rie war das Geschütz mit Prot­ze bespannt, die Kano­nie­re beweg­te sich neben der Kano­ne zu Fuß. Bei der Rei­ten­den Artil­le­rie waren alle Man­schaf­ten beritten.

Eine 6‑pfündige Kano­ne war 6‑fach bespannt, die 12-​pfündige (schwe­re Artil­le­rie) 8‑fach. Für die Bedie­nung der Kano­nen benö­tig­te man in Abhän­gig­keit des Kali­bers zwi­schen acht und 20 Mann. Die Feld­bat­te­rien bestan­den aus acht Geschüt­zen (Halb­bat­te­rie mit vier). 1815 waren sechs Haubitz- Bat­te­rien im Bestand. Im Grund­stock der Feld-​Batterie sechs Kano­nen und zwei Hau­bit­zen. Der Mann­schafts­be­stand einer 6‑pfündigen Bat­te­rie setz­te sich aus sie­ben Offi­zie­ren, 26 Unter­of­fi­zier­ne, 177 Kano­nie­ren, 11 Hand­wer­kern, einem Chir­ur­gus und zwei Spiel­leu­ten zusam­men. Ins­ge­samt also 224 Män­ner. Pro Fuß­bat­te­rie folg­ten 10 Muni­ti­ons­wa­gen für die Kano­nen (6) und Hau­bit­zen (4), eine Feld­schmie­de, zwei Hand­werks­wa­gen mit Laboratorium.

Eine 6‑pfündige Feld­ka­no­ne mit Räder­la­fet­te im Ree­nact­ment Leip­zig 2022

Fol­gen­de Schuss­ar­ten waren möglich:
 — Kern­schuss auf 400 bis 500 Schritt;
 — Visier­schuss auf 800 bis 900 Schritt;
 — Roll­schuss über 1100 Schritt;
 — Bogen­schuss ab 800 Schritt;
 — Kar­tätschen­schuss bis etwa 600 Schritt.

Eine 6‑pfündige Kano­ne konn­te bis 1.200 m, eine Hau­bit­ze bis 1.500 m weit schießen.
Die Feu­er­ar­ten der Artil­le­rie waren wie folgt reguliert:
1. »Das rol­len­de Feu­er«. Begin­nend vom rech­ten Flü­gel der Bat­te­rie, Geschützweise.
2. »Das Zug­feu­er«. Zug mit zwei Geschüt­zen geschlossen.
3. »Das Schnell­feu­er«. Jedes Geschütz feu­ert selbstständig.
4. »Bat­te­rie­feu­er«. Alle Geschüt­ze zugleich – Generalsalve -

Die schwe­re Artil­le­rie soll­te den Geschütz­kampf füh­ren und als Posi­ti­ons­ar­til­le­rie handeln.
Die leich­te­re Fuß­ar­til­le­rie soll­te den Kampf der Infan­te­rie wirk­sam unterstützen.
Die rei­ten­de Artil­le­rie soll­te vor­ran­gig als Reser­ve die­nen und in der Bereit­schaft sein, in schwie­ri­gen Lagen zu wir­ken und die Kaval­le­rie zu unterstützen.
Die Haubitz-​Batterien soll­ten dort, wo das Feu­er der Kano­nen wir­kungs­los sein wür­de (gedeck­te Stel­lun­gen), den Kampf füh­ren, oder gegen Kaval­le­rie wir­ken sowie Brän­de auslösen.

Bild­li­che Dar­stel­lun­gen der Fuk­ti­ons­wei­se der Artillerie
Quel­le: Bestand Autor

Ent­spre­chend des Exer­zier­re­gle­ments von 1812 wur­den fol­gen­de Kom­man­dos an der Kano­ne gege­ben und Hand­lun­gen am Geschütz durchgeführt.

- Wischt aus! — Nr.1 wischt mit feuch­tem Wischer das Rohr aus;
 — Nr.4 sichert mit Dau­men das Zündloch;
- Kar­tu­sche!  — Nr.2 setzt Ladung ein;
- Setzt an! — Nr.1 rammt fest;
 — Nr.4 sticht mit Kar­tu­schna­del durch das Zünd­loch in den Kartuschsack;
- Schlag­röh­re! — Nr.4 beißt Papier der Schlag­röh­re ab und setzt Schlag­röh­re ein;
- Richt!  — Nr.3 rich­tet mit Richt­baum der Sei­te nach;
- Kano­ne Feu­er! — Nr.3 feu­ert mit Lun­ten­stab ab;
- Kano­ne vor!  — Nr.1 bis 4 rol­len das Geschütz vor.

Stand der Ver­wun­de­ten­ver­sor­gung in und nach der Schlacht bei Waterloo

[…] Als der Gefechts­lärm ver­klun­gen war, lagen etwa 35.000 bis 40.000 Män­ner unter­schied­li­cher Natio­na­li­tät bei Ein­bruch der Nacht tot oder ver­wun­det in den nie­der­ge­tram­pel­ten Getrei­de­fel­dern und Grä­ben des Schlacht­fel­des oder in Scheu­nen und Gehöf­ten in des­sen unmit­tel­ba­rer Umge­bung. Das Schlacht­feld war erfüllt von ver­zwei­fel­ten Rufen nach Hil­fe und Was­ser, Röcheln und Stöh­nen sowie den mark­erschüt­tern­den Kla­ge­lau­ten der verwundeten.
Es fällt schwer, ange­sichts der heu­ti­gen sani­täts­dienst­li­chen Ver­sor­gung in moder­nen Streit­kräf­ten mit ihren Feld­hos­pi­tä­lern, gepan­zer­ten Kran­ken­kraft­wa­gen, beweg­li­chen Arzt­trupps und dem schnel­len Ver­wun­de­ten­trans­port mit Hub­schrau­bern, die Dimen­si­on der Auf­ga­be zu begrei­fen, mit der sich die Armeen bei Water­loo kon­fron­tiert sahen. Es gab kei­ne Anäs­the­ti­ka und kei­ne Anti­bio­ti­ka. Die über­ra­gen­de Bedeu­tung von Hygie­ne für die Ver­mei­dung von Wund­brand und Infek­tio­nen war noch nicht völ­lig ver­stan­den. Des­in­fek­ti­ons­mit­tel und ‑ver­fah­ren waren unbekannt. 
Ein ver­gleich­ba­rer Mas­sen­an­fall an Ver­wun­de­ten wie bei Water­loo wür­de auch die sani­täts­dienst­li­chen Kapa­zi­tä­ten moder­ner Streit­kräf­te über­las­ten. In den Armeen der Napo­leo­ni­schen Epo­che steck­te der mili­tä­ri­sche Sani­täts­dienst jedoch noch in den Kin­der­schu­hen. Zudem war er wenig ange­se­hen. Die Aus­bil­dung und die medi­zi­ni­schen Kennt­nis­se des sani­täts­dienst­li­chen Per­so­nals waren all­zu oft unzu­rei­chend. Ärz­te wie Georg Har­tog Ger­son, der einer ange­se­he­nen jüdi­schen Arzt­fa­mi­lie aus Alto­na bei Ham­burg ent­stamm­te und im April 1810 an der Han­no­ver­schen Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen pro­mo­viert wor­den war, bil­de­ten die Aus­nah­me. Als Wund­arzt dien­te er in der König­lich Deut­schen Legi­on, die in bri­ti­schen Diens­ten bei Water­loo kämpf­te. Für gut aus­ge­bil­de­te, kom­pe­ten­te Medi­zi­ner war der Mili­tär­dienst jedoch zumeist unat­trak­tiv. In der bri­ti­schen Armee ran­gier­te der etat­mä­ßi­ge Wund­arzt noch unter­halb des jüngs­ten Fähn­richs. Die Stel­len für Wund­ärz­te blie­ben daher in den Regi­men­tern oft unbe­setzt, mit fata­len Fol­gen für die sani­täts­dienst­li­che Ver­sor­gung. Das bri­ti­sche 28. (North Glouces­ter­shire) Infan­te­rie­re­gi­ment – 557 Offi­zie­re und Sol­da­ten – beklag­te bei Water­loo sowie dem Gefecht bei Quat­re Bras zwei Tage zuvor, ins­ge­samt 253 Ver­lus­te, ver­füg­te aber über ledig­lich einen unqua­li­fi­zier­ten Sani­tä­ter. Ins­ge­samt gab es in der etwa 67.000 Mann star­ken Armee Wel­ling­tons bei Water­loo nur etwa 200 Regimentswundärzte. […]
(Vergl​.epo​che​-napo​le​on​.net/​h​i​s​t​o​r​i​s​c​h​/​v​e​r​w​u​n​d​e​t​e​n​v​e​r​s​o​r​g​u​n​g​-​w​a​t​e​r​l​o​o​.​h​tml)

Preu­ßi­sche Mili­tär­ärz­te folg­ten mit ihren Hel­fern den kämp­fen­den Lini­en mit »flie­gen­den Ambu­lan­zen« und ver­sorg­ten Ver­wun­de­te trotz Ein­wir­kung des Feu­ers der Mus­ke­ten und der Artil­le­rie des Geg­ners. Geriet ein Batail­lon unter Angriff geg­ne­ri­scher Kaval­le­rie, ope­rier­ten die Ärz­te inmit­ten des gebil­de­ten Quarees. Sie hat­ten durch den fran­zö­si­schen Mili­tär­arzt Domi­ni­que Jean Larrey gehört, dass es wich­tig war, zuerst Blu­tun­gen zu stil­len und über­nah­men das Sys­tem der Tria­ge. Ärz­te und Hel­fer star­ben auch in den Laza­ret­ten an Fleck­fie­ber, Typhus, Läu­se­fie­ber und ande­ren Krank­hei­ten, die unter den Ver­wun­de­ten gras­sier­ten. Auch die preu­ßi­schen Chir­ur­gi muss­ten aus der Nie­der­la­ge von 1806 ler­nen. Im »Ortels­bur­ger Publi­can­dum«* des Königs vom 1.12.1806 stand geschrieben:

[…] Um aber ähn­li­che Pflicht-​Vergessenheiten für die Zukunft vor­zu­beu­gen haben Sei­ne Königl. Majes­tät fol­gen­de Beschlüs­se gefasst: […] 5. Die Regiments- und Compangnie-​Chirurgen müs­sen sich am Tage des Gefechts in der Nähe ihrer Corps auf­hal­ten, und mit allem Nöthi­gen ver­se­hen seyn; thun sie ers­te­res nicht, wer­den sie fortgejagt. […]
(Vergl. epo​che​-napo​le​on​.net, *Publi­can­dum wegen Abstel­lung ver­schie­de­ner Miß­bräu­che bei der Armee.)

Hier dar­ge­stellt cha­rak­te­ris­ti­sche Ver­wun­dun­gen die­ser Zeit:

- Schuss­ver­let­zun­gen, die durch Mus­ke­ten oder Pis­to­len­ku­geln her­vor­ge­ru­fen wurden;
 — Schnitt- und Stich­wun­den durch Degen, Bajo­net­te oder Lanzen;
 — groß­flä­chi­ge Fleisch­wun­den und abge­ris­se­ne Extre­mi­tä­ten durch direk­te Kano­nen­tref­fer mit eiser­nen Vollkugeln.

Auf Grund der Ver­let­zun­gen war der kom­ple­xes­te und häu­figs­te medi­zi­ni­sche Ein­griff, der in der Nähe des Schlacht­fel­des von den Wund­ärz­ten vor­ge­nom­men wur­de, die Ampu­ta­ti­on von Glied­ma­ßen. Sofern fach­män­nisch durch­ge­führt, barg sie ein ver­hält­nis­mä­ßig gerin­ges Infek­ti­ons­ri­si­ko und bot damit oft die ein­zi­ge Über­le­bens­chan­ce. Bei Water­loo wur­den allein auf bri­ti­scher Sei­te etwa 500 Ampu­ta­tio­nen vorgenommen.

Der wei­ter oben bereits genann­te Armee­chir­urg Dominique-​Jean Larrey rich­te­te »flie­gen­de Laza­ret­te« ein: Pfer­de­wa­gen mit chir­ur­gi­scher Aus­rüs­tung. So konn­ten Ver­wun­de­te noch wäh­rend des Gefech­tes behan­delt wer­den. Doch die medi­zi­ni­schen Mög­lich­kei­ten waren begrenzt. Larrey begann daher, die Ver­letz­ten nach der Schwe­re ihrer Ver­wun­dung zu ord­nen, um mög­lichst vie­len das Leben zu ret­ten. Er gilt heu­te als der »Vater der Not­ärz­te« und der »Erfin­der der Tria­ge«, die er aber selbst nicht so nann­te. 1808 taucht der Begriff erst­mals in der Medi­zin auf, im Tage­buch eines Kol­le­gen Larreys. Das fran­zö­si­sche Wort bedeu­tet »Aus­le­se«:

[…] 1. Hoff­nungs­lo­se, 2. lebens­ge­fähr­lich Ver­letz­te, die sofort behan­delt wer­den müs­sen, 3. Ver­letz­te, die auch eine unauf­schieb­ba­re, aber präservativ-​operative Hil­fe ver­lan­gen, 4. Ver­wun­de­te, bei denen die unmit­tel­ba­re chir­ur­gi­sche Hil­fe nur wegen eines schad­lo­sen und beque­men Trans­por­tes not­wen­dig ist, 5. alle Ver­wun­de­ten, bei denen ein ein­fa­cher Deck­ver­band oder eine Extrak­ti­on der ober­fläch­lich lie­gen­den Kugeln erfolgt. […]
(Vergl. »Zur Geschich­te der Mili­tär­me­di­zin« in Deutschlnd, F. Ring, Mili­tär­ver­lag, Ber­lin 1962, S. 138

Vie­le der schwer ver­wun­de­ten Teil­neh­mer der Schlacht konn­ten noch über­le­ben, obwohl noch Stun­den und Tage auf dem Feld lie­gend, weil die umlie­gen­de Bevöl­ke­rung, Ver­ei­ne, Kir­che, Orga­ni­sa­tio­nen und frei­wil­li­ge Pfle­ger und Pfle­ge­rin­nen auf­op­fe­rungs­voll hal­fen, das Los der Ver­sehr­ten zu mil­dern. Erst­mals wur­de in der fran­zö­si­schen Armee auch ein schnel­ler Abtrans­port der Ver­wun­de­ten und Kran­ken durch die Ein­füh­rung von Kran­ken­trä­ger­ein­hei­ten sowie von Kran­ken­trans­port­wa­gen gewährleistet.

Verwundeten-​Transportwagen der fran­zö­si­schen Armee um 1815

Quel­le: Autor

Larrey erkann­te damals, dass die Maß­nah­me der zügi­gen Wund­ver­sor­gung Prio­ri­tät haben muss, um das Leben des Ver­wun­de­ten zu ret­ten. Dar­über hin­aus ver­trat er die Mei­nung, dass eine mög­lichst früh­zei­ti­ge Ampu­ta­ti­on not­wen­dig sei, um vor allem Wund­in­fek­tio­nen ein­zu­däm­men. Die­se tra­ten trotz­dem auf, denn man kann­te damals die Ursa­chen nicht. Die Wund­ver­sor­gung und Ampu­ta­ti­on von Glied­ma­ßen ohne jeg­li­che Betäu­bung ist für uns heu­te nicht vor­stell­bar. Die damals gewon­nen Erfah­run­gen spie­gel­ten sich in der spä­te­ren Ent­wick­lung der Mili­tär­me­di­zin wider. Immer mehr setz­te sich auch in der Mili­tär­me­di­zin die Wah­rung der Men­schen­wür­de durch. Eine Idee der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on von 1789 bis 1799.

[…] Die napo­leo­ni­schen Krie­ge (1803 bis 1815) for­der­ten nach heu­ti­gen Schät­zun­gen min­des­tens 2,5 Mil­lio­nen tote Sol­da­ten und rund eine Mil­li­on Tote unter der Zivilbevölkerung. […]
(Vergl. »Water­loo 1815«, M. Füs­sel, C.H.BECK, Mün­chen 2015, S. 118 bis 119)

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